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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 11
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Ostwald, W.: Die allgemeinen Grundlagen des monumentalen und dekorativen Pastells, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0046

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42

Münchner kunsttechnische Biätter.

Nr. m.

Nachtrag:
Im Anschluss an die obigen Ausführungen bringen
wir hier ein Schreiben zum Abdruck, das uns Herr
Maier Rieh. Amsier-Schaffhausen freund), zur Verfü-
gung gesteht hat.
An Herrn
Geheimrat Prof. Dr. W. Ostwaid
Grossbothen.
Schaffhausen, :6. Januar :9:2.
Sehr geehrter Herr!
Im vergangenen Sommer hatte ich wieder Ge-
legenheit, zwei Wandbilder in Ihrer neuen „Monu-
mentalen Pastelltechnik" auszuführen. Es sind zwei
Figurenbilder von je 185 cm Höhe und 170 cm Breite,
von denen jedes vier annähernd lebensgrosse Figuren
enthält (einerseits vier nackte Jünglingsgestalten, an-
dererseits vier Mädchen in hellblauen Gewändern als
Gegenstück).
Im Gegensatz zu meinen früheren Fassadenbildern,
die mir jetzt zu schwer Vorkommen in ihrer Wirkung,
habe ich diesmal den Farbenauftrag locker gehalten.
Die Bilder befinden sich in einem geschlossenen Saal,
und deshalb habe ich den Ueberzug mit Paraffin als
überflüssig weggelassen. Ich halte die Haltbarkeit der
Bilder für genügend, um so mehr, da sie kaum mecha-
nischen Verletzungen ausgesetzt sein sollten; der untere
Rand der Malereien befindet sich etwa 160 cm über
dem Fussboden des Saales, über Heizkörpern, die
von einem Marmorgehäuse umgeben sind.
1. Der Grund. Die Bilder sind direkt auf ziem-
lich rauhen Kalkverputz, ohne Bimssteinzusatz, der vor-
her abgefilzt wurde, gemalt. Den rauhen Grund wählte
ich mit Rücksicht auf den beabsichtigten lockeren
Farbenauftrag, da ich ihn hierfür angenehmer finde.
2. Farben. Als Farben verwandte ich kalkechte
Farbpulver, nur für einige kleine Details benutzte ich
Krapp. Zum Verdünnen, d. h. zum Herstellen der ver-
schiedenen Helligkeitsgrade der verschiedenen Farben,
nahm ich teils Zinkweiss, teils Schlemmkreide; als
Bindemittel diente mir Tragant. Die Erfahrung, die
ich mit Gummi arabicum gemacht hatte, dass die
Stifte gar zu hart wurden (namentlich Englischrot u.dgl.),
veranlassten mich, ganz davon abzusehen. Stifte aus
Caput mortum, die zu weich ausgefallen waren, eben-
so solche aus Chromoxydgrün, zerkleinerte ich noch-
mals und presste sie dann wieder, mit Tragant ange-
feuchtet, zusammen. Die verschiedenen Helligkeits-
grade der Farbstifte erhielt ich durch Teilung der
ursprünglichen mit Weiss gemischten tiefsten Nuance
nach Quotienten in trockenem Zustand und Mischen
mit dem entsprechenden Quantum Weiss, was für
meine Zwecke genügte. Um die Mischung zu beur-
teilen, ist es gut, eine Probe davon auf weissem Grunde
zu zerreiben, da man beim Betrachten der ganzen
Masse des Pulvers kein richtiges Urteil hat.
3. Das Malen. Wie bereits oben angeführt,
habe ich diesmal die Arbeit mit lockerem Farben-
auftrag ausgeführt und werde voraussichtlich bei zu-
künftigen Malereien, wenn nicht ganz besondere Gründe
für die deckende Malweise sprechen, dabei bleiben.
Das Einreiben der Farbe in vertiefte Stellen habe ich,
wo es nötig war, mit verschiedenen Schutzmitteln für
die Finger versucht; für die feineren Wirkungen sind
aber doch die Finger selber das beste. Giftige Farben
verwende ich kaum, und ausserdem ist das Hinein-
reiben bei lockerem Farbenauftrag nicht häufig not-
wendig.
Für diese Malereien hatte ich mir die Stifte nur
aus reinen ungebrochenen und ungemischten Farben
erstellt. Bei lockerem Farbenauftrag erreicht man mit
reinen Farbentönen sehr leicht die gewünschte Farben-
wirkung und -erscheinung, sei es nun, dass man die

verschiedenen Farben übereinander oder dass man
sie nebeneinander setzt, ohne dass in diesem letzten
Falle die Malerei den oft unangenehm aufdringlichen
Charakter zeigt, wie es beim Pointillismus in der Oel-
malerei leicht der Fall ist. Im Fall, dass man sich
dieser Malweise bedient, kann man die Arbeit selbst-
verständlich wohl nicht anderen Personen überlassen,
weil sie zu individuell ist. Ueberhaupt würde ich
meinerseits vorziehen, Wandmalereien in Ihrer Pastell-
technik, wenn sie nicht ganz dekorativer Natur sind
oder einen ganz grossen Umfang haben, wenn irgend
möglich, selber auszuführen, da die Technik gestattet,
so ausserordentlich rasch zu arbeiten, dass dieser Vor-
teil allein schon so gross ist, dass man ganz auf Ge-
hilfen bei der Arbeit verzichtet; ausserdem hat es ge-
rade bei dieser „lockeren" Maltechnik einen ganz be-
sonderen Reiz, zu sehen, wie das Bild aus seinen
Anfängen und zartesten Andeutungen herauswächst,
so dass man sich nicht leicht entschliessen kann, einem
anderen die Arbeit zu überlassen, und dass man den
Mehraufwand an Zeit im Interesse des Gelingens wohl
in den Kauf nehmen kann.
4. Das Fixieren. Ueber das Fixieren ist das-
selbe zu sagen, was ich Ihnen schon früher mitgeteilt
habe. Versuche mit einer alkalischen Lösung von
Kasein (Zusatz von Kalilauge) zeigten, dass der Farb-
charakter nach dem Fixieren eher etwas tiefer ist als
beim Fixieren mit Kaseinboraxlösung. Dagegen erhält
man leicht eine ganz klare Lösung.
Im Interesse der Herren Kollegen, die sich mit
Ihrer Pastelltechnik abgeben, möchte ich hier eine
Bemerkung einfügen: Man lasse den oder die Auftrag-
geber, seien es nun Private, Komites oder Baukom-
missionen, die Gesamtwirkung der Arbeit, wenn immer
möglich, erst dann sehen, wenn das Bild fixiert ist.
Ich konnte während der Ausführung meiner letzten
Wandbilder nicht verhindern, dass sich die Herren der
Baukommission, der bauleitende Architekt inbegriffen,
sich den Fortgang meiner Arbeit ansahen und die
Bilder in allen Stadien zu Gesicht bekamen. Die Herren
waren nun sehr überrascht, als die Bilder nach dem
Fixieren tiefere Töne zeigten. Alles Erklären nutzte
nichts, die Bilder waren zu farbig geworden. Ich lasse
hier die betreffende Stelle aus dem Schreiben des
Vorsitzenden der Gesellschaft, in dessen neuem Hause
ich die Bilder ausgeführt habe, folgen, in dem er mir
die Uebernahme der Bilder anzeigte: „. . . Es wird
allgemein bedauert, dass durch das Fixieren die Bilder,
und wesentlich dasjenige mit den Knaben, dunkler
geworden sind. Sie waren vorher viel leichter und
sahen viel lebhafter aus. Es wird da wohl nichts
mehr zu machen sein." Ich bemerke dazu, dass das
Bild mit den Knaben in den nackten Körpern viel
Ockerfarben enthält. Die Farbskizzen, die ich vor-
gelegt hatte, waren etwas stärker in der Farbe als die
fertigen Wandbilder.
Ueber meine früheren Aussenwandbilder freue
ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass sich das
grosse Figurenbild und der „Pärbergeselle" sehr gut
gehalten haben; die verunglückte Kartusche kann ich
erst im nächsten Frühjahr vornehmen, da ich im Laufe
des verflossenen Jahres aus verschiedenen Gründen
nicht dazu kam. Das bei den Bildern verwendete
Ultramarin hat sich unter der Paraffinschicht sehr gut
gehalten, trotz der intensiven Bestrahlung durch die
Sonne des letzten Sommers.
In Ihrer seither erschienenen Publikation über
Ihre monumentale Pastelltechnik habe ich die von
mir angestellten Versuche über Bindemittel für die
Stifte und das Verhalten der verschiedenen Farben
dagegen und gegen das Fixativ vollauf bestätigt ge-
funden. Ueber meine] weiteren Erfahrungen und Be-
obachtungen werde ich Ihnen gern Mitteilungen zu-
kommen lassen, wenn sich Gelegenheit dazu bietet.
 
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