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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Viertes Heft
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Walden, Herwarth: Rot und Grün
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Schwitters, Kurt: Aus der Welt: "MERZ"
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0065

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DER STURM
MONATSSCHRIFT / HERAUSGEBER: HERWARTH WALDEN

Rot und Grün
Herr Fritz Stahl vom Berliner Tageblatt
versucht sich weiter hilflos über den Ex-
pressionismus hinwegzuhelfen, indem er ihn
totschreibt, nachdem er sich längst totge-
schrieben hat, ohne je eine lebendige Zeile
verfasst zu haben. Der falsche Expressio-
nismus, der einzige, den Herr Stahl je ge-
sehen hat, ist wirklich tot Die Horden von
Malern, die statt Rembrandt und Tod und
Teufel die neue Kunst kopierten, haben
sich glücklich wieder auf die „alte“ Kunst
zurückgezogen und führen wieder ein trau-
liches Stilleben. Nach dem klassischen
Rezept des Herrn Fritz Stahl: „Denn Kunst
im höchsten Sinne braucht auch Musse und
Traum.“ Herr Fritz Stahl wandert durch
die Sezessionen und stellt mit Begeisterung
fest, dass man wieder nach seinen Re-
zepten malt. Mit Musse und Traum. Aber
selbst die ältesten Altmeister sagen es ihm
noch nicht klar genug. Selbst Herr Corinth
nicht: „Der Christus am Kreuz, der den
Mittelpunkt bilden soll, ist ganz in der Farbe
steckengeblieben.“ Herr Stahl kann vor
lauter Farbe den Christus nicht sehen. Nur
die Farbe selbst ist richtig gewählt, wie es
sich eigentlich beim Altmeister von selbst
versteht. Nämlich rot. Nur nicht genau
so viel oder so wenig rot, wie es Herr
Stahl für seine Musse und seinen Traum
braucht: „Die geradezu kolossale Ver-
schwendung von rot erweckt auch nicht
einen Augenblick das Gefühl von Blut und
Wunden, sondern wirkt eben nur als Feuer-
werk. Sehr peinlich." Der Herr mit
diesem peinlichen Satz bildet die geradezu
kolossale Verschwendung des Berliner Tage-
blatts als künstlerischer Mittelpunkt. Er
wirkt geradezu nicht als Feuerwerk.
¥
Herr Paul Fechter von der Deutschen All-
gemeinen Zeitung über die Sezession: „Das

wilde Wollen ist verebbt, der Expressio-
nismus ebenfalls (wenigstens hier): man
malt weiter und nähert sich wieder dem
Gewohnten an.“ Herr Fechter hat offen-
bar nicht gemerkt, dass jetzt wieder in
Grünkramgeschäften nur Grünkram ver-
kauft wird.
Herwarth alden


Aus der Welt: „MERZ"
Kurt Schwitters und Franz Rolan
^iilllhiiillliiiiilllhiiillliiiiillliiiiiillhiiillliii^
! Aus Damenhüte werden die
3 modernsten Herrenhüte gepresst! 1
Ein Dialog mit Einwürfen ans dem Publikum.
Das Publikum: (buntesStimmgewirr)Haben
Sie gehört: Er fordert die
Merzbühne! — Wer? —
Kurt Schwitters! — (all-
seitiges Gelächter)— Haha!
— Anna Blume — Quatsch!
— (eine Damenstimme:)
Wer ist Kurt Schwitters?
— (viele Stimmen:) Ein
verrückter Maler! — Ein
Idiot! — (eine Fistelstimme:)
Anna Blume!! — Ein ver-
drehter Dichter! — Dada!
— Idiot!! — (alle:) Idiot!! —
Schwitters: Ich bin Kurt Schwitters. Ich
fordere die Merzbühne! —
Das Publikum: Haha! — Idiot! — Psst! —
Ruhe! — Ach was: Raus!
—Ruhe! — Quatschkopf von
vorne und von hinten! —
(die Fistelstimme:) A-n-n-a
von vorne und von hinten!
— (eine behäbige Stimme:)
Ruhe! Lassen Sie ihn doch
 
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