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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Sechstes Heft
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Lacour-Torrup, Ingeborg: Gedichte
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Seuphor, Michel: Arbeitslos
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Schreyer, Lothar: Anschauung und Gleichnis: Die Gegenwart der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0103

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Heult die sternhoch schluchze Schreie
Gellen schmettern
Hämmern schmettern
Hämmern hämmern
Töne Schreie
Töne Töne Töne Schrillen
Schrillen schrillen Töne Töne
Sternhoch Töne schrecken stürzen
Tiefen stürzen schellen stürzen
Fallen stumpfen
Töne Töne
Schwingen wehen
Töne singen
Weit um Welten
Schwingen schweben
Töne wandern in die Welten
Wehen Töne weit die Welten
Matten weiten Heben malten
Heben kiagesuchte Weise
Fernher Weise
Wiegen wiegen
Fernher lauschen
Wandern wandern
Lauschen
Töne
Wandern
Töne
Schweben
Töne
Schweben
Schweben.

Arbeitslos

Einst war Sterbetag im Hause: der grosse
Kuckkuck wurde zum ersten Mal nicht auf-
gezogen, damals zum ersten Mal und jetzt
noch sind da 20 Sonnen vor den 20 Räder-
werken in den 20 Zimmern ....

nach der Liebesjugend von Hermann Tolletat
Wenn balde das schöne Gebäude Feuer fing
zerfiel Elfenbein-Turm-Träumerei in Keller-
loch-Mystik und das Petroleum der Feuer-
wehr das von den gothischen Gewölben
träufelte träufelte war noch erfrischend . . .

nach der Liebesjugend von Hermann Tolletat
Zu wählen gibt es nicht in den Zeiten der
Wohnungsnot: die Stadtstrasse bleibt die
letzte Zuflucht die Stadtstrasse hat keinen
Preistarif und wuchert die Stadtstrasse bindet
x

allen Arbeitslosen die Hände auf den Rücken
und zwingt zu feiger Objektivität ....
nach Liebesjugend nach Friihlingssonnen-
Lyrismus
Aber endlich nach Kal. 320 verplatzt auf
den Gipfel gestiegene Verzweiflung in einem
künstlichen Carpediem-Luxus (wie ein Ge-
dicht aus dem 19. Jahrhundert):
Der finstere Herr in Trauer feinkostet Creme-
Glace mit silbernen Baby-Löffelchen aus
fein-kristallener Schale hinter rot- und
gelbkarierter Tischdecke:
Erst hat der eingebildete Leierkasten das
neue Pariser Liedchen herausgequietscht
danach hat der alte Turm das neue Pariser
Liedchen aufs neue diktiert augenzwinkernd
augenzwinkernd und lange nach Mitternacht
ist der blinde Dudelsackmann gekommen
der aus dem neuen Pariser Liedchen fast
alles vergessen hatte ....

dies ist die Quintessenz des Lebens nach
der’Liebesjugend von Hermann Tolletat
Da die Abendpfeife zu feste gestopft war
ist der Landmann vor der Hütte eingeschlafen
aber nachher kommt die Apotheose mit dem
grellen Fackellicht das die Fanfare begleitet
wenn sie das neue pariser Liedchen (zweite
Strophe) spielt in drei Reihen mit je zehn
Zinken triumphierend.
Hermann Tolletat mit den Bengels an der
Spitze!
M. Seuphor
(Aus dem Holländischen übersetzt von A. C. W.)


Anschauung und Gleichnis:
Die Gegenwart der Kunst
Lothar Schreyer
1. Die Gegenwart der Kunst ist ein Anzeichen
des Geistes. Im Kunstwerk zeigt sich das
Dasein des Geistes an. Das Dasein des
Geistes zeigt sich an, ohne Rücksicht darauf,
ob es vom Künstler bewusst erkannt wird
oder nicht. Die Wahrhaftigkeit des Geistes
zeigt sich an im Kunstwerk. Der Ungeist
hat keine Kunst. Was er Kunstwerk nennt,
ist Täuschung. Die Unendlichkeit der Ge-
stalten des Geistes zeigt sich an im Kunstwerk.

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