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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 21
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Giov. Segantini und der Divisionismus, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0085

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Manchen, 1$. Juli 1912.

Beüage zur „Werkstatt der Kunst" (E. A. Seemann, Le!pz!g).
Erscheint )4tägig unter Leitung von Maier Prof. Ernst Berger.

YIH.Jahrg. Nr. 21.

Inhalt: Giov. Segantini und der Divisionismus. (Schiuss.) — Zur Einführung der Teerfarben, (i. Fortsetzung.)
Von E. B. — Römische Ausgrabungen bei Korneiimünster und ihre maitechnische Bedeutung. Von
Paui Gerhardt-Düsseidorf. — Neue maitechnische Literatur des Ausiandes.

Giov. Segantini und der Divisionismus.

„Noch kiafften die Furchen zwischen den Farben-
strichen. Durch sorgfältiges Verreiben und
Glätten wurde diesem Uebeistande abgeholfen.
Um aber die ietzte Ausgeglichenheit und
Leuchtkraft zu erzielen, bediente sich der
Künstler eines ganz besonderen und eigenartigen
Mittels. Er zerrieb Gold- und Silberblätter
(wohl nur in selteneren Fällen, z. B. auf den Bil-
dern „Der Lebensengel", „Dea Christiana" u. a.)
und streute sie an besonders exponierten Punkten
als Staub zwischen die Furchen. Wie ein Glanz-
puder senkte sich das Gold zwischen die Farben,
gleichsam von unten herauf leuchtend und so
das Bild an seinen hellen Punkten mit einem
undefinierbaren Glimmeriicht erfüllend, das oft
von wahrhaft bezaubernder Wirkung ist.
Trotz dieser kunstvollen Arbeitsweise hatte
Segantini durchaus nicht vielerlei Farben im Ge-
brauch — nur mussten sie von auserlesener Qua-
lität sein. Er bezog sie sämtlich aus Marseille,
von der dortigen Filiale der Pariser Firma
Lefranc, und er war gewohnt, verschwenderisch
damit umzugehen. Folgendes sind die Farben,
deren er sich bediente: zweierlei Weiss (nämlich
Zinkweiss und Silbcrweiss), Schwarz, zweierlei
Grün (Smaragdgrün und Kobalt [Grün?]), zweierlei
Blau (Kobalt und Ultramarin), viererlei Gelb, das
ihm demnach besonders wichtig war (und zwar:
Kadmium fonce, clair und moyen und daneben
Jaune de Mars), Orange und Rot (Vermillon de
Chine) bloss einfach. Das ist im Grunde bereits
alles. Hinzu kam nur in ziemlich seltenen Fällen
ein rosa Lack, den er in zweierlei Tönen für
das Abendrot an Himmel und Bergen verwandte;
und endlich die Goldblätter mit Robensons
(soll wohl heissen Robertsons?) Medium, die er
in einer gelben, weissen und grünen Nuance vor-
rätig hielt. Zum Weich- und Geschmeidigmachen

(Schluss.)
der Farben gebrauchte er ausschliesslich Ter-
pentin, niemals aber Firnis. Lila, Braun, Grau,
Violett usw. kannte er weder auf der Palette
noch auf der Leinwand (?). Effekte dieser Art
wie auch die Unzahl sonstiger Farbenabstufungen
hat er lediglich durch die sorgliche Aus-
wahl der nebeneinandergesetzten Grund-
farben erzielt (??).
Die auf den Bildern verwandte Strichel-
methode hat dann Segantini auch auf seine
Zeichnungen übertragen, die dadurch einen ganz
eigenartigen Charakter bekamen.
Es zeigt dies, wie sehr der malerische Stil
bei Segantini ein Ausdruck des Menschen ge-
worden war. Denn in den Zeichnungen konnte
ja die Rücksicht auf Farbenwirkung im groben
Sinne, nicht massgebend sein. Hier entschied
vielmehr das Stimmungsbedürfnis. Eine ungemeine
Weichheit im ganzen und Zartheit in der Licht-
abstufung wusste Segantini durch die Strichel-
methode seinen Zeichnungen mitzuteilen. So fein
die Blätter zeichnerisch disponiert sind, so male-
risch sind sie doch in der Gesamterscheinung.
Sie sind voll von Vibration und alles steht in
duftiger Luftperspektive.
Man sehe, wie auf dem Blatt „Der Sämann"
das Ackerfeld zurückgeht und wie duftig die
Wolken darauf erscheinen.
Oder wie auf dem Blatt „Heimkehr vom Walde"
durch die wohlabgewogene Licht- und Schatten-
verteilung die graugehaltenen Figuren den Reiz
von Silhouetten bekommen, die sich in der Abend-
stunde vor uns einherbewegen. In farbigen Kreide-
zeichnungen wie in Pastellen, deren manche
zwischen den grösseren Werken nebenher ent-
standen, befolgte der Künstler naturgemäss die-
selbe Methode, und auch hier sehen wir ihn als
Beherrscher des Ausdrucksvermögens, und Blatt
 
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