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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Zwölftes Heft
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Schumitz, Werner: Gedichte
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An die Leser des Sturm!
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0223

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Beiss
Blut sprüht
Ich Mensch zu Dir Mensch
Hoch über letzte Felsenkraft stoss ich Dich
empor
Und meine Arme fangen Jubel Deine Last
Zu Mir
0 in Rosengluten schäumt und rauscht das
Leben letzten Berg empor
0 in Feuerflammen wirft die Sternen weit
den Gruss der Erde hin
0 Vermählung
Erde Sterne Sterne Erde . . 0 Du o Ich o
Ich o Du
Seitich Dich Felsen SterneWeltenhoch geküsst
Dein Elfenbein im reinen Sonnenäther
Rosenfluten schäumte
Ich ertrank
0 Du in Mir o Ich in Dir
Schwingt in mir Morgenfelsenlied in Flammen
Die Felsenglocken dröhnen unablässig
mächtig mächtig
* *
* •
Ich gehe hin und sinke tief in Menschenherzen
O Staunen Wunder aufzublühn in Augen
Seelen
Frauenleiber-Seelen Blut und Blütengarten
Ich bin der Wölkende der Niederströmende
Verschenkende und sich Verblutende
0 haltet weh und wund in Händen Herzen-
Kelche
Und eure Augen trinken Tau der Nächte
Blonde Nächte violette Nächte
Blaue Nächte grelle weisse ängste Schreie-
Nächte
Aller Seelen - meiner Seele - aller Seelen
Nächte
Aller Seelen-meiner Seele-dunkel aufgetane
Schächte

An die Leser des Sturm!
Im Jahre 1910 wurde „Der Sturm“ als
Wochenschrift begründet. Während des
Krieges wurde er in eine Halbmonatschrift
und später in eine Monatschrift umgewan-
delt. Mit diesem zwölften Heft des vier-
zehnten Jahrgangs erscheint die Zeitschrift
zum letzten Male als Monatschrift. An ihre
Stelle tritt mit dem fünfzehnten Jahrgang
1924 die Vierteljahrschrift „Der
Sturm“.

Neben Gründen äusserer Art war für die
früheren wie für die jetzige Umwandlung
die Tendenz der Zeitschrift bestimmend, die
eine zeitlose ist. Unsere Leser wissen, dass
wir den Kreis unserer Mitarbeiter im Laufe
der Jahre eher verringert als vergrössert
haben. Die zu verschiedenen Malen unter-
nommenen Versuche, den Inhalt der Zeit-
schrift auf mannigfaltigere Gebiete auszu-
dehnen, sind uns nicht gelungen. Das
deutsche Volk ist so arm an Schriftstellern,
die mit der deutschen Sprache umzugehen
wissen, dass wir begierig sind, zu erfahren,
wer es denn sein könnte, den zu beachten
wir übersehen haben. Es mögen sich im
deutschen Volk ausgezeichnete Gelehrte
finden lassen, aber sie behandeln ihre
Sprache so mangelhaft, dass nicht nur ihre
schöpferische Kraft, sondern auch ihre Ge-
lehrsamkeit selbst zu bezweifeln ist. An
Politikern, die in einem ausgezeichneten
Stil über das öffentliche Wesen schreiben
können, fehlt es in Deutschland vollkom-
men, wie es denn eben aus diesem Grund
an Politikern mangelt, die auch nur einen
bescheidenen Einfluss ausüben könnten.
Dass wir unter den Dichtern dieser Zeit
besonders die nicht anerkennen können,
die von schlecht unterrichteten Journalisten
einer ahnungslosen Allgemeinheit Deutsch-
lands und des Auslands als Expressionisten
aufgeschwatzt werden sollen, ist unseren
Lesern bekannt. Von diesen falschen Ex-
pressionisten kann man im besten Fall
sagen, dass sie die Dichtungen des Sturm
gelesen haben und ihr dichterisches Un-
vermögen mit einem trügerischen Schein
von Expressionismus bestrahlen. Was
heute in Deutschland an expressionistischer
Dichtung besteht, ist im Sturm veröffent-
licht worden, und wiederum wären wir
begierig, zu erfahren, ob wir einen äusser
acht gelassen haben. Aber es sieht aus,
als habe der Krieg auch diejenigen ver-
schlungen, die, voll Begabung, die expressio-
nistische Dichtung als reine Wortkunst er-
kannt hätten. Und während sich so die
Reihe der Schöpferischen verringerte, ver-
engte sich gleichzeitig der Kreis derer, die
der Sturm als Künstler anerkennen kann.
Manches, das seinen Platz in der Entwick-
lung hat, verliert ihn zur Zeit der vollen-
deten Erkenntnis. Unsere Leser wissen,
welche unter den Dichtern unserer Zeit
 
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