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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

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No. 69 - No. 71 (13. September 1866 - 27. September 1866)
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»egen die deutschen Südstaaten ausüben werde, daß diesen Südstaaten selbst
aber die volle Freiheit bleibe, mit Preußen und Norddeutschland in ein
beliebige» BundcSverhältniß zu treten, gegen welche« kein Dritter Einwen-
dungen zu machen berechtigt sei. Der den Südstaaten vorbehaltene Ab-
schluß eines enger» Bunde« unter sich wird von unserm Verfasser, wie
von jedem ehrlichen Patrioten, den nicht etwa die tollste Leidenschaft die
Sinne benebelt, mit dem entschiedensten Proteste zurückgewicsen. „Da«
deutsche Volk, schließt Herr Reyscher, hat Jahrhunderte hindurch die Hoff-
nung auf eine feste Wiedervereinigung im Herzen getragen und wird sich
den rechten Augenblick zur Erfüllung derselben nicht wieder entreißen lassen,
weder durch äußere noch durch innere Feinde." So sei e«.

Zeitungsschau.
An die belgische Presse, welche in Feindseligkeit und Gehässigkeit gegen
Preußen und Deutschland mit der französischen wetteifert, richtet die Nord-
deutsche Allg. Zeitung die folgende Verwarnung: „Wir haben mehrfach Gele-
genheit genommen, unsere Verwunderung über die feindliche Haltung der bel-
gischen Presst gegen Preußen auSzusprcchen. Während des beendeten Kriege«
zeigte sich die tiefe Abneigung der Organe derselben gegen da« preußische
Volk nicht nur durch eine affcctirte Parteinahme für seine Feinde, sonder»
auch durch die Verbreitung sinnloser Nachrichten von Niederlagen, welche
die preußischen Waffen erfahren haben sollten. Wir erinnern uns, daß
die „Etoilc belgc" am 23. Juni d. I. sich über Pari« telegraphiren ließ:
„Große Schlacht bei Görlitz, die Preußen mit Verlust von 10,000 Mann
geschlagen." Unsere Hoffnung, daß die belgischen Blätter nach Herstellung
de« Friedens sich einer größer» Rücksicht gegen das benachbarte Preußen
befleißigen würden, hat sich nicht erfüllt. Im Gegentheil, diese belgische
Presse zeigt sich jetzt sogar als eine entschiedene Gegnerin der nationalen
Entwicklung Deutschlands, sie tritt für die Erhaltung der Zerstücklung des-
selben in die Schranken, und erhebt Anklage gegen die Majorität des preußi-
schen Abgeordnetenhauses, weil dasselbe die von der Regierung dargebotene
Hand der Versöhnung in dem Budgctstreit nicht zurückgewiesen hat. Diese
Haltung beobachtet die belgische Presse gegen einen Staat, welcher stets
große Theilnahmc und innige Wünsche für die Interessen Belgiens be-
wiesen hat. Aber es ist gut, daß die wahre Gesinnung der Parteien und
ihrer Führer gegen Preußen an den Tag kommt. Wenn irgendeine Presse un-
fähig ist, in nationalen Fragen ein unbefangenes Unheil abzugebcn, so sind cs
die belgischen Blätter, die „Jndöpcndancc Helge" obenan. Diese Organe
repräsenttrcn eine nationale Minderheit, sie unterdrücken die fiamländischc
Majorität, und wagen cs, in anmaßlichcr Weise über die nationale Bewe-
wegung Deutschlands sich zu Gericht zu setzen. Nach der 1846 über die
sprachlichen Verhälltniffe in Belgien aufgeuommcuen Zählung wurden
2 471,00g Personen gefunden, welche das Fiamländischc seinen vom Hol-
ländischen wenig verschiedenen Dialekt) al« ihre Muttersprache ehrten, und
1,827,000 Personen, welche wallonisch oder französisch sprachen. HcuSner
führt in seiner Statistik von 1865 sogar 2,817,000 Flamländer neben
1,062,000 französisch sprechenden Belgiern auf. Wir geben daher der bel-
gischen Presse den Rath, erst für die Sicherstellung der nationalen Forde-
rungen der unterdrückten Flamländer in Belgien aufzmrcten, und für die
Gleichberechtigung ihrer Sprache in der Administration, der Justiz und in
den Kammern Sorge zu tragen. Die in Belgien herrschende Preßfrcthcil
hebt ihre Veranlworlltchkeit «egen der Anfeindungen des preußischen Volkes,
wegen der Bekämpfung der nationalen deutschen Entwicklung nicht auf.
Möge die belgische Presse sich hüten, daß sic nicht auch tn der Zukunft zu
den Feinden des preußischen Staats gerechnet werde. Vor dem Richter-
stuhl der Geschichte wird ,die Vorschützung der belgischen Preßfreiheit nicht zur
Entschuldigung gereichen. Ein Volk, das sich Gesetze gibt, welche eine be-
nachbarte Nation nicht vor Insulten schützen, trägt selbst die Verantwortung.
Den einen mächtigen Nachbar fürchtet die belgische Presse, den andern
mächtigen Nachbar beleidigt sic, die nationale Freiheit tm Land unterdrückt
sie Möge diese belgische Presse ihrer Verantwortlichkeit sich endlich bewußt
werden "
Nach einer Stuttgarter Korrespondenz der „Allg. Zeitung" ist Süd-
deutschland zwischen das Entweder — Oder des Rheinbundes und der Anncrion
an Preußen gestellt. Der Verfasser scheint unschlüssig vor dieser Wahl zu
stehen, wie Jener zwischen zwei Bündeln Heu. — Eine Pariser Korre-
spondenz desselben Blattes betrachtet den Krieg mit Frankreich als unaus-
bleiblich, wenn Herr v. Bismarck sich nicht zu einer kleinen „Kompensa-
tion" verstehe, und bekennt sich, wenn nicht ohne einige Schaam, so doch
ohne. Scheu zu der Ansicht, daß cs sehr weise sein würde, .durch Aufge-
bung einiger Quadratmeilen einen länderverwüstcndcn Krieg zu vermeiden."
Daß mit den paar Quadratmeilen noch andere Dinge „abgetreten" werden
würden, die sich nicht messen und zählen lassen, und die mehr werth sind,
als alle Opfer, die ein länderverwüstcnder Krieg uns auflegen kann, davon
hat diese Sorte von Menschen natürlich keine Vorstellung.
Ein augenscheinlich von sachkundiger Feder herrührcnder Artikel aus
Hannover schildert die dortigen Stimmungen folgendermaßen: „Die
von Berlin in Deutschland befolgte Politik geht davon aus, daß, nachdem
die Waffen im großen Ganzen entschieden haben, die politischen Parteien
wie vorher, überall zu uneinig und deßhalb zu ohnmächtig sind, um dem
preußischen Zwang widerstreben, oder ihn für die unerläßliche Neugestaltung
entbehren zu können. Daraus erklärt sich das Verfahren tn Hannover, so
hart dasselbe auch erscheint. Graf Bismarck und der vollständig auf seine
Sette getretene preußische Landtag kehren sich weder an die Partei unterere
ersten noch an die der zweiten Kammer, weder an die Hofherren noch an die
Demokraten. Mag die jüngst in Berlin gewesene Deputation sich immer-

hin auf eine Adresse stützen, welche von einer großen Anzahl gebildeter,
von Gefühlen der Anhänglichkeit an die bisherigen Zustände und an die
vertriebene Dynastie, von vorläufig noch oberflächlichen Gedanken über den
raschen Umschwung der Dinge erfüllter Staatsbürger unterschrieben «ar.
Die HH. v. Münchhausen, v. Schleppegrell und ». Rössing mögen sogar
die augenblickliche DurchschnittSstimmung de« Lande« richtig getroffen ha-
ben. Graf Bismarck ist gar zu ungestüm für uns bedächtige Leute! Jn-
deß hat die Revolution einmal begonnen, und muß nun auch durchgeführt
werden. So schnell die HH. v. Schleppcgrell und Rössing, welche in un-
serer ersten Kammer die BundeSpolitik Georgs V. unbedingt gebilligt hat-
ten, dahin gekommen sind, sich nicht nur den Anschluß an den norddeut-
schen Bund, sondern auch, damit dieser Anschluß noch möglich werde, die
Thronentsagung de« König« Georg zu Gunsten seines Kronprinzen gern
gefalle» zn lassen, so schnell wird man in den betreffenden Kreisen auch
bereit seyn, sich noch weiter gehenden Bedingungen zu fügen, sobald man
sie als unabwendbar erkannt hat. Da es unstatthaft und völlig eitel ge-
wesen wäre, mit der nach dem Zcugniß der in Berlin gewesenen drei Her-
ren durch die AnnerionSabsichten Preußens „thetlweise" erzeugten „erbitter-
ten Aufregung des Landes" dem König von Preußen zu drohen, so war
es unleugbar ein geschickter Rückzug des Hrn. v. Münchhausen, zu sagen:
das Streben der Petenten werde dahin zu gehen haben „jene Aufregung
in hoffnungslose Ergebung hinübcrzuleiten." Allein man sehe sich da«
Wort „hoffnungslose Ergebung" doch etwas genauer an, und man wird,
ganz abgesehen davon, daß nirgend im Land auch nur einen Augenblick
Vergnügungen und Lustbarkeiten eingestellt worden sind, zugcbcn, daß eine
Bevölkerung von fast zwei Millionen Seelen unmöglich lange in einer
niedergeschlagenen Stimmung verharren und stehen bleiben kann. Einige
Trauermonate werden den erschüttertsten Gemüthern, wie man von Seiten
des General-Gouverneurs, des Grafen Bismarck und des Königs Wilhelm
selbst wiederholt vernehmen konnte, gegönnt werden. Selbst die dem Kö-
nig Georg so sehr nahe stehenden Herren Uhlhorn, Petri und Andere,
sind aber gar nicht so kummervoll, daß sie dem neuen Regiment nicht bc.
reitwillig und unbedingt gehorchen wollten, wenn ihnen nur die Gewts-
sensbedrängniß des UmschwörcnS erspart wird. Zunächst sind es verhält-
nißmäßig wenige, aber die rührigsten Köpfe de« Landes, welche sich alsbald
auf die Seite Preußens geschlagen haben und laut dafür werben. Unter
einiger Nachhülfe und Schonung wird der Ucbertritt schon wachsen. Jetzt
kommt e« darauf an, mitzuwirken, daß das Preußcnihum tn die deutschen
Bahnen cinlenke. Ganz ohne Willfährigkeit ist man drüben nicht. Sv beginne
denn die allerdings nicht leichte Arbeit den unvermeidlichen Umständen die beste
Seite abzugcwtnnen, und sic für die Zukunft de« engcrn Vaterlands sowohl,
als für die höhere Aufgabe der deutschen Nation nutzbar zu machen."
Mitteilungen ans dem Nationalverein.
j- Die „Neue Deutsche Zeitung" widmet dem Wochenblatt dcS Natio-
nalvercinS die folgenden Zeilen: „Ein altes Gespenst ist wieder aufgctaucht r
die Wochenschrift des Nationalvcrcin«. Nachdem der Absatz derselbe» auf
eine ganz jämmerliche Abonnentenzahl hcrabgcsunken, war das Aufgcben der
so viel Geld verschlingenden und doch nicht einmal einen Leserkreis fin-
denden Zeitschrift bereits beschlossen, als -- der Einzug der Preußen in
Frankfurt einen unerwarteten Vorwand gab, das Blatt als nicht aufgcgeben,
sondern als unterdrückt darzustellcn. Jetzt erachten die Leiter die Zeitvcr-
hältnissc wieder für günstig, und so wird denn vvn Neuem geschrieben und
gedruckt, so lange die Gläubigen ihre Thalerstücke in die NationalvcreinS-
Kaffe fließen zu lassen Lust haben." — Wer ist es, der uns hier mit grin-
sendem Gruße als „Gespenst" anredet? Selbst ein Gespenst in der ei-
gentlichsten Bedeutung des Wortes, das in Stuttgart spukende Gespenst
der „Neuen Frankfurter Zeitung" — ach, ein blasser Schatten
ihres einstigen Selbst. Wer spricht von „jämmerlicher Abonncntenzahl?"
Wiederum die „Neue deutsche Zeitung!" Ist sie durch Verbot und Maß-
regelung heruntergekommen, so ist sie in keinem schlimmer» und in keinem
besseren Fall als die Wochenschrift de« Nattonalvercins, der die Ehre des
Verbot« tn Preußen dritthalb Jahre früher zu Thcil wurde, als der
„Neuen Frankfurter Zeitung." Das Aufgcben des Wochenblatts versichert
die N. D. Z. war bereits beschlossen. Woher weiß sie denn, was in Be-
treff des Nationalvcrcinsorgans „beschlossen" war? Hat sie vielleicht wieder ein-
mal an der Thür des Ausschusses gehorcht? Dann hat ihr sonst so
geübtes Ohr sic dies Mal doch betrogen, denn vom Aufgcben des Wochen-
blatts ist niemals mit einem Worte die Rede gewesen. Wenn die N. D.
Z. weiter sagt, daß das Etnrückcn der Preußen in Frankfurt den Vorwand
gegeben habe, das Wochenblatt „als unterdrückt darzustellen", so kann
diese Behauptung leider nicht auf Rechnung einer ähnlichen Täuschung
gesetzt werden. Das Wochenblatt ist wie Jedermann weiß, der sich mit
den Preßvcrhältntffcn beschäftigt, von den Preußen in Frankfurt gerade so
verboten, wie die N. F. Z., und wenn diese uns die Fiktion jenes Ver-
bot« zur Last legt, so sagt sie wissentlich die Unwahrheit. — Daß das Wo-
chenblatt des Jiationalvercin« der Zuschüsse aus der VcrcinSkaffe bedarf,
hat seine Richtigkeit und ist durch öffentliche Rechnungsablagen zur Kennt-
niß aller Bctheiligtcn gebracht, und daß eine politische Parthci einen Thetl
ihrer Mittel auf die Presse verwendet, ist zu selbstverständlich, als daß eine
Abwehr der darüber gemachten hämischen Bemerkungen der N D. Z. nö-
thig wäre. — Wenn aber das Wochenblatt auf Kosten des Nationalvereins
lebt, auf wessen Kosten lebt wohl die „Reue deutsche Zeitung"?-
Druckfehler. In Nr. 69, S. 540, 2 Spalte, Z. 14 und 15 muß
es heißen: „Für die liberale Partei sei die Erthcilung der Indemnität
lediglich eine taktische (statt faktische) Frage."

Verlag der Expedition des Wochenblatts des Nationalvereins. — Rcdigirt unter Verantwortlichkeit von K. Schwab tn Heidelberg.
Druck von G. Mohr tn Heidelberg.
 
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