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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Drittes Heft
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Kassák, Lajos: das pferd stirbt und die vögel fliegen hinaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0054

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man beschmiert sich mit irgendeiner glasur und fängt an vor den läusen zu schaudern
was heisst eigentlich familienzugehörigkeit
man verlängert sich die nabelschnur mit einem zeug von der art eines Seidenbandes
was heisst eigentlich gottesfurcht
man fängt an zu fürchten auf dass man nicht zu fürchten braucht
wir nieteten uns die landstrassen auf die sohle und sonne zog mit uns im raum auf goldenen
meilenbeinen
glaubt mir elephant ist nicht grösser als floh
da rot nicht röter als weiss
und dennoch gingen wir weiter
weiter kamaralogos und stellen wir bilanz auf
ziehn wir doch sowieso den kürzeren
und da öffneten sich uns die äugen
und tief sind wir geworden wie schwarze brunnen in bergwerkgegend
und gingen und gingen
dreizehn engel gingen uns voran
gleichfalls zu fuss
und sie sangen uns von unserer jugend
wir waren schon typische landstreicher mit wohlerzogenen flöhen unter der achselhöhle
wir liebten die frucht die in den graben fiel
die sauere milch
und die kassen der jüdischen kultusgemeinden
und es kamen uns die brüder von allenthalben entgegen
mit allen möglichen sprachen der weit und mit merkwürdig ziegelfarbenen gesichtem
alle hatten einen speziellen geruch
und etliche waren von den kilometern abgehobelt und anderen war der mund noch milch-
feucht von den eutern der mutter
die wege lagen in weissen daunen unter uns
die telegraphendrähte verknoteten sich und schrieben kabbalistische Zeichen auf den himmel
abends sahen wir wie zwischen den beinen der weiber die blumen ersprossen
wir aber waren Vegetarier und Weiberfeinde
und zerrten uns durch
passau
aachen
antwerpen
der holzschnitzer magerte ab wie ein dorn und sein bart wurde über und über rot
mir wuchsen bald gedichte und hadschurawälder im köpf
lichtflüsse durchschwammen ratten zweimal vor uns
auf grossen flössen gemustert mit hosenknöpfen und vogeleiern
in postämtern harrten meiner briefe der geliebten
doch ich wusste die nächte seien am meisten verlaust
so arbeitete ich denn nächtlich an meinen gedichten die aus meinem köpfe wie goldbe-
haarte lämmlein hervorkamen
kein Zweifel das sind die hilflosesten tiere
doch versteckt jemand die füsse hinter den ohren
so rieseln rollbalken erschrocken hinunter
das ist unser leben
die zollwächter drücken bei jeder haltestelle eine Stampiglie auf unser herz
und wir schwimmen nur weiter dem morgen zu
fürwahr es wäre gescheiter wenn jedermann mit siissholz oder kartoffelzucker schacherte
teilt euch die weit ein in der ihr lebt
uns ist es leicht wir gehen täglich fünfzig kilometer aus ihr hinaus
in tunnels auf dem rückgrat von bergen und in den schweigsamen deutschen wäldern
wir spüren den geruch frischen düngers auf den feldern

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