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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 16
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [4]
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Die moderne Teerfarben-Industrie
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0067

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Nt. i6.

Münchner kunsttechnische Blätter.

63

sonders hervorzuheben; der Meinungsstreit*) darüber
beweist zur Genüge, dass die Angabe Vitruvs und des
Piinius nicht deuttich genug sind, um jeden Zweifei
über das technische Verfahren auszuschiiessen.
Nicht viel besser steht es mit den Ergebnissen
der chemischen Anaiysen, weil die Veränderungen or-
ganischer Substanzen, die vielleicht angewandt wurden,
im Laufe der Jahrhunderte zu grosse geworden sind,
oder die gefundenen Mengen zu gering sind, um deren
Natur deutlich zu erkennen.
Nur in dem Punkte scheinen alle, insbeson-
dere die neuesten chemischen Analysen, überein-
zustimmen, dass Wachs oder Mischungen von Wachs
und Harzen nicht das Bindemittel der antiken Wand-
malfarbe gewesen ist. In den meisten Fällen war
Wachs nicht deutlich nachzuweisen, und nur in wenigen
lässt die Spur von wachsartiger Substanz den Schluss
zu, dass Wachs vielleicht als letzter Ueberzug (wie
ich glaube, in der antiken Gonosisart) aufgetragen wor-
den sei. Denn wenn Wachs als Bindemittel der
Farben und noch dazu ausschliesslich verwendet wor-
den wäre, müsste die chemische Analyse dessen An-
wesenheit erkennen lassen; ohne dieses Bindemittel
hätte die Farbe ja sonst keinen Zusammenhang und
würde als Staub abfallen; die pompejanischen Male-
reien sind aber sehr fest und dicht mit dem Grunde
verbunden. Die Farben enthalten nach den Analysen
in allen Fällen Kalk, zumeist mit wenig organischer
Substanz vermischt.
Gerade die allerneuesten mikrochemischen Ana-
lysen, angestellt von Sr. Exzellenz Prof. Dr.Raehlmann**),
haben der von mir zuerst aufgestellten Theorie, wo-
nachStukkolustro oder ein dieser Technik sehr
ähnliches Glättungsverfahren als Technik der pompe-
janischen Wandmalerei in Betracht käme, einen neuen
nicht zu unterschätzenden Stützpunkt gegeben, ja die
Frage ist, aller Wahrscheinlichkeit nach zu urteilen,
durch diese Analysenergebnisse einer endgültigen Lö-
sung nahegebracht worden.
Die hier nur Süchtig angedeuteten Umstände, die
quellenmässigen Nachweise sowie die älteren und
neueren Ansichten finden Ew. Exzellenz in ausführlicher
Weise behandelt in meinem Buche „Maltechnik des
Altertums", auf das zu verweisen ich mir gestatte.
Dort sind auf S. 66 und im Kapitel „Frühere Rekon-'
struktionen", S. 29:, die Versuche von Montabert, Fern-
bach u. a. erwähnt, die darauf gerichtet waren, in der
sogenannten Enkaustik das antike Verfahren wieder-
zugewinnen. Es sind aber auch dabei die Gründe er-
örtert, die zur Aufgabe dieser nicht einwandfreien
Rekonstruktionen führen musste, und es Messe die
ganze Streitfrage um mehr als 50 Jahre zurückschrauben,
wenn man die Arbeiten vieler gelehrter Forscher, die
sich um die Sache bemüht haben, unbeachtet liesse.
Das Verfahren Matthiessens kenne ich aus eigener
Anschauung; es beruht auf der schnelleren Zufuhr von
Kohlensäure und der Dichtmachung des Freskogrundes
durch den mechanischen Druck der Glättwalzen. Dass
Ew. Exzellenz erwähnen, diese sonst sehr gelungenen
Versuche hätten mit der pompejanischen Wandmalerei
nicht die geringste Aehnlichkeit, bestärkt mich
in der Annahme, dass die von anderer Seite neuer-
dings aufgestellte Behauptung, in reiner Freskotechnik
liesse sich ein dem antiken ähnlicher Effekt erzielen,
nicht richtig sei.
Zum Schlüsse möchte ich Ew. Exzellenz bitten,
die von mir selbst in Sukkolustromanier hergestellten

*) Vgl. meine „Maltechnik des Altertums". Mün-
chen 1904. S. 63—82.
**) „Ueber die Maltechnik der Alten". Mit be-
sonderer Berücksichtigung der römisch-pompejanischen
Wandmalerei. Berlin 19:0. (Georg Reimer.)

Versuche, die ich seinerzeit dem Kgl. preussischen
Unterrichtsminister, mit dessen Subvention die Heraus-
gabe der vier Bände meines Werkes „Zur Geschichte
alter Maltechnik" erfolgte, zur Verfügung stellte und
die sich in Verwahrung der dortigen Hochschule be-
finden, daraufhin zu prüfen, ob diese Malereien nicht
mehr Aehnlichkeit mit den antiken haben, als die in
anderer Art gefertigten es sind.
Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung
Ganz ergebenst
Ernst Berger.
Die moderne Teerfarben-Industrie.
Bei der Ausdehnung, die heute die Teerfarben-
industrie auch auf das Gebiet der Malerfarben ge-
wonnen hat, wird unsere Leser ein Abschnitt aus dem
Festvortrag interessieren, den Geh. RegierungsratProf.
Dr. Dr.-Ing. C. Duisberg (Elberfeld) aus Anlass der
8. Jahresversammlung des „Deutschen Museums" im
Wittelsbacher-Palais zu München am 3. Oktober 1911
gehalten hat.
Der Vortrag war betitelt: Die Wissenschaft
und Technik in der chemischen Industrie mit be-
sonderer Berücksichtigung der Teerfarbenindustrie (s.
Vorträge und Berichte des „Deutschen Museums",
Heft 10), und ein wesentlicher Teil befasste sich mit
den Fortschritten speziell der Teerfarbenfabrika-
tion. Der Redner führte, nachdem er die modernen
Errungenschaften der anorganischen Chemie, die Schwe-
felsäure- und Stickstoff-Erzeugung, die Herstellung von
künstlichen Edelsteinen u. a. besprochen, aus, was
folgt:
„Wir wollen uns nunmehr der organischen Che-
mie zuwenden, bei der der Chemiker es bekanntlich
versteht, mit den Atomkugeln der vier Elemente, des
Kohlenstoffes, des Wasserstoffes, des Sauerstoffes und
des Stickstoffes zu jonglieren, wie der Taschenspieler
mit seinen Bällen, und jedem Atom in den von ihm
konstruierten komplizierten Molekülen einen bestimm-
ten Platz anzuweisen. Diese Chemie des Kohlen-
stoffes ist die eigentliche Grundlage der Teerfar-
benindustrie mit ihren vielen Nebenzweigen, und
IS sie beruht, wie schon der Name sagt, auf dem Stein-
kohlenteer.
Die bekannte schwarze übelriechende Flüssigkeit,
der Teer, wurde früher ausschliesslich bei der Ge-
winnung von Leuchtgas aus Kohle erhalten. Er war
ein äusserst lästiges Abfallprodukt, mit dem man nur
wenig anfangen konnte. Zwar wurden in einigen kleinen
Fabriken die bei der Destillation zuerst übergehenden
Anteile, das sogenannte Leichtöl, aufgefangen und als
Fleckenwasser verwertet. Die grössten Mengen da-
gegen lagen wertlos da; es blieb nichts anderes übrig,
als sie zu verbrennen. Als aber W. H. Perkin in
London, ein Schüler des grossen deutschen Chemikers
A. W. Hofmann, im Jahre :836 bei seinen Versuchen,
aus dem Anilin des Teers Chinin zu machen, den ersten
violetten Anilinfarbstoff, Mauve, entdeckte und bald
darauf, 1839, durch Verguin in Frankreich, ebenfalls
aus demTeeranilin, das rote Fuchsin erfunden wurde,
dem zahlreiche andere Anilinfarbstoffe, so das A n i -
iinblau, das Methylviolett und das Methylgrün,
folgten, ändert sich das Bild.
Das Anilin ist zuerst von Unverdorben durch
Destillation von Indigo erhalten (Anil ist eine spanische
Bezeichnung des Indigos) und von Runge in kleinen
Mengen im Steinkohlenteer gefunden worden. Am
einfachsten und billigsten aber lässt es sich aus der
von Michael Faraday 1823 aus dem Leuchtgas ab-
geschiedenen, stark lichtbrechenden Flüssigkeit, dem
Benzol (CgH.) darstellen.
In besonderen Teerdestiilationsanlagen wird heute
 
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