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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 81 - No. 84 (6. Dezember 1866 - 27. Dezember 1866)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0118
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650

den einverleibtcn Landen, die der Einwirkung von Berlin aus
noch wenig zugänglich sind, zeigt sich hie und da einige Rüh-
rigkeit, die indessen fast allenthalben der festen Leitung zu ent-
behren scheint,*) ohne welche der Erfolg sehr zweifelhaft scheint.
Bleibt die Wahlbcwegung in dem bisherigen lahmen Gange,
so haben wir eine sehr schwache Betheiligung an den Wahlen
und eine große Zersplitterung der Stimmen zu gewärtigen,
wobei denn vielleicht mehr der Zufall, als die wirkliche Ma-
jorität den Ausschlag geben wird.
— Die baierische Cabinetskrisis zieht sich in die Länge
und ihr Ausgang nach rechts oder nach links bleibt zweifel-
haft, wiewohl der Fürst Hohenlohe, von welchem man an-
nimmt, daß er dem Anschlüsse an Preußen zuneige, in Mün-
chen eingctroffen ist. Auch aus Stuttgart kommen Gerüchte
von einer Annäherung des dortigen Cabinets an die Berliner
Politik, denen es indessen noch an jedem sachlichen Anhalt
fehlt. In Darmstadt hat man sich, nach langem Zögern und
auf verständliche Winke von Berlin aus, dazu verstanden,
die Ministerialconferenz in der preußischen Hauptstadt zu be-
schicken und Einleitungen zu den Wahlen zum Norddeutschen Par-
lament in Oberhessen zu treffen. Alles vorbehaltlich der etwaigen
rechtzeitigen Dazwischenkunft der „rothen Hosen." Die hessi-
schen Kammerwahlcn haben Herxn v. Dalwigk, Dank dem
Nachdruck, mit welchem sic von oben her betrieben sind und
in Folge der Zerfahrenheit, die der Krieg im Volksgeiste zu-
rückgelassen hat, eine unzweifelhafte Majorität geliefert, die sich,
je nach Umständen, für oder wider die Interessen des Nord-
deutschen Bundes verwenden lassen wird. In diesem Wahl-
ergebniß findet die Kreuzzeitung einen Anlaß, die unterlegene
Fortschrittspartei zu verhöhnen, die dabei doch lediglich das Opfer
ihrer preußischen Sympathien geworden ist! Wenn es dahin
gekommen ist, daß man sich in Süddeutschland dieser Sym-
pathien so wenig wie möglich rühmt, so ist die preußische Ca-
binetspolitik vielleicht weniger Schuld daran, als der Unverstand
und die Tölpelei der ministeriellen Berliner Presse.
— Frankreich ist eifrig bemüht, sich aus seinen italienischen
und mexikanischen Verstrickungen so rasch und so glHt wie
möglich loszuwickeln. Rom ist geräumt und Mexiko soll bis
Mitte März geräumt werden, eine Frist die kurz genug be-
messen ist, um die Ungeduld der Vereinigten Staaten zu be-
schwichtigen und die während einiger Wochen drohende Span-
nung zwischen dem Tuileriencabinet und der Regierung in
Washington hintanzuhalten. Neuen Händeln, zu denen sich
mehrfacher Anlaß darbietet, geht der Bonapartismus vorsichtig
aus dem Wege. So der Gelegenheit, welcher man vor einigen
Jahren vielleicht nicht widerstanden hätte, in Hinterasien, auf
der Halbinsel Korea, wo einige französische Missionäre hinge-
richtet worden sind, frische Lorbeeren zu gewinnen und neue
Eroberungen zu machen. Nicht minder ist die französische
Politik eifrig bemüht, das Weitergreifen des revolutionären
Brandes auf Kandia zu verhindern, und die „orientalische
Frage" nicht aufkommen zu lassen. Die große Angelegenheit
des Augenblicks ist in Paris die Hecresreorganisation, deren
Plan in der öffentlichen Meinung lebhaften Widersvruch findet,
und allem Anschein nach auch im Gesetzgebenden Körper auf
Schwierigkeiten stoßen wird. Freilich darf man nicht zweifeln,
daß die Regierung mit ihren Entwürfen zur Verstärkung der
französischen Heeresmacht durchdringen werde; bis dahin aber
ist eine möglichst friedliche Haltung ein natürliches Erforderniß
ihrer Rolle. Die Durchführung der neuen Organisation wird,
nach der Meinung Sachkundiger, jeden Falls eine Reihe von
Jahren in Anspruch nehmen; daraus aber zu folgern, daß
jene friedliche Rolle eben so lange dauern werde, wäre ein
Wagestück, das Niemand ans sich nehmen wird, der eine lo-
gische Reputation zu verlieren hat.
Neueste hessische Zustände.
II.
Die nichtswürdigsten Mittel waren den „Konservativ-Libe-
ralen" nicht zu schlecht. Beispielsweise wurde nach dem
In Hannover ist, wie sich gleichfalls aus den uns heule zugehenden
Nachrichten ergibt, diesem Mangel jetzt abgeholfcn.

Zeugniß des Abg. Diehl durch einen Briefträger, bei dienst-
licher Abgabe der Wahlbriefe, der Abg. Metz beschul-
digt, vom Nationalvercin eine Rechnung von zwanzigtausend
Gulden ausbezahlt erhalten zu haben und darunter viertausend
Gulden für Glacähandschuhe, während ein Darmstädter
Handwerker gleichfalls vor Zeugen behauptete, daß der nämliche
Metz, nach seiner 1862 erfolgten Wahl, seinen vorherigen Wohnsitz
Darmstadt mit Bensheim vertauscht habe, nm 5 fl. tägliche Diäten
zu beziehen,*) und daß alle etwa gewählren hiesigen Fortschritts-
männer das nämliche Manoeuvrc machen würden. Eine Be-
lohnung von 1000 fl., welche Metz Demjenigen öffentlich ver-
sprach, welcher einen Heller landständischer Diäten oder einen
Kreuzer der 4000 fl. für Glacehandschuhe ihm als empfangen
nachweisen werde, wurden bis jetzt von keiner Seite zu ver-
dienen gesucht. Eine Anklage des Abg. Metz unterblieb aber,
weil er wegen der gröbsten Verläumdungcn vor etwa einem
Jahr drei Anklagen gegen die „Hessischen Volksblätter"
anstellte, ohne bis jetzt deren öffentliche Aburthcilung durch-
setzen zu können.**) Der Verleger dieses reactionärcn Schimpf-
blattes ist jetzt mit einer Schuldenlast von etwa 150,000 fl.
und einer Ueberschuldung von etwa 100,000 fl. heimlich in
die Fremde gegangen, und aus seinen Büchern ergibt sich von
einer gewissen Seite eine Subvention von beinahe 7 0 00 fl.,
während im Uebrigcn diese Bücher derart geführt sind, um
eine Anklage wegen criminell strafbaren Bankerotts zu recht-
fertigen, und namentlich ein Copirbuch später verschwunden ist.
Neben diesem sauberen Verleger, Victor Gros, spielen die
Hauptrolle ein früherer Gcrichtsaccessist, Ernst Em-
merling und ein Bezirksstrafgerichts-Sekretär, Michael
Bauer in Darmstadt. Herr Emmerling war früher und
Herr Bauer ist jetzt thatsächlich Redakteur der „Hessischen
Volksblätter". Beides ist jetzt gerichtlich zugestanden, obgleich
in einer öffentlichen Kammersitzung der bekannte ultramontane
Ministerialrat!), Geheimerath Krenk, als ihm das Redtgiren
zweier Gcrichtsaccessisten, zuwider einer bestimmten Dalwigk'-
schen Verordnung, welche politische Preßthätigkeit mit Entlas-
sung des Acccffisten bedroht, vorgehaltcn wurde, erklärte,
daß ihm davon nichts bekannt sei, und auf die wei-
tere Replik, daß das Justizministerium seine Accessisten schlecht
überwachen müsse, wenn es von deren norori scheu
Redactionsthätigkeit nichts wisse, ruhig schwieg. Ja, M.
Bauer, welcher als Protokollführer für die öffentlichen
Sitzungen des Bczirksstrafgcricht fungirtc und die Wahrung
der betreffenden Formalitäten überwachen mußte, klagt rück-
ständigen Gehalt als Redakteur der „Hessischen Volks-
blätter" bei der Concursmasse ihres Verlegers ein, verheim-
licht also gar nicht, daß er neben seiner Stelle als Staats-
diener eine Redaktcursstcllc eines täglich erscheinenden politi-
schen Blattes versieht und dafür einen zweiten ständigen Ge-
halt bezieht.
Emmerling dagegen, welcher die anwaltliche Thätigkeit
des Abg. Metz vielfach zu verdächtigen suchte, leugnete auf
drei Anklagen des letzteren jede Absicht, denselben einer Un-
gesetzlichkeit zu beschuldigen, gedachte sich auf diese Weise einer
Strafe zu entziehen, nachdem er Monatelang als „aus-
marsch irt", trotz aller Ladungen, nicht erschien, und wurde
neuerdings selbst von einem öffentlichen Anwälte, dem Abg.
Osk. Hofmann I-, bei einer großen Versammlung von Gläu-
bigern und Gläubigervertretcrn des V. Groß vor dem Stadt-
gericht in Gegenwart des Richters dadurch schwer compromit-
tirt, daß Hofmann I. gewisse Geldmanipulationcn von Groß-
Emmerling in Freiburg und Emmendingen, sowie gewisse poe-
tische Darstellungen des Herrn V. Groß, als Verleger eines
„radical-demokratischcn" Blattes, zum Besten gab. Wenn wir
uns die spätere Beleuchtung des Verfahrens gewisser
Gerichte und Staatsanwälte in politischen, sowie an die Politik
streifenden Untersuchungen Vorbehalten, wollen wir heute nur

H Die in Darmsiadt ansässigen Mitglieder der hessischen Kammer
beziehen nämlich keine Tagegelder, wonach das Gesetz also anzunehmen scheint,
daß für die Bewohner der Landeshauptstadt die Zeil keinen Werth hat.
D. H.
Inzwischen ist eine solche wirklich erfolgt. D. H.
 
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