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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 14.1923

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Zwölftes Heft
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Suschny, Hans: Gedicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.47213#0214

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mit ihren trotzdem gewetzten schnäbeln
und
vier und viermal 100000
betrauen unsere schiffswiege
so ist der letzte knöpf abgerissen
so hat sich die dirne die goldene hutnadel
durch den bauch gestochen
und die kindlein wiegen sich im gummi-
ballon
der vater hat den aluminiumschlüssel ver-
loren
und nun kriecht er unter die bettdecke
indes im rauchfang längst die trophäen
selchen
schon rundet sich die kilometerblume über
den nebelschwaden der Pazifisten
und o flumentaube
girlandene flumenhaubitze
ziehe die socken aus
picke die ölsamen auf und trage sie in die
arche zu den auserlesenen
spät ist es schon
da schwarzrollt der himmel glotzige glas-
augen auf die 10 zylindrigen eierstöcke
und inmitten der Überschwemmung platzt
der gleichstrommotor
wenn wir nur einen silbernen kröpf wachsen
sehen an unserer schläfe
schon steigen wir auf den pappeldraht
und schaukeln unsere hirnzellen
doch ist es zu zeitlich am morgen
und die flagellanten und vagabundierer
haben sich noch nicht versammelt im
grossen trog
wir spielen mit geschnörkelten windblasen
gipfelködern und auch vollen sibirischen
grundtönen
von früh bis abend von morgenanfang bis
zu den sonnenspiegeln im filterkessel im
siedehaus
mit griffeln und bleistangen und mit den
schwimmenden fanfaren
die den 100 er hinübertrommeln
in die gallerte der tempi passati
um mitternacht öffnen wir die grossen Ven-
tilatoren
und lassen sie lange laufen
alle zirkelschlangen und buchstabenlurche
verfangen sich in ihren blasbalgen
und auf den spuren der cinemas
schreiten wir in ultravioletten strahlen wie
die flickschuster aus nürnbergischen Zeiten
daher
SIEH meine grossen augäpfel

SIEH meine quadratischen Ohrläppchen
SIEH meine müglichen turmzitzen an
ALLE beten dir brüste dem kind
ALLE
DU MUTTER DER SONNENWENDE 2000
die wintersonne hängt in meinem hirne wie
ein zentnerschwerer stählerner gong
und an meinen zehen saugt das zwitter weib
mit seinen lukrezienhaften glotzaugen
manchmal packe ich meine 12 rippen aus
— seht wie ich sie in nobilem seidenpapier
auf meinem buckel spazieren trug —
schäle mich aus dem mechanischen
Schneckenhaus
und bade meine ganglien in den warmen
thermen der campagna
aber die spitalfenster öffnen sich eine licht-
sekundelang kaum
und von den kupferdächern fallen die
trommelschläge wie riesige alabasterkegel
auf meine schädeldecke
wunderrabbi schreiten dann auf langen
spitzigen stelzen durch meine nachtpupillen
und in dem sprudel der 100000 voltigen
katarakte überstürzen sich die auf den köpf
gestellten Visionen archipenkos
zeigerblöcke fahren dann in die Zukunft
wachsen aus zu langen eisernen pfählen
und elektrisieren ein neues menetekel
an die klagemauern EUROPAS
o wir sind gefasst beim aufmarsch der
strammen gladiatoren
sie fallen ja doch in den „ver sacr“ alen
nachttopf
und auch die deszendenztheorien haben wir
hinuntergeschluckt wie die fischgräten ohne
daran zu ersticken
aber unsere äugen können wir uns nicht
aus dem köpfe drehen
und mit retrospektivem herzbaumeln unsere
devotionen dem homme pass£ zu füssen
legen
indes aus unseren blutkammern wie aus
üb er schwitzten heizhäusern die langen loko-
motivschreie brechen
da öffnet sich der vorhang
weg mit dem ausgekramten schmierentrick
und herausstolziert charly mit seinem ivan-
gollischen reh an der himmelblauen seiden-
leine
aber auch das bricht in sich ein
wenn wir den bummerang^schleudern aus

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