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Münchner kunsttechnische Blätter — 8.1911/​1912

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Nr. 14
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Berger, Ernst: Neue Gutachten über die römisch-pompejanische Wandmaltechnik, [3]
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Wagner, Günther: Pelikan-Oelfarben
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Die "Ueberschätzung des Nichtkönnens"
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https://doi.org/10.11588/diglit.36590#0060

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56

Münchner kunsttechnische Btätter.

Nr. 14.

ben, reine Fresken haben keinen Gianz. Das ha!te ich
für unrichtig.
Ich kann reine Fresken firnissen, mit Lack über-
ziehen, irgendwie glätten. — Wie das Glätten in Pom-
peji gemacht wurde, weiss ich nicht zu sagen. — Es
bleiben aber trotz Lack, Glätte usw. immer reine
Fresken.
Da Malerei und Grund oft in einer Ebene liegen,
müsste untersucht werden, ob diese Malereien viel-
leicht so entstanden, dass die zu dekorierenden Teile
in den weichen Grund eingedrückt wurden, mit ge-
färbter Masse gefüllt und dann nach dem Hartwerden
beider geschliffen wurde. Ich erinnere mich nicht, ob
die rein figürlichen Malereien ebenso Glanz haben wie
die ornamentalen.
Mit freundlichem Gruss
Ihr ergebenster
Dr. Ludwig Dettmann.
Aus dieser Erklärung der antiken Wandmaltechnik
folgt, dass Herr Prof. Dettmann die römisch-pompe-
janischen Malereien zwar „reine Fresken" nennt,
aber es sind doch keine „reinen" Fresken, wenn
man sie mit Lack und Firnis überzieht, und schliess-
lich die Malerei nach dem Hartwerden des Grundes
und der gefärbten Massen „geschliffen" wird. Das
stimmt doch viel eher mit Stuccolustrotechnik! Mit
dem gleichen Rechte würde man Stuccolustromalereien
auch „reine" Fresken nennen können, eine Ansicht,
die mit der Wiegmann-Donnerschen Theorie durchaus
unvereinbar ist und von deren Anhängern bekannt-
lich- aufs hartnäckigste bekämpft wird. E. B.
Pelikan-OeH'arben.
Auf die Anfrage in Nr. 11 geht uns von Herrn
Günther Wagner in Hannover vom 6. März folgende
Erklärung zu:
Pelikan-Malmittef II.
Die Erfahrungen, welche Herr M. Pretzsch in der
Nr. 11 dieses Blattes über das Pelikan-Malmittel II,
langsam trocknend, mitteilt, dass es schnell klebrig
auftrockne, so dass ein Nass-in-nass-Malen unmöglich
sei, habe ich bei Nachprüfung nicht bestätigt gefunden.
Das Malmittel II bleibt ebenso lange, wenn nicht
länger, feucht als die erwähnten anderen Fabrikate.
Ich kann daher nur annehmen, dass es sich bei der
verwandten Flasche um eine Verwechselung bei der
Abfüllung gehandelt hat, die ich sehr bedauern würde,
aber erst nach Rückerhalt der betreffenden Flasche
feststellen kann. Das Pelikan-Malmittel II wird aber
in der Tat etwas schneller klebrig als andere Fabri-
kate, und zwar infolge seines höherenjHarzgehalts; es
bleibt aber, wie schon gesagt, trotzdem lange feucht.
Der Vorteil des höheren Harzgehalts besteht darin,
dass hierdurch bei Anfeuchtung der Bildfläche vor
dem Uebermalen eine besonders innige Verbindung
der beiden Farbschichten erzielt und ein Einschlagen
vollkommen vermieden wird. — Ich bin indessen gern
bereit, eine Aenderung in der Beschaffenheit dieses
Malmittels eintreten zu lassen, falls sich eine grössere
Anzahl Künstler dafür aussprechen sollte. Etwaige
Wünsche in dieser Richtung hin bitte ich mir bekannt-
zugeben und direkt an mich gelangen zu lassen, wo-
für ich stets dankbar bin.
Hannover und Wien. Günther Wagner.
Die„Ueberschätzung des Nichtkönnens".
In einem Bericht über die letzte Frühjahrsaus-
stellung der Münchener Secession („M. N. N." Nr. 143)
schreibt der bekannte Kunstschriftsteller Fritz v. Ostini
folgende einleitenden Sätze, die angesichts der gegen-
wärtig um sich greifenden Verwilderung der Technik
sehr zu beherzigen sind:
„Die erste juryfreie Ausstellung der Secession ist

eröffnet, und sie umfasst eigentlich alles, was man sich
von einer solchen voraussetzungslosen Bilderrevue
wünschen kann — tiefernste Kunst, hoffnungsvolles,
überschäumendes, wenn auch oft noch absurd sich ge-
bärdendes Leben und einiges an marktschreierischem
Ulk —, bis zu der tiefgründigen Mystik des Malers,
der den kunstumwälzenden Einfall ausgebrütet hat,
seinen Namen dreimal nebeneinander unters Bild zu
setzen.Dass die scheinbar tollste Originalität
recht oft nur plattester Abklatsch ist und die .heisseste
Temperamentsäusserung' ebensooft nur kaltherzig aus-
geklügelter Bluff, das ist das Schlimme an diesen Dingen!
Wenn jene ,Wilden' nur ehrlich verrückt wären, könnte
man ihnen mit weitgehenderSympathie entgegenkommen.
Verrücktsein ist was Schönes in dieser nüchternen
Zeit! Aber es gibt ihrer jetzt gar zu viele, die diesen
Ehrentitel nicht für sich in Anspruch nehmen dürfen,
die nur darum mit Hurra hinter einem neuen phrasen-
haften Schlagwort herlaufen, weil sie in dieser Gefolg-
schaft über die fatale Unbequemlichkeit, etwas lernen
zu müssen, hinwegkommen wollen. Die Allerletzten
haben ja so recht eigentlich die Kunst für alle ent-
deckt, die Kunst, die, von der Natur und ihrem Sinn
ganz abstrahierend, allerdings einen unendlichen Reich-
tum an Formen und Farben besitzen muss und mühelos
gewinnen lässt — denn jeder Strich und Klecks kann
als Ausdruck irgendeiner Empßndung ausgegeben wer-
den, und der Möglichkeiten für sinnlose Kombinationen
von Strichen und Klecksen sind Trillionen!
Die Abstraktion von der Wirklichkeit, die Auto-
nomie der Kunstformen, das alles bedeutet eine Toll-
heit in dem ungeheueren Wirrwarr von Redensarten,
über die sich das werdende Künstlergeschlecht von
heute, von morgen die Köpfe zerbricht. Ein Wust
von ausschweifender Theorie ist ins Gebiet der Kunst
eingedrungen, die ihre Früchte von des Lebens gol-
denem Baum pflücken sollte — Literatur im bösesten
Sinne hat bei vielen das lebendige Sehen und Fühlen
verdrängt! Die Sensationsmacher und Grössentöter
haben einem Böcklin, der auch in allen Schwächen
noch gross und rein ist, den Vorwurf, dass er Lite-
ratur male, wachgerufen ob des gedanklichen Inhalts
seiner Werke — ach, wieviel mehr .Literatur' sind alle
die neuen .Ismen', die im Kaffeehaus von malenden
und nichtmalenden Literaten ergrübelt werden und
deren Erzeugnisse auch dem Bestgläubigen nur ihre
Absicht enthüllen, wenn er vorher von Eingeweihten
über die betreffende graue, allzu graue Theorie um-
ständlich unterrichtet worden ist. Dass solcher Un-
sinn gemalt wird, kann man für komisch halten, dass
man ihn überhaupt für diskutierbar nimmt, ist schon
schlimmer, und am schlimmsten ist, dass man ihn so
bereitwillig ausstellt und die Begriffe immer weiter
verwirren lässt. Durch jene Dinge kommen die Un-
reifen zu einer .Ueberschätzung des Nichtkönnens',
die wohl einzig in der Kunstgeschichte dasteht, zu
einer Verachtung des Handwerks, die schon den ersten
und leidenschaftlichsten Vorkämpfern der Impressio-
nistenbewegung Kopfweh gemacht hat. Das ist traurig
und verhängnisvoll und die Phrasenseuche dürfte eine
Katzenjammerepidemie im Gefolge haben, die manches
Opfer auf der Strecke liegen lässt!"
Und am Schlüsse des Aufsatzes, der sich mit
Otto Greiners Meisterschaft gelegentlich dessen Kol-
lektivausstellung befasst, heisst es: „Man kann nur
den Wunsch aussprechen, dass ihn recht viele recht
genau ansehen, Laien wie Künstler und Werdende.
Die letzteren nicht, um ihn nachzumachen — auch wenn
sie's könnten! Keinen soll man nachahmen! Aber
um etwas Seltenes und Kostbares zu geniessen und
um die verloren gehende Achtung vor der Hoheit der
künstlerischen Arbeit wiederzugewinnen — ich denke,
das ist schlechthin die Lebensfrage für die Kunst der
Zukunft!"
 
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