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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Viertes Heft
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Schwitters, Kurt: Aus der Welt: "MERZ"
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Schreyer, Lothar: Mondspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0072

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Das Publikum: (die bebrillte Stimme:) So
hatte das Plakat als solches
nicht eine metaphorische
Bedeutung und Beziehung
auf Ihre neuen Merzbühnen-
ideen?
Schwitters: Doch! Von dem Augenblick
an, wo Sie sie hineinlegten,
wenigstens bestimmt.
Das Publikum: (die bebrillte Stimme:)
Zugegeben, da schliesslich
jeder ein Kunstwerk unter
seinem eigenen Gesichts-
winkel betrachtet. — Aber
Sie sagten vorhin, das Merz-
bühnenwerk könne auf die
Logik der Handlung ver-
zichten. Wie ist das mög-
lich, dass dann noch ein
Kunstwerk entsteht? —
Schwitters: Die Logik der Handlung
ist für die psychische Wir-
kung nicht von entschei-
dender Bedeutung. Sie ist
nur eines von tausend Kunst-
mittel n, noch dazu eines,
das derart abgegriffen ist,
dass Unlogik weit stärkere
Wirkungen auszulösen im
Stande ist. Bei einem Kunst-
werk aber kommt es nur
auf die Logik des Kunst-
werkes selber an, für die
der Merzer verantwortlich
ist. Diese wird lediglich
durch die psychischen Wir-
kungen erreicht, die das
Kunstwerk auszulösen ver-
mag.
Das Publikum: (die bebrillte Stimme:) Sie
denken dabei an psychische
Wirkungen im Sinne des
Goethewortes:
„Denn ein vollkommener
Widerspruch bleibt gleich
geheimnisvoll für Kluge wie
für Toren."?
Schwitters: Nicht auf das Geheimnis¬
volle, sondern nur auf die
schöpferische Kraft kommt
es beim Kunstwerk an.
Das Publikum: (der Aufgeregte:) Das wird
ja eine Privatunterhaltung!
Schluss! — (die Fistel¬

stimme:) Da sprach der
alte Auerhahn: Nun Kinder
lasst mich auch mal ran!
— (Gelächter) — (die be-
häbige Stimme:) Lasst sie
nur reden. Wir hören zu.
— (die Fistelstimme:) das
kost kein Geld und Spass
machts doch. — (eine Da-
menslimme:) Ich dachte, wir
bekämen etwas zu sehen! —
(eine andere:) Ach ja! Wo ist
denn der Damenhut? — (Ge-
lächter.Beifall:)Damenhul!!-
Forlsetzuog folgt

Mondspiel


Lothar Schreyer
Mann Ich bin der Mond
Mond ist mein Ich
Ich steige still
Komm mit
Traumbaum wächst auf
Welttief fällt Blick
Weltweit wandert Ich
Weltfern singt Mund
Wellblume blüht
Komm mit
Mild ist Nacht
Dunkelt der sanfte Schoss
Funkelt der schlafende Samen
Wandeln wir hoch
Schweben wir wach
Schwingt der kristallene Strahl
Wogt der glühende Nachen
Sternüber Erdüber Meer der
Meere
In die Mitte der Geburt
Bohren Kreisen steigt die Schale
Dich empfangen
Dich geöffnet
Dich umschlungen
Komm mit mir
Heim trag ich Dich
Schon blüht Dein Bluten Gold
Schon fliesst die Flammenfülle
Scham schimmert feucht
Das Auge sieht den Reim der
Frucht
Der Mund enthüllt das Wort
der Welt

Aus dem Schweigen
Aus dem Bangen
 
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