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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 6
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Berger, Ernst: A. P. Laurie über griechische und römische Malmethoden
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22

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. 6.

von den meisten seiner Fachgenossen diesseits
des Kanals.
Ueber die neuen Momente, die zur richtigen
Erklärung der Enkaustik geführt haben, und die,
wie gesagt, von Herrn Laurie anerkannt werden,
sind die Leser dieser Biätter durch den Abdruck
eines im „Deutschen Museum" zu München ge-
haltenen Vortrages (V. Jahrg. Nr. 21/23, 1909)
genügend unterrichtet. Es sei hier nur bemerkt,
dass nach Mayhoffs Textberichtigung bei Piinius
(XXXV, 149) 'n Verbindung mit den Schlüssen
und Versuchen, die der interessante Instrumenten-
fund von St, Medard des Pres ermöglicht hat,
drei Arten von Enkaustik unterschieden werden
müssen, die sich durch drei verschieden ange-
wendete Instrumente (Kauterium, Cestrum und
Pinsel) charakterisieren, und dass bei der ersten
Art durch Hitze erweichte Wachsfarben und heiss
gemachte Instrumente, bei der dritten heissflüssige,
mit dem Pinsel streichbare Wachsfarben gebraucht
worden sind. Die betreffenden Instrumente des
Fundes von St. Medard sind in dem genannten
Aufsatz S. 91 abgebildet. Der Annahme, dass wir
in den eigentümlich geformten Bronzelöffelchen
des Fundes Beispiele der zu jener Zeit gebräuch-
lichen Kauterien erblicken dürfen, stimmt Herr
Laurie zu, und er erklärt auch meine Vermutung,
dass das ebendort gefundene Bronzebehältnis
mit den durchlöcherten Deckeln als Wärm-
apparat zum Flüssigmachen der Wachsfarben und
zum Erhitzen der Kauterien gedient habe (S. 63),
für „aller Wahrscheinlichkeit nach" richtig. Wenn
er freilich meint, dieses Kästchen könne ebenso-
gut auch zum Wärmen der Bildtafel während
der Arbeit gedient haben, so kann ich dieser
Ansicht nicht beipflichten, weil es doch nicht
leicht möglich ist, dass die Hitze von rückwärts
etwa dickere Tafeln durchdringen, und weil bei
Anwendung eines grösseren Apparats der Maler
durch die unvermeidliche Ausdünstung der Kohlen-
glut in seiner Arbeit sehr gehindert gewesen
wäre. Ueberdies müssten bei jener Annahme
Maltechnik beschäftigen wollen, und sagt S. 9, wenn
er auch einigen meiner Schlussfolgerungen kritisch
entgegentrete, so erachte er es doch „für angemessen,
an dieser Stelle festzustellen, dass alle Ge-
lehrten des Fach es mir für meine ge lehrten Ver-
öffentlichungen ungemein verpflichtet wären
(it is only ütting to state in this place, that all students
of this subject are immensely indebted to him
for his learned publications)". Mit dieser öffentlichen
Anerkennung meiner Arbeit von seiten eines ange-
sehenen ausländischen Gelehrten vergleiche man das
Urteil, das in letzter Zeit von Leuten aus dem Kreise
der „Techn. Mitt. für Malerei" abgegeben worden ist,
und ich muss hier doch einmal feststellen, dass diese
es bis jetzt nicht „für passend erachtet" haben, von
meiner Rekonstruktion der antiken Enkaustik
Notiz zu nehmen, ebensowenig wie von meiner in sol-
chem Umfange wohl zum ersten Male versuchten Schilde-
rung der altägyptischen Maltechnik, die als Aus-
gangspunkt der allgemeinen Entwicklung der Maltechnik
nicht verdient übersehen zu werden.

zwei soiche Wärmapparate vorhanden gewesen
sein, was bei dem Instrumentenfunde, der ein
vollständiges Ganzes darstellt, nicht der Fall ist.
Auch Flinders Petrie kann ich nicht zugeben,
dass in Aegypten die Sonnenwärme genügt habe,
die Wachsfarben oberflächlich flüssig zu erhalten.
Wer wird den antiken Malern Zutrauen, dass sie
ihre Werkstatt unter freiem Himmel, in der Mit-
tagsglut, aufgeschlagen hätten? Sie werden doch
wohl kühle Innenräume für ihre Arbeit vorgezogen
haben. Und schliesslich heisst es bei Piinius
ausdrücklich, dass die Wachsfarben am Feuer
zerlassen (ceris igni resolutis) wurden. Was
nötigt uns, das nicht auch für Aegypten gelten
zu lassen? Für weitere Einzelheiten sei auf meine
„Maltechnik des Altertums" (S. 219 ff.) verwiesen.
II.
Zu ganz eigentümlichen, von den bisherigen
stark abweichenden Ansichten gelangt Herr Laurie
in dem Abschnitt von der sog. Ganosis, d. h. dem
Wachsüberzug auf Marmor oder auf Wandflächen.
Er hat zwar S. 3 die allgemeine Regel aufgestellt,
dass alle Angaben in den antiken Schriftquellen
im wesentlichen als vollständig aus-
reichend gelten müssten, solange nicht durch
erschöpfende Versuche das Gegenteil nach-
gewiesen sei, und dass man an diese Angaben
sich aufs strengste zu halten habe; aber in
dem Falle der Ganosis hat er selbst auch ohne
„erschöpfende" Versuche diese strenge (rigid),
„naturwissenschaftlich exakte", jede Willkür aus-
schliessende Methode verlassen und ein Verfahren
gewählt, das mit den Angaben Vitruvs sich nicht
mehr deckt.
Nach Vitruv (und auch nach Piinius) bestand
die Ganosis darin, dass punisches Wachs, mit
etwas Oel vermischt, mit einem Borstenpinsel
heiss auf die Oberfläche (Marmor oder Wand)
gestrichen, diese Lage mit einer Kohlenpfanne
bis zum Schwitzen erhitzt und dann mit einer
Kerze und Leinentüchern glänzend poliert
wurde. Dadurch entstand auf Statuen oder Wand-
flächen ein „Panzer von punischem Wachs" (cerae
punicae lorica) zum Schutze gegen schädliche Ein-
flüsse der Luft. Um dies Verfahren praktisch
nachzuprüfen, hat Herr Laurie zwar Versuche an-
gestellt mit gewöhnlichem Wachs und Olivenöl,
mit Kerzen (auch aus Talg) und nachfolgendem
Erhitzen, aber da sie alle nicht gelangen
(S. 92, 93), so kamen ihm Zweifel an der Klar-
heit des Textes: er verzichtete endlich darauf,
die heisse Wachs-Oel-Mischung mit dem Pinsel
aufzustreichen und die Fläche bis zum Schwitzen
zu erhitzen, und begnügte sich mit dem Versuche,
sie nur mit einem einfachen Stück festen Wachses
(a lump of solid beeswax) leicht zu überreiben
und dann mit rauhem Leinentuch (a hard rough
linen cloth) zu polieren. Der Erfolg schien ihm
 
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