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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Viertes Heft
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Déry, Tibor: Gedichte
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Kemény, Alfréd: Das dynamische Prinzip: der Welt-Konstruktion im Zusammenhange mit der funktionellen Bedeutung der konstruktiven Gestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0078

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Gedichte
Tibor Dery
Csardas
unsere Eltern sitzen an der Schwelle und
trinken Milch
die Kinder in der dunkelnden Stube brennen
wie ewige Lampen
wir drehen uns langsam auf dem Hügel
aus unseren ernsten Herzen verliert sich
kein Weizensamen
drei Küsse aus Stein und aus Erde leben
auf unserer Stirne
und auf der flachen Hand farbige Tonfiguren,
in die wir die Märchen verschlossen,
dass sie erwärmen, wenn wir uns berühren
und vor dem Tode
Wir sterben nie. Nimm seine Hand. Nimm
ihre Schulter. Entzünde seinen Mund. Zer-
brich das Glas und verschütte das Korn.
Fass ihm die Gurgel, verbrenne das Haus.
Töte ihn. Wir sterben nie.
Frau
sie sitzt an der Schwelle, isst aus der Hand
noch nie gemordet
auch keine Milch noch aus ihren Brüsten
geflossen, ganz einfach ist sie wie Stein
weint
und atmet laut
nachts träumt sie mit'gradem Leibe
Schickt ihr Bronzetauben, dass sie auf ihr
Lächeln flattern und den Korntanz tanzen
mit gewaltigen Stimmen.
Mutter
flicht ihr kleines Haar und sieht darin kein
Licht
atmet unruhig
findet keine Salben für ihre Füsse, findet
keine Zeit
so ängstlich läuft sie auf meiner Stirne und
wirft Brot und Funken zwischen meine Tage
Höhlen, in denen Platin brennt und die
Weiber ihr Haar ausbreiten
doch sie weicht aus und watet in Sand
von meinem Körper hängt sie die Wunden
ab, sammelt sie unter ihr Kissen
dass sie ihr schmales Gesicht entzünden
und ihr Kreuz beleben
In der Nacht sind keine Sterne, nur ein
langer Engel steht starr und schöpft Blut
in ihr Herz. Alles ist gerade und hinter

den Linien glänzt das Fest. Auf der
untersten Stufe sitzt sie, trinkt Milch und
streut aus der einfachen Hand Kinder vor
die Schwelle. Stirbt.
Landschaft
auf der Betonfläche keine Fliegen, keine
Vögel
in zerstreuten Glaszylindern steht die Hitze
der Schatten des Quecksilberturmes fällt
aus der Ferne
wir laufen nackt
zwischen Korkkugeln, die auf der gedehnten
Fläche
lautlos rollen
und kreisen
um Eisensträusse, wenn sie flackern
manchmal ist alles kahl und wir sind einsam
am Himmel hängt ein schwarzer Ledersack,
elektrisch gefüllt
schaukelt im Zug
unser Haar und unsere Sohlen rauchen
es wird Abend
es wird Morgen
wir laufen zwischen Gummistangen, sie
schwanken, beugen sich und spannen den Weg
Scheiben schweben über ihnen
fallen in den Kreidestaub

auf dem Hügel
stehen Röhren und schwarze Seidenfäden
quellen
hier ist es dunkel
die Fäden zerfliessen und zerrinnen
unter dem Fuss
kalt ist es und warm ist es
in den Abend fliegen Wollkugeln mit Gas¬
licht
wir wandern müde im Betrieb
immer nackter
zu Füssen der Walzen


Das dynamische Prinzip
der Welt<Konstruktion im Zusammen*»
hange mit der funktionellen Bedeutung
der konstruktiven Gestaltung
Die Welt-Konstruktion ist aufgebaut von
dynamischen Kontrasten zentrifugaler-zentri-
petaler Kräfte. Die gesetzmässige Einheit

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