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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Siebentes Heft
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Moholy-Nagy, László: Neue Gestaltung in der Musik
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Seuphor, Michel: Antwerpen März Sonne
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0128

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(Die Leistungsfähigkeit des Grammophons
wurde in der letzten Zeit durch einige tech-
nische Verbesserungen vorzüglich gefördert.
Es gibt unter anderem zwei wichtige Er-
findungen auf diesem Gebiet. Die eine
arbeitet mit elektrischem Betrieb und die
andere mit einer neuen Membranerfindung
und gibt schon fast vollkommen reibungs-
lose Wiederholung hineingespielter Werke.
Ich denke, wenn wir sie wirklich als For-
derung haben, werden wir in kürzester
Zeit technisch einwandfreie Apparate be-
sitzen.)
Die praktischen Versuche mit dem Grammo-
phon auf musikschöpferischem Gebiet glaube
ich so zu beginnen:
1. Da die Ritzen in der auf mechanischem
Wege entstandenen Platte mikroskopisch
klein sind, muss zu allererst ein Mittel
gefunden werden, von einer grossen
Ritzschriftplatte, die mit der Hand
bequem zu bearbeiten ist, auf technisch-
mechanischem Wege Verkleinerungen
im Format der heute üblichen Platten
zu erzielen. Am besten, man lässt eine
heutige Grammophon (reproduktions)-
platte photographieren und von der
Photographie ein Photo- oder Autotypie-
Klischee auf zinkographischem, galvano-
plastischem Wege herstellen. Wenn
diese Platte nur annähernd spielbar
wäre, ist die Grundlage für die Weiter-
arbeit auf diese Weise gesichert.
2. Studium der graphischen Zeichen der
verschiedensten (gleichzeitig und isoliert
ertönenden) akustischen Phänomene.
Inanspruchnahme von Projektionsappa-
raten. Film. (Darüber gibt es schon
in physikalischen Spezialstudien ein-
gehende Beschreibungen.)
3. Untersuchungen mechanisch-metallischer,
mineralischer Klänge. Der Versuch,
daraus — vorläufig graphisch — eine
eigene Sprache zu bilden. Besondere
Achtung auf die Zeichen, die durch
die verschiedenen Klangfarben hervor-
gerufen werden.
4. Herstellung — graphisch — der grössten
Kontrastverhältnisse. (Bevor man die
Versuche auf der Wachsplatte anfängt,
ist zu empfehlen, mit einer Nadel auf
verschiedenen Grammophon(reproduk-
tions)platten, den graphischen Wellen-
linien der Musik, deren Gestaltungsfolge

dem den Versuch Ausführenden bekannt
ist, nachzugehen, um ein Gefühl für die
graphische Darstellung zu bekommen.)
5. Dann kämen Improvisationen
auf der Wachsplatte in Frage, deren
klangliche Resultate theoretisch nicht
abzusehen, von denen aber grosse An-
regungen zu erwarten sind, da das Mittel
uns ziemlich unbekannt ist.

Antwerpen März Sonne
M. Seuphor
Die Uhr des Liebfrauenturms ist in Repa-
ratur und die zwei glitzernden Kreise,
zwischen denen noch gestern die Stunden
schlenderten, sind ein starres Symbol auf
die Ewigkeit.
Als die Stunde geschlagen hatte, an der der
Himmel sich entscheiden würde, haben die
Zeiger sich begegnet und das Wort ist
Fleisch geworden. Die Winterregen hatten
die Schwerter eingerostet: sie sind zerschla-
gen worden durch die Witzigkeit deiner
Augen und ein Klecks Tauben, sind die
Scherben bezaubert worden durch das
Liedchen des Leierkastens. Nachher bringt
ein Flugzeug sie zurück in die Gestalt
Millionen Flugblättchen, die die Neuigkeiten
über die Stadt verbreiten oder sterbensmüde
sich in die Schelde schweben lassen, die
Flügel herabhängend, wie die Möwe, be-
täubt durch die Säfte dieses ersten schönen
Tages.
Die Zeit hat stillgestanden und alle beque-
men Träume von Monako und Lugano
(nichtfixierte Pastelle gut erhalten, hinter
Glas mit hohen Passe-partout mit schwer
vergoldeten Leisten) sind jetzt realisiert
worden in dem einzigen Aquarell: die
Schelde und die Aussicht auf die Schelde
und das Feuerwerk auf der Schelde, das
heftig aufsprudelt aus dem neuen Jugend-
brunnen dem Bette entsprungen.
Warum die Stadt heute Fest und weisse
Fahnen hat will ich dir erzählen:
Jesus, der Mann Nazareths, ist auf dem
Wege nach unserer Stadt, er bringt die
lang ersehnte Freude, den lang ersehnten
Frühling mit. Nachher, als die Sonne am
höchsten steht, kommt er mit dem neuen
Transatlantiker „Beigenland“ die Schelde

loö
 
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