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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 16
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [4]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0066

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62

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. [6.

fernung von etwa I cm von der Malerei haltend.
Die Farbe schwitzte danach etwas und erhielt
einen ganz matten Gianz, der aiie Tiefen zu
voiister Geltung kommen iiess. Palette und
Pinsei wurden in Wasser gereinigt, während
das Bild nunmehr durch Wasser unangreifbar
war, wie durch Versuche festgesteiit wurde, auch
zeigte es keine durch die strahiende Hitze des
Eisens erzeugte Biäschen. Die Farbe und das
Malmittel enthielten also kein Fettöi, und es
handeite sich wohl um die aus dem Altertum
unter dem Namen punisches Wachs bekannte
Emulsion, die Claudius vielleicht in seiner Weise
verändert oder verbessert hatte. Leider forderte
Claudius für die Ueberlassung seines Geheimnisses
eine Summe von der Regierung, die ihm diese
nicht glaubte bewilligen zu können, und die zur
Ausführung des Gemäldes in Mosaik nahezu aus-
reichte. Die beiden Probebilder wurden übrigens
von Oktober 1872 den Winter über an der
Wetterseite der Siegessäule der Witterung preis-
gegeben und hielten sich bis zum Sommer 1873
tadellos.
Ich habe seitdem viele Bilder in der üblichen
Wachsfarbe gemalt und bin besonders durch die
in meinem Hause auf geglättetem Gipsgrund 1875
ausgeführten Wandmalereien, bei denen nahezu
reiner Zinnober die Grundfarbe der Wandflächen
bildet und die sich vorzüglich gehalten haben,
durch die dabei angewandte Malweise in meiner
Ueberzeugung versichert worden, dass die pom-
pejanischen Wandmalereien in Wachsfarben aus-
geführt sind, auch nachdem ich die in Pompeji,
im Museo nazionale in Neapel und auf dem Pa-
latin in Rom befindlichen, in späteren Jahren
wiedergesehen und genau geprüft habe.
Der seit 189$ an der hiesigen Hochschule
bestehende, von Prof. Albert Wirth geleitete
Unterricht in der Maltechnik, in welchem Fresko-
malerei wie auch die Malerei in Wachsfarben
und die Herstellung derselben — ausser allen
anderen Techniken — gelehrt und praktisch er-
probt wird, hat seitdem die beste Gelegenheit
geboten, die beiden Malweisen in bezug auf die
vorliegende Frage zu vergleichen, auch das
Glätten von Malerei auf Mauerputz zu erproben.
Im Oktober und November 1898 führte der
Maler Matthiesen aus Kopenhagen in der Hoch-
schule seine Versuche vor, Freskomalerei auf
dem üblichen Putz durch künstliche Zuführung
von Kohlensäure zu festigen und die gemalte
Fläche durch Uebergehen mit einer Elfenbein-
oder j polierten Bronzewalze zu glätten und sie
dadurch auch gegen Witterungseinflüsse — die
Versuche wurden an Innen- und Aussenwänden
vorgenommen — zu sichern. Die Oberfläche er-
schien nach dieser Behandlung auch vollkommen
geglättet, wenn auch nicht so, wie eine Stucco-
lustroüäche, — aber mit der pompejanischen

Wandmalerei hatten diese Versuche in geglätteter
Freskotechnik trotzdem nicht die geringste Aehn-
lichkeit.
Hochachtungsvoll
ergebenst
A. v. Werner.

Die Erwiderung hat folgenden Wortlaut:

An den

München, 8. April 1912.

Direktor der Kgl. Akadem. Hochschule für die
biidenden Künste

Herrn Anton v. Werner, Exzellenz

Ew. Exzeiienz

zu
Berlin.

gestatte ich mir für die freundl. Uebersendung der sehr
willkommenen und in vieler Hinsicht bemerkenswerten
Meinungsäusserung zur Frage der römisch-pompejani-
schen Wandmaltechnik ergebensten Dank zu sagen,
vor ailem deshalb, weil daraus zu ersehen ist, wie ein
in technischen Erfahrungen so reicher Fachmann, wie
es Ew. Exzellenz sind, sich zu der vielumstrittenen
Angeiegenheit verhäit, und dann, weii mir damit Ge-
legenheit gegeben ist, zur Klärung der so schwie-
rigen und mich schon seit fast 20 Jahren beschäftigen-
den Frage weiter beitragen zu können.
Den Ausführungen Ew. Exzellenz erlaube ich mir
hier ein paar Bemerkungen beizufügen, mit der er-
gebensten Bitte, die Punkte, in denen ich anderer Mei-
nung bin, gefäliigst überprüfen zu wollen.
Zweierlei glaube ich aus obiger Aeusserung ent-
nehmen zu sollen:

1. dass nach Ew. Exzellenz Ansicht die antiken Wand-
malereien keine Fresken im modernen Sinne sein
könnten;
2. dass Ew. Exzellenz diese Malereien für zweifellos
in Wachstechnik ausgeführt halten.
Es freut mich, hier konstatieren zu können, dass
Ew. Exzellenz hinsichtlich des ersten Punktes der
gieichen Meinung sind, wie ich und die meisten
Herren, deren Gutachten ich in Nr. 4 und 14 ver-
öffentlichen konnte; und bezüglich des zweiten Punktes
möchte ich dem beistimmen, dass die pompejani-
schen Malereien, besonders die im Neapel. Museum
aufbewahrten, auf den ersten Blick ganz und gar den
Eindruck von geglätteter Wachsmalerei machen. Dieser
Eindruck hatte mich anfänglich dazu verleitet, eine
Methode der Wachsmalerei zu suchen, die sich mit
den antiken Schriftquellen wenigstens in einigen wich-
tigen Punkten (durch die Hinweise Vitruvs und des
Piinius auf das „Gonosis" benannte Verfahren) in Ein-
klang bringen liess. Es scheint mir, dass auch die
Methode des von Ew. Exzellenz erwähnten Malers
Claudius auf ähnlicher Grundlage beruhte, indem er
eine Wachsemulsion (pun. Wachs?) als Farbebinde-
mittel nahm und die Malerei hernach durch heisses
Eisen oberflächlich einschmolz, wobei die anfänglich
wassermischbare Masse gegen Wasser unempfindlich
wurde.
Die Frage der antiken Wandmaltechnik ist zwar
eine technische, aber sie ist es nicht in erster Linie.
Sie ist deshalb eine so komplizierte, weil sie doch
nur mit Hilfe der antiquarischen Forschung, auf Grund
der quellenschriftlichen Ueberlieferung und in Ueber-
einstimmung mit dem an Originalstücken angestellten
chemischen Analysen gelöst werden könnte.
Dass die quellenschriftlich überlieferten Angaben
verschiedene Deutung zulassen, brauche ich nicht be-
 
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