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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0205

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sehen Meinung56 und Flottenstärke, dagegen ausgesprochen hatte, was zur zeitweiligen
Verstimmung zwischen den Ehegatten führte.57 Doch scheint sich das wieder gegeben zu
haben. Theophanu pflegt den schwerkranken Gemahl November/Dezember 98358 in
Rom und als sie im Dezember 989 - sechs Jahre danach - wieder in Rom weilte, gedach-
te sie in Trauer des Verstorbenen.59

Uber das Verhältnis Theophanus zu ihren Töchtern ist wenig zu sagen:60 sowohl
Adelheid wie Sophia und Mathilde kamen schon früh zur Erziehung ins Kloster. Adel-
heid nach Quedlinburg, Sophia nach Gandersheim, Mathilde nach Essen, Sophia wohl
schon als Säugling.61 In Gandersheim wurde sie früh selbständig,62 folgte aber offenbar
der Autorität ihrer Mutter.63 Ob Theophanu ihre Zustimmung zur Verbindung der Toch-
ter Mathilde mit Pfalzgraf Ehrenfried (Ezzo) gab, ist nicht ganz klar.64 Nur Theophanus
Verhältnis zum Thronfolger, dem im Sommer 980 geborenen Otto (III.), ist bekannt: ihm
galt auch seit 984 ihr ganzes Wirken und Sorgen. Er war für sie die Verkörperung der
Kaiseridee, das Versprechen an die Zukunft des Imperiums, er war der ,purpurgebore-
ne' Erbe des Reiches: ,regnumquefilii eius custodia servabat'a -dum quadam quasi compe-
de totum sua ditione colligasset imperium'66 - ,Die eingehende Erforschung ihrer Tätigkeit
als Vormünderin ihres Sohnes muß zu dem Urteil führen, daß Theophanu eine der be-
deutendsten Frauen war, die das Schicksal auf einen Herrscherthron geführt hat.'67 So
lautet das Urteil über ihre Wirksamkeit vom 10. bis zum 20. Jahrhundert.

Theophanu hatte offenbar recht klare Vorstellungen: religiös, ohne zu vergessen, was
sie in Byzanz gelernt hatte, daß der Kaiser nächst Gott und Christus der Erste sei - das
Widmungsbild des Liuthar-Evangeliars68 zu Aachen trifft genau ihre zentrale Überzeu-
gung, die sie auf den Sohn vererbte. Dabei ist erstaunlich, wie sehr Otto III. in seiner ge-
samten Kaiserauffassung, der Sohn seiner Mutter ist: das gilt für das Verhältnis Kaiser -
Papst, im Hinblick auf Osteuropa, wofür m. E. die entscheidende Konzeption zwischen
Theophanu und dem hl. Adalbert von Prag, Ende 989/Anfang 990 in Rom, in wesentli-
chen Zügen entworfen wurde.69 Vorstellungen, die Adalbert dann später, 996, Otto III.
eingehend erläuterte und die dieser dann spürbar aufnahm. Dieser Konzeption lag das
byzantinische Vorbild der Jamilia regum'70, der geistlichen Filiation der reges und duces an
den pater, den Kaiser, zugrunde. Die geistliche Compaternität feiert lange nach der
frühen Karolingerzeit,7' zur Zeit Ottos III., durch diesen eine glänzende Erneuerung: Po-
len, Ungarn, Venedig. Dabei wird auch die byzantinische Christomimesis und der Isapo-
stolat des Basileus bei Otto III. zu ,servus Christi', ,servus apostolorum' ,n ,Romam caput
Wundi profitemur'P Es ist kaum abwegig, hier Theophanus Einfluß auf ihren Sohn zu ver-
muten. Das gilt auch für die gesamte ,Ostpolitik' Ottos III. Dabei ist zu beachten, daß es
^ohl nicht der Papst war, der 989/90 die Verbindung zu Anna, der Schwester Kaiser Ba-
sileios' II. und ihrem Gemahl (seit Ende 989)74 Vladimir von Kiev suchte, sondern aller
Wahrscheinlichkeit nach Theophanu75, die Anna Reliquien sandte - auch diese Verbin-
dung nach Kiev nahm Otto III. später auf.76 Schwieriger ist zu beurteilen, inwieweit Otto
^1. die ,Westpolitik' seiner Mutter fortsetzte. Das Ausscheiden des alten,,legitimen' Ge-
schlechts der Karolinger 987 schuf veränderte Verhältnisse. Der Tod des ersten Kapetin-
gerkönigs Hugo, am 24. Oktober 996, änderte wiederum die Lage. Am Wechsel von 987
war Theophanu, durch Erzbischof Adalbero von Reims, der im Januar 989 starb, sicher
mittelbar beteiligt77. Damit begann der große Reimser Kirchenstreit, der bis 996 und letzt-
lich mit zum Bündnis zwischen Kaiser und Papst führte, das Otto III. ein wesentliches
Übergewicht über den französischen König Robert brachte.78 So hatte, langfristig, die
'Westpolitik' Theophanus für ihren Sohn Früchte getragen, die freilich von nicht allzu

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langer Haltbarkeit waren und nach Ottos III. Tod 1002 bald eingingen. Wesentlich hatte
aber die Heranziehung Gerberts von Aurillac durch Theophanu schon 983,™ bald nach
Ottos II. Tod, zur großen Politik und zum Einfluß des Kaisertums auf Frankreich, über
den Angelpunkt Reims, beigetragen. Der Aufstieg Gerberts zum ersten Berater Erzbi-
schof Adalberos und Leiter der Reimser Domschule, zum Elekten von Reims 991, zum
Erzbischof von Ravenna 998, zum Papst im März 999 - das kennzeichnet die Vertrauens-
stellung, die Gerbert schon seit 980, vor allem aber seit Ende 983 innehatte, nicht zuletzt
dank des Vertrauens der Kaiserin Theophanu, deren Geheimbotschafter er oft geradezu
war. So hat 983/984 Theophanu schon die Weichen der Westpolitik, für wenigstens eine
Generation, gestellt. Auch die Italienpolitik nahm sie schon 988, durch die Wiederein-
richtung der italischen Kanzlei und die Ausstellung von Privilegien für italische Emp-
fänger, wieder auf80 und ordnete 990 die Finanzverwaltung der Lombardei neu,81 übte
990 Hoheitsrechte im Excarchat Ravenna aus82 - Grundlagen der Herrschaft für ihren
Sohn in Italien.

Gerade hier, im angestammten Herrschaftsgebiet der Kaiserin Adelheid, mußte es zu
Spannungen mit dieser kommen, die sich freilich nicht auf Italien beschränkten. Weit
zentraler war die Frage der Gütervergabe an die Kirche. Wenn ich recht sehe, hat hierbei
Theophanu gegenüber Adelheid eine zurückhaltendere Haltung eingenommen - zugun-
sten der Verfügungsgewalt des Königs.83 Das hat ihr mancherlei Anfeindungen, vor al-
lem auch aus dem kirchlichen Anhang Adelheids,84 eingetragen. Es wäre aber absolut
falsch, aus diesem Eintreten der Kaiserin Theophanu für das Königs-(Kaiser-)Recht ihres
Sohnes ableiten zu wollen, sie sei nicht tief religiös gewesen.85 Neben vielen Schenkun-
gen an die Kirche, die sie auch machte, vor allem an das geliebte Kloster St. Pantaleon86 in
Köln, ihre spätere Ruhestätte, an Echternach87 und andere, neben ihrer Heiligenvereh-
rung, die besonders St. Pantaleon68 und St. Albinus,89 aber auch St. Laurentius galt, des-
sen, von ihrem Gemahl durch Aufhebung des Bistums Merseburg, verletzten ,honor' sie -
der eine Vision St. Laurentii zuteil geworden war - sowohl durch reiche Gaben an S.
Adalbert, für dessen beabsichtigte Wallfahrt nach Jerusalem,90 als auch ihren Auftrag an
den Sohn Otto III. zur Wiederherstellung des Bistums,91 wiederherzustellen gedachte.

Nein - Theophanu war eine fromme Frau, aufgewachsen am Hof des fast mön-
chisch frommen Kaisers Nikephoros II. Phokas. Böse Nachreden der Hartherzigkeit ge-
genüber ihrer Schwiegermutter,92 Zynismus,93 Eitelkeit94 und unerlaubter Beziehungen,95
sind böse Verleumdungen. Stolz war Theophanu freilich auf ihre Abkunft, auf ihre Er-
ziehung, wohl auch - und das zu Recht - auf ihre eigene Leistung. Stolz aber vor allem
auf ihre kaiserliche Würde, der auch die äußerlichen Zeichen dieser Würde kannte,
schätzte und nutzte.

Wenn es denn zutrifft, daß der Großteil des Zeremonialschmucks aus dem soge-
nannten ,Hort der Kaiserinnen' (früher fälschlich: Gisela-Schmuck) zur Hochzeit und
Krönung Theophanus 972 gefertigt wurde,96 wenn der Einband des Perikopenbuchs Kö-
nig Heinrichs II. im Bamberger Domschatz tatsächlich ursprünglich ein Stemma Theo-
phanus war,97 wenn wirklich viele der wertvollsten Goldschmiedearbeiten98, die, über
Otto III. und seine Schwestern, über die Ezzonen und Heinrich II. in Kirchenbesitz ge-
langten, aus Theophanus Mitgift stammten, so wäre dies beachtlich. Zweifellos hat Theo-
phanu selbst und über ihren Gemahl die künstlerische Entwicklung im Westen beein-
flußt und gefördert. Dennoch wäre es falsch zu glauben, Theophanu habe im Westen
eine tabula rasa der Kunst vorgefunden und erst durch sie sei der Einfluß byzantinischer
Kunst nach dem Westen gelangt. Diese Lehrmeinung der älteren Kunstgeschichte99 ist

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