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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0090

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Nachdem er das Erbe Hermanns von Schwaben angetreten, die Macht erlangt hat
und Herzog geworden ist, wird Liudolf ,anders', er legt die bisher gezeigte tranquillitas
ab und führt ein Heer - nach Italien. Diese Widukind-Stelle fällt auf!

Danach liegt es nahe genug, zwischen dem Erbantritt 950 und dem Italienzug 951 Zu-
sammenhänge zu sehen: offenbar fühlt sich Liudolf durch seine Heirat mit einer Nach-
kommin italischer Karolinger und der Markgrafen von Friaul21 und nun durch den Erbfall
als Anwärter auf die italische Königskrone, zumindest aber berechtigt, in Italien einzu-
greifen. Dazu mag kommen, daß auch gefühlsmäßig, auf Betreiben von Frau und Schwie-
germutter, ein Eingreifen zugunsten Berthas und ihrer Tochter Adelheid motiviert war -
das vermögen wir nicht zu sagen25. Jedenfalls zog Liudolf im ersten Halbjahr 951 nach Ita-
lien, wahrscheinlich, um dort seine Ansprüche geltend zu machen. Von dieser Annahme
her erklärte sich denn auch, daß Heinrich von Bayern, der ebenfalls gerade in jener Zeit
nach Friaul vorgedrungen war, anscheinend so gehässig auf Liudolfs Unternehmung rea-
gierte, gegen ihn intrigierte und seinen Feldzug zu vereitein suchte - offenbar nicht ohne
Erfolg - und dadurch zwischen beiden ein tiefer Haß entstand26, der sich später, durch
Heinrichs Verständigung mit Adelheid, noch steigerte. Wieso auch Heinrich Gründe hat-
te seine Hand nach Italien auszustrecken, wird unten noch zu besprechen sein.

Aber nicht nur Heinrichs Feindschaft ruft Liudolf durch seinen Zug wach, sondern
auch den Ärger seines eigenen Vaters27, der daraufhin selbst, im Spätsommer, nach Itali-
en zieht, Herr ganz Italiens wird, zur Begründung seiner Ansprüche die vielumworbene
Adelheid von Burgund heiratet und so einer eigenwilligen schwäbischen Politik in Itali-
en zuvorkommt28.

Wie schon oben erwähnt, hat man in dieser Heirat Ottos den Grund für Liudolfs Ent-
fremdung gesehen. Dies ist auch unseres Erachtens in der Tat zutreffend: allerdings
nicht aus Gefühlsgründen, sondern aus erbrechtlichen Gründen war er aegre ferens nicht
ohne weiteres gewillt, die neue Lage hinzunehmen - tristis a rege discessit2*", um in
Deutschland Bundesgenossen seines Anspruchs zu suchen, jedoch noch ohne wahr-
nehmbare Folgen2'.

inzwischen scheiterte in Italien Ottos Romzug - auch Berengar II. war nicht vernich-
tet. So mußte Otto seinen Schwiegersohn Konrad den Roten zurücklassen, als er selbst
mit seiner jungen Frau im März 952 nach Deutschland zurückkehrte30.

Auf Adelheid, die junge Königin, hatte inzwischen des Königs Bruder, Heinrich von
Bayern, großen Einfluß gewonnen und damit mittelbar auf den König selbst31.

Konrad der Rote hatte in Italien mit Berengar, den er nicht zu vernichten vermocht
hatte, vereinbart, daß Berengar den deutschen König aufsuchen sollte, um Italien von
diesem als Lehen zu erhalten32. Aber entgegen den Zusicherungen seines Schwiegersoh-
nes empfing Otto, auf Betreiben Heinrichs33 und wohl auch der von Berengar schwer ge-
kränkten Adelheid, Berengar in Magdeburg zunächst überhaupt nicht und übertrug ihm
erst am 7. August 952 in Augsburg, auch für seinen Sohn Adalbert, Italien zu Lehen - al-
lerdings ohne Friaul (die Marken Verona und Aquileia), das Heinrich von Bayern zuge-
sprochen wurde54.

So hatte auf dem Augsburger Hoftag Heinrich vollen Erfolg gehabt und Friaul ge-
wonnen, Berengar war nur halb zufrieden, Liudolf völlig leer ausgegangen und sein
Schwager Konrad, durch die Nichteinhaltung seines gegebenen Wortes gegenüber Be-
rengar, von Seiten des Königs beleidigt35.

Was Wunder, wenn sich nunmehr die beiden Geprellten und Vergrämten, zu denen
sich auch Erzbischof Friedrich von Mainz aus irgendeinem Grunde gesellte, zusammen-

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taten gegen die Ursache allen Übels, wie sie glaubten, gegen Heinrich von Bayern35". Zu
allem mag bei Liudolf, Ende 952, Sorge um die Nachfolgeregelung von 946 gekommen
sein, da Adelheid um diese Zeit einem Sohn Heinrich das Leben schenkte36. Das mag An-
laß zu entschiedenerem Handeln gewesen sein - Ursache der Erhebung war es gewiß
nicht.

Um die Jahreswende 952/53 begannen die Vorbereitungen. Im März 953 wurden, als
der König aus dem Elsaß kommend37 durch Rheinfranken zog, die Absichten der Ver-
schworenen erkennbar38, so daß Otto es vorzog, sich nach Mainz anstatt nach Ingelheim
zu begeben. Dort zögerte man, ihn aufzunehmen, und bald erschienen dann auch Liu-
dolf und Konrad der Rote, venientes ad eum (Otto) humilitateficta (wie der Continuator Re-
ginonis sagt)39 und bestritten, etwas gegen den König selbst im Schilde zu führen, gaben
aber zu, Heinrich von Bayern ergreifen zu wollen35'. Bei dieser Gelegenheit scheinen Liu-
dolf und Konrad in Verbindung mit Erzbischof Friedrich von Mainz dem König einen
Vertrag abgetrotzt zu haben, über dessen Inhalt nichts Genaues bekannt ist. Doch wird
angenommen, daß dieses pactum wohl die Ausschaltung Herzog Heinrichs betraf - mög-
licherweise auch Liudolfs Thronfolge garantierte40. Die erstere Vermutung ist sicher rich-
tig, letztere möglich. Jedenfalls war die Abmachung für den König ungelegen, infolge
der äußeren Umstände fast demütigend und ungünstig, da er den sententiis eorum in Om-
nibus" gehorchte, so daß er später, als er seine Handlungsfreiheit wieder erlangt, die Ab-
machung in Dortmund als abgenötigt und nichtig widerrief42.

Daß das pactum sich gegen Heinrich richtete, ist evident und bedarf keiner weiteren
Begründung. Dagegen ist nicht ersichtlich, daß Otto die 946 getroffene Thronfolgerege-
lung im Reich damals umzustoßen gewillt war, wenngleich Flodoard ein derartiges
Gerücht erwähnt43. Alle anderen Quellen deuten dies mit keinem Wort an, ja Ruotgers
Vita Brunonis bestreitet derartige Absichten44, aber was schwerer wiegt: auch Liudolf
gibt in seinem Handeln keinen Hinweis auf solche Motive. Doch bleibt das letztlich of-
fen. Sicher ist aber, daß Liudolf sich durch Heinrich, seines Vaters Bruder, in seinen
Rechten verletzt fühlte und zwar schon seit 951, besonders aber seit dem 7. August 952.
Wieder stoßen wir auf das Stichwort Italien.

Auch Herzog Heinrich hatte nämlich, gemäß Erbgang durch seine Heirat mit Herzog
Arnulfs Tochter Judith45, gewisse Rechte in Italien und besonders in Friaul, die von Otto
auf dem Augsburger Hoftag am 7. August 952 ja offenbar auch anerkannt wurden. Es ist
dabei kein Zweifel, daß Judith diese Rechte mit in die Ehe gebracht hat, da Heinrich
selbst ja keinerlei Ansprüche in Italien haben konnte, dagegen Judiths Bruder Eberhard
schon 933, auf dem Zug seines Vaters Arnulf gegen König Hugo von der Provence, in
Italien zum König gekrönt worden war46.

Über diesen Italienzug Herzog Arnulfs von Bayern ist viel gerätselt worden, über sei-
ne genaue Datierung, seine Gründe und seinen Verlauf, über die Gründe, warum nicht
Arnulf, der regierende Herzog, sondern sein Sohn Eberhard zum König der Langobar-
den gekrönt wurde. H. Bresslau meint, es sei nicht mehr zu unterscheiden, ob dies
durch Verzicht Arnulfs oder durch unmittelbare Nominierung Eberhards von Seiten der
italischen Großen erfolgte. Das ist aber auch zweitrangig, denn jedenfalls erfolgte auch
ein Verzicht Arnulfs nicht ohne Anlaß und dieser oder die unmittelbare Nominierung
Eberhards weisen wohl gleichermaßen auf den Grund hin, warum die Italiener sich
überhaupt an Arnulf wandten, beziehungsweise wer die Initiatoren des Planes waren.

Liutprand von Cremona überliefert, daß Bischof Rather von Verona (seit 931) und ein
Graf Milo, der nach fränkischem Rechte lebte, später Graf von Verona wurde und ein

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