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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 14
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0059

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Nr. :4-

Münchner kunsttechnische Biätter.

55

Wandmalereien für reine Freskomalerei, d. h. Kaik-
malerei auf irischem Grunde?
Antwort: Nein. Die Malerei ist, soweit meine
Beobachtungen reichen, auf einem mehr oder weniger
vorgeglätteten Grund aufgetragen. Dies sieht man
daran, dass sie teilweise — sowohl auf weissem als
in der Masse gefärbtem Stuck — abgesplittert ist.
Ferner erscheint sie vielfach so pastös, dass man auf
ein wesentlich körperhafteres Bindemittel als Kalk-
milch, wie man sie beim reinen Fresko benutzt,
schliessen muss. Allem Anschein nach jedoch sind
verschiedene Malweisen üblich gewesen. Bei dunklen,
also schwerer zu deckenden Gründen war jedenfalls
pastoses Malen nötig. Auch die geglätteten Farb-
schichten zeigen hier durchweg noch ein leichtes
Relief.
2. In welcher der bekannten Techniken glauben
Sie, dass die Malereien ausgeführt sind? Kennen Sie
die Stuccolustrotechnik?
Diese Technik ist mir aus eigenem Studium und
vielen Versuchen bekannt, und ich bin überzeugt, dass
sie im Prinzip — abgesehen von möglichen Variationen
der Mörtel- und Bindemittelbereitung — die nämliche
Technik darstellt, die die antiken Maler anwandten.
3. Wodurch ist nach Ihrer Meinung Glanz und Glätte
dieser Malereien hervorgebracht?
Beide sind nur möglich durch nachheriges künst-
liches, sei es kaltes, sei es heisses, Glätten. Sehr
feiner Marmormörtel ergab beim Trocknen auch eine
glänzende, aber nicht politurartig glatte Schicht
von kohlensaurem Kalk, die sich jedoch nie bildete,
wenn darauf gemalt wurde, auch bei der gering-
sten Berührung gestört wurde, ein Polieren mit Wachs
also nicht auszuhalten vermochte. Der mit dem Glätt-
eisen polierte Stuck wird jedoch, nachdem er gut aus-
getrocknet ist, steinhart und glatt. Nur auf diese
Weise gelang es mir, Spiegelglanz zu erzeugen.
4. Haben Sie beobachtet, dass Grund und Malerei
in einer Ebene liegen, also Grund und Malerei in
einem geglättet sein mussten?
Ich glaube aus meinen Untersuchungen schliessen
zu müssen, dass der Grund vorher leicht anpoliert
wurde, nämlich zum Zwecke, ihn weniger saugend zu
machen. Welche Wirkung dies auf das Maien hat,
davon mag sich jeder durch Versuche überzeugen.
Nach dem Auftrag der Farben erfolgte dann ein zweites
energisches Glätten, das Grund und Malerei in eine
Ebene brachte. Nur dort, wie gesagt, wo dunkler,
z. B. schwarzer Grund in Anwendung kam und die
Malerei sehr pastös sein musste, zeigt sie leichtes (zu-
weilen auch ziemlich kräftiges) Relief, obwohl sie ge-
glättet ist. Ihr stets ergebener
Hans Wagner.
3. Herr Rolf Hausmann - Fiesoie bei Florenz
(Piazza Mino 8) schreibt:
Sehr geehrter Herr!
Dem von Ihnen in den „Münchner kunsttech-
nischen Blättern" ausgesprochenen Wunsche zufolge,
Ansichten derjenigen zu erhalten, welche sich mit der
Frage der pompejanischen Maltechnik beschäftigt
haben, gestatte ich mir, hiermit demselben in einigen
Punkten nachzukommen.
Zu einer Kalkmalerei auf frischem Grunde könnte
die römisch-pompejanische Wandmalerei wohl kaum
gerechnet werden, und zwar in Hinsicht darauf, dass
die letzte Schicht des Tektoriums, vor dem Aufträge
der Malerei, durch eine Politur vollständig zu einer
harten, steinartigen Fläche verwandelt wird. („. . . bis
zum harten Marmorglanz geglättet." Vitruv.)
Die Stuccolustrotechnik muss sich in ihrer Her-
stellung bis auf wenige Punkte, so mit der der pom-
pejanischen Tektorien, decken, dass es bei dieser
ihrer engen Verwandtschaft mit derselben tatsächlich

erstaunlich ist, dass auch heute hier in Italien, der
Heimat dieser Technik, die pompejanische Malerei wie
ein verlorenes und nicht wieder aufzufindendes „Se-
creto" betrachtet wird.
Der Wachsüberzug, die „Ganosis", um auch zu
diesem Punkt Ihrer interessanten Besprechung in den
„Münchner kunsttechnischen Blättern" meine Ansicht
zu äussern, kann nur dazu gedient haben, und hatte
jedenfalls nur diesen Zweck zu erfüllen, die Wände
vor Witterungs- und Feuchtigkeitseinflüssen zu schützen,
wofür eben nichts so vorzügliche Dienste leisten kann
als das Wachs. Hingegen hat das Wachs mit der
eigentlichen Politur nichts zu tun. Diese ist hervor-
gerufen durch Beifügung einer organischen Substanz
zur obersten Lage, welche die Möglichkeit gibt, bei
dem Grunde diese glasartige Politur hervorzurufen
und zugleich die Eigenschaft hat, trotz der steinartigen
Erhärtung der Oberfläche, die darauf ausgeführte Ma-
lerei noch in deren Grund eindringen zu lassen. —,
Der Charakter dieser Substanz ist ein derartiger, dass
er monatelang, neben einem sofortigen Trockenzustande
der Malerei, bei welchem momentan Lasuren selb-
ständig zur Geltung zu bringen sind, dem Grunde eine
Aufnahmefähigkeit verleiht, die ihm den Pinsel wie
der Farbe fortwährend, wie in einem Stadium von
Feuchtigkeit und wie in dem günstigsten Moment einer
Nass-in-nass-Malerei, dauernd entgegenkommen lässt.
— Auf dieser Eigenschaft beruht also auch zugleich
die Möglichkeit, das Tektorium vor dem Beginn der
Malerei nicht nur schlussfertig zu legen, sondern auch
zu polieren. — Ob eine derartige Technik „Fresko-
malerei" genannt werden könnte, ist wohl schwer zu
entscheiden.
Eine nachträgliche leichte Glättung lässt die Ma-
lerei wie in einer Ebene mit dem polierten Grunde
erscheinen, ja lasiert aufgetragene Farben scheinbar
noch tiefer als diesen zu liegen, während bei stark
pastös aufgetragenen dies nicht der Pall ist und sich
diese nachträglich nicht absolut der Ebene einfügen
lassen.
Die Art des Auftrages des Intonakos, der letzten
feinsten Schicht, gestattet verschiedene, bereits in der
Masse gefärbte Flächen nebeneinander aufzutragen
resp. aneinander anzufügen.
In besonderer Hochachtung
ergebenst
Rolf Hausmann.
4. In scheinbarem Gegensatz zu den obigen und
den in Nr. 4 veröffentlichten Gutachten steht die An-
sicht des Akademiedirektors Prof. Dr. Ludwig Dett-
mann-Königsberg.
In seiner Antwort vom 2. Dezember 1911 hiess es
ganz kurz:
„Ich halte die Malereien in Pompeji (Neapeler
Museum) für reine Freskomalereien — Grundfarben mit
dem frischen Kalk gemischt.
Ueber Glanz und Glätte kann ich keine Vermutung
hegen."
Der innere Widerspruch dieser Annahme, da es
ja gerade auf die Herstellung des Glanzes und der
Glätte ankommt, veranlasste mich, Herrn Prof. Dr.
Dettmann um nähere Aufklärung zu bitten. Er war
so freundlich, mir folgendes Schreiben zukommen zu
lassen:
Königsberg, .5. 12. n.
Ergänzung zu meiner Mitteilung:
Ich halte die pompejanischen Malereien für Fresken.
Der Grund dieser Malereien ist durch und durch ge-
färbt. Das würde man nicht getan haben, wenn man
nicht Fresko darauf malen wollte. Diese grosse Mühe be-
dingte auch die Mühe des Fresko.
Es steht nun meines Erachtens nicht im Wider-
spruch, dass diese Fresken Glanz haben. Sie schrei-
 
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