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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0204

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Zehn Jahre später, als Theophanu 23 Jahre alt war, verlor sie ihren Gemahl,' wurde
Witwe mit vier lebenden Kindern, drei Töchtern und dem Thronfolger, deren ältestes 6,
deren jüngstes 3 Jahre alt war.10 Von ihrem 24. bis zum 32. Lebensjahr lenkte sie für den
Sohn Otto III. die Geschicke des Reiches. Mit etwa 32 Jahren starb sie am 15. Juni 991 in
Nirnwegen." Das ist in großen Zügen der äußere Ablauf dieses kurzen und doch so rei-
chen Lebens. Wer aber war der Mensch, die Frau, die Prinzessin, die Kaiserin, die Mutter
Theophanu?

Wir wissen weder ihr genaues Geburtsdatum noch ihren Geburtsort. Läßt sich das
Geburtsdatum noch in etwa erschließen12, so ist der Geburtsort völlig ungewiß. Mit
großer Wahrscheinlichkeit läßt sich nur sagen, daß die ,Prinzessin' Theophano, als Kind
von Eltern aus den großen byzantinischen Adelsgeschlechtern der Skleroi13 und Phoka-
des,14 eine, wie sich später auch zeigt,15 hervorragende Bildung und Erziehung genossen
haben muß, wahrscheinlich in Byzanz selbst, mit einiger Wahrscheinlichkeit sogar am
Kaiserhof111 in der Umgebung ihres Großonkels, des Kaisers Nikephoros II. Phokas (963 -
69) und seiner Gemahlin Theophano d. Ä.'7, die wohl auch die Patin der jüngeren Theo-
phano18 Sklerema war. Auch am Hof ihres angeheirateten Onkels Kaiser (969 - 76) Johan-
nes L Tsmiskes mag Theophano Sklerema noch bis zu ihrer Fahrt nach dem Westen ge-
lebt haben. Ob sie Geschwister hatte" wissen wir nicht, wohl aber, jetzt mit einiger Si-
cherheit, wer ihre Eltern waren:20 der Patrikios Konstantinos Skieros21 (ca. 930 - 11.3.991),
jüngerer Bruder des bekannten Bardas Skieros (ca. 920 - 6.3.991)22 und der Maria Sklerei-
na (+ um 9Ö9)23, der ersten Gemahlin des späteren Kaisers Johannes Tsimiskes, der, väter-
licherseits aus dem Haus der Kurkuas24 stammend, mütterlicherseits ebenfalls mit den
Phokades25 verwandt war. So führt Theophano Sklerema 972 mit Recht die Bezeichnung
■neptis'2'' des Kaisers Johannes Tsimiskes. Theophanos Mutter war Sophia Phokaina,27 die
Tochter des Kuropalates Leon Phokas d. ]., Domestikos des Westens und Bruder des Kai-
sers Nikephoros II. Phokas sowie des 953 in muslimische Gefangenschaft geratenen
Feldherrn Konstantinos Phokas. Der Vater dieser Phokas-Brüder war Bardas Phokas d.
A., der 917 Feldherr gegen die Bulgaren, Domestikos der Scholen und seit 945 Leiter der
Reichspolitik unter Kaiser Konstantinos VII. Porphyrogennetos (913 - 959) war,28 großer
Förderer auch der Magnaura-Hochschule in Byzanz. Er starb im Oktober 969 als Caesar
(seit 963) seines Sohnes Nikephoros EL Phokas (t 10./11.12.969).29 Der Bruder des Bardas
Phokas d. Ä., Leon Phokas d. Ä., Domestikos der Scholen, war schon 919/20 der Kaiser-
kandidat der Kaiserinwitwe und der Aristokratie gewesen. Beider Vater, Nikephoros
Phokas d. Ä., war berühmter und erfolgreicher Feldherr in Italien, gegen Bulgaren und
Araber am Ende des 9. Jahrhunderts.

So entstammte Theophano Sklerema mütterlicherseits einer der bedeutendsten klein-
asiatischen Magnatenfamilien,30 deren Mittelpunkt im kleinasiatischen Kaisareia lag.

Väterlicherseits entstammte Theophano dem Geschlecht der Skleroi, ,einem der älte-
sten und reichsten byzantinischen Geschlechter'.31 Die Schwester des Vaters war mit dem
damaligen Domestikos des Ostens, Johannes Tsimiskes verheiratet; sie starb schon vor
^69, da Tsimiskes sich Ende 969 mit der Kaiserin(witwe) Theophano d. Ä. zu verbinden
versuchte, bzw. um 971 Theodora, die Tochter des Kaisers Konstantinos VIII. Porphyro-
gennetos32 und Schwester des Kaisers Romanos EL (959 - 63) heiratete.

Theophanos Vaterbruder war Bardas Skieros,33 unter Johannes Tsimiskes Domestikos
des Ostens, der sich nach des Schwagers Tod (10.1.976) im Sommer 976 zum Kaiser aus-
rufen ließ und immer wieder, über ein Jahrzehnt lang, versuchte, die Herrschaft zu er-
langen.34 Von Theophanos Vater selbst, dem Patrikios Konstantinos Skieros, wissen wir

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recht wenig.35 Er war wohl jünger als der bedeutendere Bardas, geboren etwa 930, ver-
heiratet etwa um 958/59 mit Sophia Phokaina, der Tochter des damaligen Kuropalates
Leon Phokas und Nichte des späteren Kaisers Nikephoros Phokas. Konstantinos Skieros
stand zeitlebens im Schatten des älteren Bruders Bardas,36 für den er immer wieder, auch
bei Unterhandlungen37 mit Kaiser Basileios II. (976 - 1024), tätig war.

In dem Vertrag zwischen Byzanz und Bagdad von 983 war vorgesehen, daß Konstan-
tinos Skieros, unter Beibehaltung des wohl schon vor 969 innegehabten Ranges eines Pa-
trikios, zurückkehren und einen hohen Posten erhalten könne. Aber er blieb an der Seite
des Bruders Bardas. Im September 987 geriet Konstantinos, wohl mit seinem Bruder,
nahe der Station Dandaxina38 (toqojioiov), in Gefangenschaft, wo er bis April 989 ver-
blieb. Im Oktober 989 unterwarfen sich beide Brüder Kaiser Basileios II.39, zu dem des
Bardas Sohn Romanos vorher schon übergewechselt war. Den Winter 990/91 verbrach-
ten die Brüder Bardas und Konstantinos auf ihren Besitzungen in Didymokichon (48 km
südl. von Adrianopolis)40, beide wohl schon krank41 - beide starben auch innerhalb einer
Woche: Bardas am 6. März, Konstantinos am 11. März 991 - etwa 3 Monate später war
auch des Konstantinos Tochter, Kaiserin Theophanu, tot. Über das Schicksal der Sophia
Phokaina, Konstantinos' Gemahlin, ist nichts bekannt. Es erscheint fraglich, ob sie 976
noch lebte, da Konstantinos seitdem nie von der Seite des Bruders Bardas wich.

Über Theophanos Jugend und Erziehung lassen sich nur Analogieschlüsse42 ziehen
und die recht allgemeine Ausführung in der Vita Mathildis43 antiquior c. 16 nutzen, die
Theophanus Gemahl, Kaiser Otto IL, in Auftrag gegeben hatte: ,augusti de palatio', was
wohl so interpretiert werden muß, daß sie eine Erziehung am Hof erhalten hat. Der beste
Beweis für Theophanos hervorragende Erziehung und Bildung ist freilich ihr späteres
Leben und Wirken, vor allem auch die Erziehung ihres Sohnes, die sie teilweise selbst
übernahm.44 Immerhin hat die etwa 12-jährige den Wert des Privilegs D O. IL, Nr. 21 als
des Dotal-Privilegs schon 972 soweit erkannt, daß sie die berühmte kalligraphische
Prunkausführung45 durchsetzte.

Wir wissen nichts über Theophano als Tochter ihrer leiblichen Eltern, weder vor noch
nach ihrer Reise in den Westen.

Doch auf ihren Schwiegervater, den 60-jährigen Otto I., scheint sie 972 großen Ein-
druck gemacht zu haben, da er sie, entgegen einer starken Strömung am Hof, nicht
zurückschickte, sondern ihr sein Wohlwollen schenkte.4' Über Theophanus damaligen
Eindruck auf ihre Schwiegermutter47 wissen wir nichts. Auch über das Verhältnis der
jungen Frau zu ihrem Gemahl wissen wir für die Anfangsjahre nicht allzu viel: die Hoch-
zeit fand am 14. April 972 statt,48 drei Tage später wurde das Beilager vollzogen.49 Daß
Theophanu in den Diplomen Ottos II. als ,dilecta', ,dilectissima', ,airissima' (coniunx, con-
tectalis, etc.) bezeichnet wird,50 sagt wenig. Mehr schon, daß Otto, ab Mitte der siebziger
Jahre, in politicis offenbar zunehmend ihrem Rat folgte und die Mutter Adelheid an Ein-
fluß verlor.51 In diese zweite Hälfte der siebziger Jahre fällt auch, wie die Geburten der
Kinder Adelheid (977), Sophia (978), Mathilde (979) und Otto (980) zeigen,52 eine intensi-
ve eheliche Beziehung zwischen Otto und Theophanu.

Inwieweit die Geschicke der Skleroi in Byzanz Theophanu näher zu Otto führten, ist
unklar, denn wir wissen nichts über ihre Verbindung zu ihren Verwandten in Byzanz.
Entgegen allgemeiner Meinung53 und meiner eigenen früheren54, bin ich aber jetzt der
Auffassung, daß, nach dem Tod des Johannes Tsimiskes 976 und der Niederlage von
Theophanus Vaterbruder Bardas 979,55 Theophanu nicht die treibende Kraft von Ottos II.
Unternehmung in Süditalien 981/82 war, sondern sich eher, in Kenntnis der byzantini-

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