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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1866/​1867 (Nr. 69-123)

DOI Kapitel:
No. 94 - No. 97 (7. März 1867 - 28. März 1867)
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https://doi.org/10.11588/diglit.43377#0205
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spaltige Petttzcile berechnet.


Hemusgegeben im Auftrage des Treias - Ausschusses.


Heidelberg, den 7. März.


Inhalt:
Wochenbericht. — Rechtmäßige und unrechtmäßige Ansprüche an die Bun-
desverfassung. — Die Wahlniederlage der preußischen Fortschrittspartei.
— Parlamcntsbriefe. — Aus Preußen. — Nordschlcswig. — Steckbrief.
— Zcitungsschau. — Mitheilungen ans dem Rationalvcrein.

Wochenbericht.
Heidelberg, 5. März.
* Die erste Stimmprobc im Berliner Rcichstagssaale ist
so günstig für die lieberale Nationalpartei ausgefallen, wie
man erwarten durfte. Nicht sowohl die Wahl des Herrn Sim-
son, welche wegen der dabei wahrscheinlich, für und wider,
im Spiele gewesenen Ncbenrücksichten kaum für ein reines
politisches Resultat gelten kann, als die dcS Herrn v. Bennigsen
gibt vollgültiges Zeugniß für das mindestens relative Uebcr-
gewicht unserer Gesinnungsgenossen im Parlament. Für den
Präsidenten des Nationalvercincs, das steht wohl fest auch ohne
Beweis, ist keine Stimme abgegeben worden,, die nicht unmittel-
bar oder mittelbar dem Verein angehcrt, am wenigsten irgend
eine konservative oder partikularistischc.
Dem weiteren Verlaufe der parlamentarischen Dinge in
Berlin dürfen wir, nach allen bisherigen Anzeichen, mit Be-
ruhigung entgegensetzen. Die etwa vorhandenen Schwierig-
keiten werden nicht im Reichstage liegen, sondern in der Re-
gierung. Der Reichstag wird ohne Zweifel Alles gutheißcn,
was der Verfassungsent'wurf von den Regierungen derEiuzel-
staatcn für die Präsidialmacht verlangt, zugleich aber mit
unbeugsamer Festigkeit, als das geringste Maß seiner eigenen
Rechte, die Befugnisse beanspruchen, welche die preußisch Ver-
fassung dem preußischen Landtage beilegt. Innerhalb dieser
Gränzen liegt freilich eine ganze Reihe von Zweckmäßigkeits-
fragen, auf welche Herr von Bismarck eine andere Antwort
in Bereitschaft hat, als die nationalliberale Partei, über deren
praktisch befriedigende Losung man sich indessen durch Ab-
und Zugeben verständigen kann und wird; die Verweigerung
des Budgetrechtes nach Maßgabe der preußischen Verfassung
dagegen wäre der Bruch — der Bruch auf die Verantwort-
lichkeit des Berliner Regiments.
— Nach übereinstimmender Aussage verschiedener Gewährs-
männer hat sich der König von Hannover, wie es heißt unter
englischer Vermittlung, dazu verstanden, über die Bedingungen
seiner Abdankung mit der preußischen Regierung in Unter-
handlung zu treten. Gleichwohl wird man wohl thun, dieser
Nachricht zu mißtrauen. Ohne seine ganze Vergangenheit
und sich selbst zu vcrläugnen, kann König Georg unmöglich
Verzicht auf den Thron leisten, den er für seine Nachkommen-
schaft unzählige Male „bis an das Ende der Dinge" in An-
spruch genommen, und wenn er dennoch in die angeblichen
Unterhandlungen mit Preußen eingetreten sein sollte, so könnte
es wohl nur mit einer Hoffnung geschehen sein, deren Er-
füllung eine doppelte und dreifache Unmöglichkeit entgegensteht,
mit der Hoffnung, wenigstens die Stellung eines mcdiattsirtcn
Fürsten wiederzugewinnen. Ein so großes Interesse die preu-
ßische Regierung haben mag, die nachträgliche Abtretung der

früher« Souvcränetät des Königs von Hannover zu erlangen,
so kann sie sich doch nimmermehr auf ein Gegcnzugeständniß
cinlasscn, welches dessen dynastische Legitimität, gleichviel in
wie beschränkten! Umfanae, binterdrein wieder anerkennte, denn
damit wäre das ganze Ergebnis! des Krieges und des Vertrags
wieder in Frage gestellt. Vom Standpunkte dcr National-
partei aber kann man sogar eine unbedingte Abdankung des
Königs von Hannover und der Fürsten, welcke sein Schicksal
gctheilt haben, keineswegs wünschen; denn Alles, was der
Legitimität der preußischen Krone in den neuen Provinzen fehlt,
das wächst von selbst der deutschen Nationalpolitik zu, an Recht
und Macht. Zu dem Abkommen, welches Preußen mit dem
Herzoge von Nassau getroffen haben, oder zu treffen im Begriff
sein soll, hat sich also die Nationalpartei durchaus nicht Glück
zu wünschen. Um so weniger, als dasselbe schwere finanzielle
Opfer mit sich zu bringen scheint, die natürlich immer der
Tasche des Volkes zur Last fallen. Ist Deutschland immerhin
reich genug, um scinc Einheit zu bezahlen, so liegt darin doch
kein Grund, sich dieselbe unnöthig verthcuern zu lassen.
— Die baierischc Hof- und Ädelskabale gegen den Fürsten
Hohenlohe, eifrigst unterstützt durch den tausendzüngigen Ultra-
montanismus, soll in der Person des Exkönigs von Griechen-
land, der mit seiner Gemahlin unlängst in München ange-
kommen ist, ihr sichtbares Oberhaupt anerkennen, während die
eigentliche Seele derselben zur Zeit wahrscheinlich in Rom zu
suchen ist. Die Schicksale des Königs Otto sind allerdings
reich an guten Lehren, nur daß der entthronte Fürst selbst
vielleicht der am wenigsten geeignet? Mann ist, dieselben sei-
nem jungen Neffen in München zu verdolmetschen. Worauf
dieser baierischc Patriotismus, welcher in dem Fürsten Hohen-
lohe seinen Todfeind bekämpft, hinauswill, bezeugt eine im
Dienste desselben geschriebene Flugschrift, welche mit der größten
Unbefangenheit die Niederlage Preußens im Kriege gegen Frank-
reich für denjenigen Ausgang der wahrscheinlich bevorstehenden
Krisis erklärt, bei welcher sich Baiern am besten stehen würde.
Wenn man unter Baiern das Haus Wittelsbach und dessen
dynastischen Anhang versteht, so mag es mit dieser Behaup-
tung in gewissem Sinne seine Richtigkeit haben, wiewohl es
darum nicht weniger eine Unvorsichtigkeit, ja ein grober
Fehler ist, dieselbe an die Spitze eines Programms der Op-
position gegen den Fürsten Hohenlohe zu stellen. Fände
eine solcher Maßen motivirte Opposition Grund und Boden
in dem baicrischen Volke selbst, dann freilich bedürfte es keiner
weitern Rechtfertigung einer Berliner Militärpolitik, die darauf
ausgtnge, ganz Norddeutschland in ein von Waffen starrendes
Heerlager zu verwandeln, dann würde über kurz oder lang
„Blut und Eisen" das Feldgeschrei der deutschen National-
politik selbst werden. Denn daß Deutschland um jeden Preis
eins werden muß, wo irgend möglich auf dem Wege des Ver-
trags, im Nothfalle aber durch unerbittliche Anwendung dcr
Gewalt, dafür gibt es keinen beredteren Beweisgrund, als jenen
Partikularismus, der sich lieber an Frankreich verkaufen, als der
deutschen Vormacht nnterordnen will.
— Mehrere der Kleinstaaten sollen mit Preußen Militärcon-
ventionen abgeschlossen haben, kraft deren sie dem Bundes-
 
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