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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 8
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Schäfer, Wilhelm: In Hagen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0064

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In Hagen.

Es ist i» dicser Ieitschrift schv» ein»ral ausgiebig
über das Museuin und seine» reichen Jnhalt berichtet
wvrden (Märzheft I9O5). Seitdem bat sich nicht
allzuviel geändert, weil dic anregenden Absichten seines
Gründers glücklicherweisc längst über die Museums-
Sanunlcrei hinauSgehcn. Als tadellos stellt sich scine
plastische Sannnlung dar, die einige der schönsten Stücke
von Rodin sowie Klcinarbeitcn von Meunier und
Maillol, vor allcm aber Georges Minne enthält, dcr
wohl nirgend so glänzcnd vertrcte» ist, ivie hier. Schon
seine weibliche Büste allein, vom Künstler eigenhändig
aus Kalkstein geschlagen, würde dicseö „glänzend" für
den eigentümlichen Vlamen rechtfertigen, dessen herbe
Formen der modernen
Empfindung hart wi-
dersprechen. Osthauo
hat ihm auch den Auf-
trag zweier Denkmäler
auf dem Friedhos ver-
schafft, deren eineö
durch die archaistischc
Form ebenso besrcmdet,
wie es durch die Hal-
tung crgreist (Abb. 2).

Unter de» Bildcrn
sind der „Frühling"
von Hodler, die „Dame
mit dem Sonnen-
schirm" von Renoir,
die „graue Dame" von
Trübner, zweiBlumen-
stückc von E. R. Weiß,
ein Ziegenbild von
Thoma und cin Por-
trät von van Gogb die
schönsten Stücke. Von
diesem heute so be-
rühmten Holländer
besitzt er außerdcm
zwei Landschaften von
suggestiver Gewalt, vor
denen man die Rat-
losigkeit der Menge wie
das Entzückcn Einzelner
begreist. Die Blumen-
stücke von E. R. Weiß,
besonders die Schlüssel-
blumen, gehören sicher zu den schönsten Stücken mo-
derner Malcrci überhaupt, und was gerade der „Früh-
ling" im Werk Hodlers bedeutet, wie er vielleicht sein
liebcnswürdigstes Werk darstcllt, ist bekannt.

So ist die modcrnc Kunstsammlung im Folkwang-
Muscum von ciner Qualitüt, dic sie zur Sehenswürdig-
keit jeder Weltstadt machen würde, und man bedauert
nichts so sehr, als daß sie in Hagen verstcckt ist, wo
sie außer dem pcrsönlichen Geschmack ihreS BesitzerS
keinen rechten Sinn hat; vorläufig wenigstens nicht,
während sic etwa in Düsseldors von großem Vorteil
sein könnte. Wie es bedauerlich ist, daß „Leibls Frauen
in der Kirche" statt in der Nationalgalerie in der
Kunsthalle zu Hamburg hängen, möchte man für eine

so bedeutcnde Sammlnng auch eine bedeutende Stelle
haben. Große Kunstwerke sind keine Veilchen, die im
Verborgenen blühen dürfen, sie sind Genußmittel der
höchstcn Bildung und als solche kaltgestellt, wenn sie
den Kreisen dicser Bildung entzogen wcrden. Jch will
gewiß nicht sagen, daß die Düsseldorser etwa — weil
ich den Namen der Stadt nannte — ohne weiteres ein
befferes Publikum für van Gogh und Hodler darstellten
als die Hagener: aber Düsseldorf ist immerhin die
Zentrale eines von süns Miilionc» bewohnten Gebietes,
daö solche Dinge, wie die Sammlung, wobl brauchen
könnte. Nicht etwa zur „Fremdcnindustrie", sondern
weil hier von selber die Jnteressen und Menschen zu-

sammenströmen. Wcr
unter den Gebildetcn
dicser süns Millionen
kommt im ganzen Jahr
einmal nach Hagen, und
wer muß nicht einigc-
mal in andern Dingen
nach Düsseldors?

Natürlich hat ein
Sammler wie OsthauS
daS Recht, seine Sachen
dahin zu bringen, wo
cr sie niag, und eö ehrt
seinen Heimatsinn, daß
er die eigene Stadt
Hagen damit beglückt.
Aber schade bleibt es
trotzdcm, daß solche
Meifterwerke, außer ge-
legentlichen Besuchern
und ihm selber zur
Freude, ciner Art von
Pädagogik dicne»
müssen, zu der sie zu
schade sind. Gewiß sind
in der Kunst die Kon-
ventionen besonders ge-
sährlich, und eS hat
etwas Verführerisches,
den ästhetischen Sinn
gleich an Hodler zu
erziehen, statt ihn in
anderen Vorstellungen
erst zum Gegner seiner
Kunst zu machen. Jch will auch nicht etwa dcm Scherl-
schen System deö Emporlesens auö ganzem Schund zu
halbem und so allmählich zu dcn "Meisterwerken das
Wort redcn: aber ich möchte behaupten, daß die großen
Werke der Kunst die Iucht und Schulung gut organi-
sierter Geister verlangen; der Taffo alö Volkövorstellung
ist ein Unding, und eine Landschaft von van Gogh er-
fordert eine solche Verneinung dcr eigcnen Natur-
anschauung, daß sür den unvcrmittelten Anblick die Ge-
sahr einer krankhaften Verwirrung aller Kunstbegriffe
näber licgt alö der wirkliche sreudige Genuß.

Nun sind solche Bemcrkungen vielleicht schon in
dcn Wind geredct, wcil Osthaus selber die Erweitcrung
seiner Bildersammlung nicht mehr vor hat und seit

Abb. 2. Gcorges Minnel Grabmal auf dem Friedhof zu Hageu.

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