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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 5
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0022

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Münchner kunsttechnische Blätter.

Nr. 5.

!8

Dann 2: „Die neusten von Professor
Raehlmann (Weimar) angestellten mikro-
chemischen Anatysen haben die Ueberein-
stimmung der Stukkoiustrotheorie mit
dem Verfahren der antiken Maier er-
wiesen."
Gegen diese Sätze sei in erster Linie Steilung
zu nehmen und deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit
festzusteilen! Ja, es wird sogar ein längst Ver-
storbener herbeizitiert, der gesagt habe, es „könne
auch in den Dingen der Maltechnik nur eine
Wahrheit geben! Diese festzustellen, über jeden
Zweifel und gegen jeden Angriff zu sichern, sei
unsere Aufgabe."
Aber nur gemach, Ihr Herren!
Ganz abgesehen davon, dass der Inhalt obiger
Sätze, wie ich in Nr. I-—3 dieses Jhg. auszuführen
Gelegenheit hatte, selbst in obiger Fassung nichts
enthält, was der Wahrheit widerspräche, war
die erwähnte „Zusammenfassung" gar kein Teil
des Vortrages; die Sätze sind also auch
nicht in dieser Form gesprochen worden,
sondern sie sind Teile der aufWunsch der Kongress-
leitung dem vorbereitenden Komitee für die
Feststellung der Themen eingeschickten, gar nicht
für den Druck bestimmten Inhaltsübersicht,
und diese war naturgemäss so kurz als möglich
abgefasst, was schon daraus erhellt, dass der ge-
samte Inhalt des projektierten Vortrages im Druck
nur eine Quartseite ausmachte. Die in Parenthese
gesetzten beiden Namen (Wiegmann, Donner)
wiesen darauf hin, dass zwischen den beiden
Sätzen eine Verbindung vorhanden sein
musste, also im Vortrag selbst alles viel weiter
ausgeführt wurde, und daraus folgt für den Kenner
der Frage, dass nur die Wiegmann-Donnersche
Rekonstruktion mit „dieser Technik" gemeint
sein konnte.
Nach dem mir vorliegenden Konzept, das dem
in italienischer Sprache gehaltenen Vortrage zu-
grunde gelegen, lautete, nachdem in der Ein-
leitung von früheren Rekonstruktionen, insbe-
sondere von Hittorff, Montabert und Fernbach, die
Rede war, die betreffende Stelle wie folgt:
„Noch bis in die ersten Jahrzehnte des 19.
Jahrhunderts war diese Ansicht (nämlich dass
die antike Wandmalerei als Enkaustik anzusehen
sei) allgemein, obwohl die chemischen Analysen,
welche der Engländer Davy und die Franzosen
Chaptal und Chevreul an antiken Wandresten
Vornahmen, die Verwendung von Wachs (nebst
Harzen) bei der antiken Wandmalerei zweifelhaft
erscheinen liess, und so fasste die schon früher
von einigen Seiten ausgesprochene Ansicht (z. B.
von Winckelmann, Raph. Mengs u. a.), dass die
antiken Wandgemälde in Freskotechnik aus-
geführt seien, festere Wurzel
Der Architekt R. Wiegmann hat diese sog.
Freskotheorie im Jahre 1836 zuerst ausführlicher
begründet; nach ihm noch andere Gelehrte, wie
John, Schafhäut! und endlich hat (im Jahre
[869), von fast allen Fachmännern anerkannt, der
Frankfurter Maler Otto Donner diese Theorie

weiter ergänzt und gegen alle Zweifel sicherzu-
stellen versucht.
Darnach sollten die antiken Wandmalereien
ihre Dauerhaftigkeit sowohl als ihren Glanz
einzig und allein dem beim Auftrocknungs-
prozess an der Oberfläche sich bildenden Ueber-
zug von kohlensaurem Kalk verdanken, und durch
die grosse Dicke des antiken Bewurfes (Vitruv
fordert 6 Schichten, und zwar 3 von Sandmörtel
und 3 von Marmorstuck, Plinius 5 Schichten; Ge-
samtstärke 4—7 cm), so erklärte man, würde die
Bildung des „glänzenden" Kristallüberzuges be-
fördert.
Praktische Versuche widersprechen
jedoch dieser Annahme, da auf noch so gut
geglättetem frischen Stukkogrund die Glätte durch
die darauffolgende Malarbeit unvermeidlich wieder
beseitigt wird und bekanntlich Kalkfarben immer
n u r m a 11 auftrocknen. Niemals würde man auf diese
Art (reine Buonfreskotechnik) Wandflächen erzielen
können, die nach Vitruvs Worten (VII 3,9) nicht
bloss glänzen, sondern sogar das Bild des
Beschauers reflektieren, also spiegelnd
sind, usw."
Diese Sätze habe ich in meinem Vor-
trage gesprochen, und in ähnlicher Weise
hatte ich die Ergebnisse der Raehlmannschen Ana-
lysen ausführlich erörtert.
„die mit der allergrössten Leichtigkeit mit der
Stukkolustrotechnik in Einklang zu bringen sind,
denn sowohl dieinderMassegefärbteoberste
Stuckschicht, die Glättungsoperationen,
die organischen Beigaben zum Grund und
zu den Farben sind Hauptmerkmale dieser
Technik."
Der Schluss des Vortrages lautete (in ita-
lienischer Sprache):
„Inüno si puö dire: che la tecnica della pittura
murale antica e una specie di pittura ä fondo
fresco e pulita, come lo stuccolustro italiano,
ed inoltre che essa non e perduta, me che tro-
vasi ancora dagli artigiani di oggi."
Die „Wahrheitsucher" werden sich hoffentlich
mit der wortgetreuen Wiedergabe obiger Stellen
meines Vortrages begnügen; und wenn sie darauf
aufmerksamer gewesen wären, was ich wirklich
in Rom gesagt habe, würden sie auch davon
Notiz genommen haben, was ich im Laufe der
Diskussion auf die Anfrage des Signor Prof. Ma-
ri an i antwortete. Die antike Technik, so führte
ich zusammenfassend aus, ist eine eigenartige
Kombinationstechnik, die eine Vereinigung
von Fresko, Tempera und Enkaustik dar-
stellt: man arbeitet auf frischem Grund, mit
Bindemitteln organischer Natur, und man
glättet endlich den Grund allein oder die Malerei
selbst mit heissen Eisen. Eine letzte Politur
mit Wachs ist angezeigt und als wahrscheinlich
anzunehmen.
Ob diese letzten deutsch gesprochenen Sätze
in das Protokoll des internationalen Kunstkon-
gresses aufgenommen wurden, weiss ich nicht, aber
ich könnte Zeugen dafür namhaft machen, dass
sie so gesprochen wurden. E. B.
 
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