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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Siebentes Heft
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Lacour-Torrup, Ingeborg: Gedichte
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Schreyer, Lothar: Für die Jugend
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0121

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Nacht — die süssen Sterne fromm und Friede
Lieber
Lieber
Tod
Verlitten
Ahnen
Dunkel gleitet schmeiche Schatten
Heben sanfte Hände wandeln
Schatten reihen Schatten stumme Bilde
Und Winde Winde
Schattenwinde küssen müde Wange
Gleiten Tränen in den Wind
Schweige Schatten reihen ohne Ende
Wandeln schwebe Reigen
Nahen
Nahen fernen nahen wandeln
Senken halten
Wandeln nahen halten
Blicken wandeln blicken
Neigen nah und neigen
Tief öffnet sich ein dunkler Schoss
Wölbt sich und weitet sanft
Traumsüss und leer
Mir
Mir

Angst
Läuft mein Hirn so viele leere Kreise
Erdum
Läuft mein Herz so viele leere Wege
Erdum
Laufen viele leere Kreise um mein Hirn
Laufen viele leere Wege um mein Herz
Kreise
Irre
Leer
Und Wege
Viele viele leere Wege
Erdum
Irre


Für die Jugend
Es gibt keine alte und junge Kunst Die
Kunst ist zeitlos. Das Leben erlöst von der
Zeit. Die Kunst ist Leben. Die Schöpfer-
kraft kennt kein Werden und Vergehen.
Sie ist immer da. Sie ist da im Wandel
der Form. Die Menschen werden geboren
und sterben. Die Formen werden geschaffen
und vernichtet. Die Schöpferkraft strömt

unwandelbar aus dem Reich jenseits von
Geburt und Tod. In diesem dritten Reich
leben wir, so wir schöpferisch sind.
Die jungen Menschen sind Träger dieses
Reiches und die alten Menschen sollen seine
Hüter sein. Was der Mensch in sich trägt,
das kann er behüten, so er erkannt hat,
was ihm anvertraut ist. Alle Menschen
sind trächtig der Schöpferkraft, und wir
gebären, solange wir diese Schöpferkraft
behüten.
Wir haben diese Kraft als Kinder gefühlt
und als Jünglinge gewusst. Nun wir Jünglinge
sind, müssen wir handeln, wie wir wissen
und fühlen. Das Gewissen ist die Einheit
von Wissen und Fühlen. Das Wissen, das
wir fühlen, und das Fühlen, das wir wissen,
ist der Grund, aus dem wir handeln müssen,
wenn wir auf uns stehen wollen, wenn wir
verständig sein wollen, wenn wir “mens“
haben, wenn wir Mensch sind.
Der Mensch, der im Gewissen haftet, der
gewissenhafte Mensch, wird immer neu ge-
boren und gebärt immer neu. Ihn nennen
wir wahrhaft jung. Nur er lebt Der Mensch,
der sich vom Gewissen löst, ist tot; denn
er weiss nicht mehr, was er fühlt. Darum
wird er hart und geht in die Irre und ver-
nichtet.
Die Künstler sind berufen, ohne Unterlass
die Schöpferkraft zu künden, dass alle den
Ruf hören, dass wir alle aus der Irre ihres
Nichts rufen, bis niemand mehr vernichten
kann, weil jeder lebt.
Die Kunst verkündet die Ordnung des Le-
bens. Wir nennen diese Ordnung im Wissen
Gesetz und im Fühlen Liebe. Dass die
Liebe das Gesetz der Menschen werde, ist
Ziel unserer Tat.
Solange wir gegen das Gesetz fehlen, fallen
wir. Solange wir unseren Fall fühlen,
können wir aufstehen. Je weniger wir in
die Gesetzlosigkeit fallen, umso näher sind
wir der Auferstehung des Menschen. Der
Mensch soll auf sich stehen. Der in sich
aufrechte Mensch ist der aufrichtige Mensch.
In der Wahrhaftigkeit des äusseren Lebens
leuchtet die Wahrheit des inneren Lebens.
Die Wahrheit erkennt in sich, wer den Irr-
tum an sich erfährt. Aber der Irrtum be-
greift die Wahrheit nie. Darum begreifen
wir die schöpferische Kraft nur, soweit wir
das Unschöpferische, den Irrtum verlassen:
Wir irren immer, wo wir nicht bereit sind,

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