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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0091

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treuer Anhänger Berengars L gewesen war, Arnulf gerufen hätten. Doch ist wohl nur si-
cher, daß diese beiden Arnulfs Parteigänger waren als er in Italien erschien".

Vielleicht wurde Arnulf auch von denselben Kreisen gerufen, die sich 922 an Rudolf
II. von Hochburgund gewandt hatten und von dessen Verhalten gegenüber Hugo nun
enttäuscht waren™. Wie dem auch sei, so weisen beide in Frage kommenden Initiatoren-
kreise in dieselbe Richtung: Milo war ein treuer Anhänger Berengars I. gewesen - war-
um sollte er seine Partei 933 gewechselt haben? Berengar aber war ja der Sohn des Mark-
grafen Eberhard von Friaul und der Tochter Ludwigs des Frommen, der Kaiserin Judith,
Gisela.

Aber auch Rudolf II. war durch seine 921/22 erfolgte Heirat mit Bertha, der Tochter
der oben mehrfach erwähnten Reginlindis, der Enkelin Unruochs und Urenkelin Eber-
hards und Giselas von Friaul, Kandidat der Friauler Partei, als er 922, also unmittelbar
nach seiner Heirat, nach Italien gerufen wurde".

Betrachtet man bei der unten abgedruckten genealogischen Übersicht die Namen, so
ist zudem auffällig, daß gewisse Namen, sowohl bei den Karolingern bzw. den Unruo-
chungern, wie bei der Familie Arnulfs von Bayern wiederkehren und es ist ja allgemein,
gerade im früheren Mittelalter, der Gebrauch von sogenannten Leitnamen in Fürsten-
häusern bekannt.

Vergleichen wir nun diese Namen der Arnulfinger mit den sonstigen, in der genealo-
gischen Übersicht abgedruckten, so ergeben sich weitere Rückschlüsse.

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Liurpold Kunigunde Erchanger

Arnulf ? Berthold

Eberhard Arnulf Hermann Heinrich Ludwig Judith Kunigunde

Berthold

Dabei ist zunächst auffällig, daß Arnulfs ältester, von ihm auch als Thronfolger in
Bayern designierter und 933 zum italischen König gekrönter Sohn Eberhard heißt, eine
(die älteste?) Tochter Judith, ein Sohn Ludwig. Das sind aber Namen, die in die Umge-
bung der Unruochinger bzw. Weifen und letztlich der Karolinger verweisen und zu de-
nen die Angabe des Fragmentum de Arnulfo duce, Arnulf sei de progenie imperatorum et
regum ... ortusK und die Bezeichnung Liutpolds als nepos König Arnulfs von Kärnten,
ausgezeichnet paßt.

Tatsächlich haben neuere Arbeiten zumindest wahrscheinlich gemacht, daß Ver-
wandtschaftsbeziehungen zwischen Liutpoldingern und Unruochingern bestanden".
Dabei hat TYROLLERS Auffassung der KlMPEN'schen voraus, daß, durch seine Ableitung
der Verwandtschaft über Arnulfs Gemahlin, die Angabe der Annales Iuvavenses maxi-
mi52 erklärt würde, daß Arnulfs Sohn Eberhard zum Langobardenkönig gekrönt wurde,
nachdem ihn wohl, als Nachkommen der Markgrafen von Friaul, die italischen Großen
nominiert hatten - nicht aber seinen Vater.

Aber auch ein erfolgter Verzicht Arnulfs zugunsten seines Sohnes läßt sich von daher
als Zurückweichen vor dem ,besseren Recht' motivieren. Das alles fügt sich so einfach,
daß es schwerfällt, hier noch an Zufälligkeiten zu glauben!

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Hatte aber Herzog Eberhard von Bayern Rechte in Italien, so auch sein Bruder, Pfalz-
graf Arnulf und seine Schwester Judith, die Gemahlin Herzog Heinrichs, des Bruders Ot-
tos des Großen. Das aber würde mit einem Schlage das Verhalten sowohl Heinrichs wie
Pfalzgraf Arnulfs in den liudolfingischen Wirren der Jahre 951/54 erklären53 - auch der
Grund der Verfeindung Heinrichs und Liudolfs läge klar. Liudolf und Herzog Heinrich
waren durch ihre Heiraten Rivalen in Italien geworden (propter confinionem regionum ...
rixas et contentiones exercere coeperunt)*.

Das erklärt auch die Änderung in Liudolfs Verhalten, wie sie Widukind von Corvey
beim Tode Hermanns von Schwaben im Zusammenhang mit Liudolfs Italienzug berich-
tet. Es macht Heinrichs Eingreifen zu derselben Zeit (eben nach Berengars II. Krönung
vom Dezember 950) in Friaul einleuchtend, nicht als Querulantentum gegen seinen Nef-
fen - vielmehr als ein Geltendmachen von Ansprüchen - erklärt die ,Verstimmung' Liu-
dolfs durch seines Vaters Italienzug und Heirat mit Adelheid, durch die Otto zum totius
Italiae possessor wurde. Auch erhellt daraus, warum Liudolf zwar schon im Herbst 951 ae-
greferens tristis discessit, aber erst 952 und insbesondere nach dem Augsburger Hoftag,
der Heinrichs Ansprüche befriedigte, die seinen aber nicht, tatkräftig reagiert hat55.

Diese Zusammenhänge machen es erklärlich genug, daß Liudolf gegen Herzog Hein-
rich, in dem er den Urheber all' seiner Enttäuschungen glaubte sehen zu müssen, einen
tiefen Groll faßte und ihn Ostern 953 gefangennehmen und ausschalten wollte. So wird
auch die Angabe der Verschworenen, ihre Unternehmungen richteten sich nur gegen
Heinrich, glaubwürdiger als man bisher annahm und wirft klärendes Licht auf das
Mainzer pactum: der Vertrag betraf neben anderem zumindest auch italische Verhältnis-
se.

Mit all' dem Gesagten wäre schließlich sehr wohl zu vereinen, daß Liudolf, nachdem
er sich mit seinem Vater Weihnachten 954 ausgesöhnt, sein Herzogtum Schwaben und
die Thronfolge im Reich aber verloren hatte, dann 956 - also unmittelbar nach Herzog
Heinrichs Tod und somit nach dem Ende von dessen Einfluß54 - vom König ausgerech-
net wieder nach Italien geschickt wurde, um den erneut aufsässigen Berengar II. zu be-
kämpfen. Erstaunlicherweise hatte Liudolf durch sein Erscheinen auch bald Erfolg und
fand Anhang57. Doch ging alles, nach seinem baldigen Tod im nächsten Jahr (957), wie-
der verloren. So scheint tatsächlich das italische Erbe Liudolfs eigentlicher Grund zur Erhe-
bung gegen Herzog Heinrich und damit mittelbar gegen seinen eigenen Vater, der sich
auf Heinrichs Seite gestellt, gewesen und zugleich Liudolfs Schicksal geworden zu sein58.

Nicht Gefühlsmomente haben also König und ,Kronprinz' entzweit, sondern erb-
rechtliche Auseinandersetzungen59, bei denen es letztlich um den Widerstreit zwischen
schwäbischer Stammespolitik und der Reichspolitik ging60.

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