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Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 4.1918/​1919

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Frimmel, Theodor von: Wer ist Pietro Lungo?
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https://doi.org/10.11588/diglit.52777#0027

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WER IST PIETRO LUNGO?
Als Maler einiger Gemälde im Dogenpalast zu Venedig wird in der
alten Literatur ein Pietro Longo oder Lungo genannt, von dem man nichts
weiter zu sagen wußte, als daß er mit Aliense, Vassilacchi, „Paolo Fiamingo“
und anderen bei der Ausschmückung der Sala del gran consiglio und der
Sala dello scrutinio im Dogenpalast beschäftigt war. Die Aufgabe, Näheres
über diesen Pietro Lungo zu ermitteln, hat mich schon vor vielen Jahren
gereizt und ich bin der Sache in Venedig und anderswo nachgegangen. Aus
der ältesten Ausgabe von Bardi*) von 1587 erhält man die Gewißheit, daß
bei einem Künstler, der Pietro Longo genannt wurde, tatsächlich Gemälde
für den Dogenpalast bestellt worden sind. Und diese sind doch wohl nicht un-
ausgeführt geblieben. Nach Bardis Angaben konnte ich auch die meisten der
Bilder, die dort angeführt werden, im Dogenpalast wiederfinden. Angaben
über die Herkunft und das Leben des Künstlers wurden vergeblich gesucht.
Ein Zusammenhang mit den venezianischen und den Ravennatischen Longhi
kann weder festgestellt, noch unbedingt ausgeschlossen werden. Ridolfi
nennt den Künstler Pietro Lungo. Er erwähnt ihn im Leben des Vassilacchi
als Mitschüler dieses Malers und des Montemezzano bei Paolo Veronese, ohne
irgend etwas über seine Abstammung oder Lebensgeschichte mitzuteilen.
Ein Antonio Longo wird von Fr. Zanotto als Verfasser der Grabrede auf den
Dogen Da Ponte genannt. Da Ponte starb 1585. Waren Antonio Longo und
Pietro Longo Verwandte aus einer venezianischen Familie? Auffallend ist es,
daß sogar der emsige Gustav Ludwig, den ich noch persönlich in Venedig
auf die Sache aufmerksam gemacht habe, über Pietro Longo nichts Archi-
valisches aufzufinden wußte.
Es fällt auf, daß im großen Werk von Em. A. Cicogna („delle Inscrizioni
veneziane“) zwar sehr viele andere Vornamen zu Longo vorkommen, aber
daß unser Pietro Longo nirgends nach Urkunden genannt erscheint. Im
I. Band des Inschriftenwerkes kommt der Maler P. Longo nur in nebensäch-
licher Erwähnung vor im Zusammenhang mit einer Darstellung aus Marcanton
Bragadins Leben. Auch bei Lorenzi in der Geschichte des Dogenpalastes
sucht man vergeblich nach unserem Longo.
Ich konnte den Gedanken nicht los werden, daß Pietro Lungo einer
der vielen eingewanderten Künstler wäre, die in Venedig kurze oder lange
Zeit tätig waren. Beispiele aus der Kunstgeschichte Venedigs sind unschwer
beizubringen. Die Malerstadt in den Lagunen zog ja Künstler aus Griechen-
land, aus Deutschland, aus den Niederlanden, aus Frankreich, später auch aus
England und noch anderswoher gar mächtig an. Davon ein andermal. Daß
sogar öffentliche Aufträge an eingewanderte Fremde vergeben wurden, ist
aus dem Leben des Rottenhammer Heinz sattsam bekannt, um nur auf die
Periode hinzudeuten, in welcher „Pietro Longo“ tätig war. Und sogar für
den Dogenpalast selbst ist des besondern auf einen eingewanderten Flandrer

*) Vgl. Girolamo Bardi, Fiorentino: „Dichiarazione di tutte le istorie ehe si con-
tongono nei quadri posti novamente nelle Sale dello Scrutinio e del Oran Consiglio
del Palaglo Ducale“ (Venedig 1587, 8 ). Diese erste Ausgabe ist sehr selten. Die Aus-
gabe von 1606 wiederholt alle Stellen, die uns hier angehen, wörtlich. In der Ausgabe
von 1660 stören augenscheinliche Ungenauigkeiten.

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