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Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

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https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0215

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(Willegisum appetit)," der gern zusagte (Quod ipse libens annuit). Diese Sophia12 war die
zweite Tochter und das zweite von den fünf Kindern Ottos II. und der Theophanu, gebo-
ren wahrscheinlich 978" als Kaisertochter. Am 27. September 979 übergab Otto II., mit
Willen

und Beistand seiner Gemahlin Theophanu, seine etwa einjährige Tochter dem
Kloster Gandersheim zur Erziehung, dem seine Verwandte Gerberga (t 1001)" als Äbtis-
sin (seit 957) vorstand.15 Längere Zeit hören und wissen wir nichts über Sophia16, können
nur aus der Erziehung Hrotsvits von Gandersheim schließen, daß auch Sophia durch
Gerberga eine gute Erziehung genoß17. Freilich durfte sie, als Kaisertochter, auch beson-
derer Aufmerksamkeit, seitens der Äbtissin, sicher sein.

Als Otto II. mit seiner Gemahlin, im Oktober 980, nach Italien zog, scheinen seine drei
uberlebenden Töchter Adelheid, Sophia und Mathilde in Deutschland geblieben zu sein
~ Sophia höchstwahrscheinlich in Gandersheim". Der Kronprinz Otto (III.) hingegen
scheint mit seinen Eltern nach Italien gezogen zu sein1', aber wohl im Sommer 983, mit
Erzbischof Willigis von Mainz, wieder zurück nach Deutschland, wo er in Aachen, am
25. Dezember 983 - 18 Tage nach seines Vaters Tod in Rom, von dem man aber noch
nicht wußte - zum König gekrönt wurde.

Sophia erlebte all' dieses, vielleicht ausgenommen die Krönung ihres Bruders Otto in
Aachen20, wohl in Gandersheim, auch in den Jahren 984/85 die Kämpfe um die Herr-
schaft, als Heinrich der Zänker, Bruder der Äbtissin Gerberga von Gandersheim und
Vetter von Sophias Vater, nach der Krone strebte. Vielleicht hat gerade Gerberga sie vor
dem Schicksal von Sophias Schwester Adelheid, die von Heinrich geraubt und ,zur Er-
Zlehung' nach der Burg Ala gebracht wurde21 und Ottos (III.), der sich ebenfalls in Hein-
richs Gewalt befand (bis Mai 984)22, bewahrt. Am 18. Oktober 989 stand Sophias Weihe
1111 Kloster Gandersheim an - sie war damals etwas über elf Jahre alt.

Dazu berichtet, wie oben schon erwähnt, Thangmar, der Lehrer und spätere Biograph
^ernwards von Hildesheim, also wohl ein gut unterrichteter, wenngleich nicht ganz neu-
raler Gewährsmann: (c. 13) Sed secundi imperatoris Ottonis filia,fomes ut pace omnium di-
carn huhismodi ... dissensionis, dum a suo episcopo, domno videlicet Osdagon, sacrum velamen
occipere spernit, Willegisum appetit, indignum aestimans nisi a palligero consecrari'.

Wie schon gesagt - es ist hier nicht der Ort darauf einzugehen, ob Gandersheim zu
Büdesheim oder unmittelbar zu Mainz gehörte, obwohl m. E. das Recht Hildesheims zu
verrnuten ist.24 Wichtig für uns hier ist, daß die erst elfjährige Sophia25 ,Politik' machte,
'ndem sie Erzbischof Willigis von Mainz als ,Palliumsträger',anging', sie zu weihen. Ma-
thilde Uhlirz glaubt, in Sophia das Werkzeug in den Händen ehrgeiziger Frauen, die sich ihrer
edient haben, zu erkennen, führt aber später selbst aus27:... die ränkesüchtige, herrschsüchti-
Se Prinzessin Sophia hatte leichtes Spiel, den alternden Mann (Willigis) für sich zu gewinnen.™

Abgesehen davon, daß sich nirgends in den Quellen ein Anhalt dafür gewinnen läßt,
^er hinter Sophia ,gesteckt' haben könnte (sicher nicht ihre Äbtissin Gerberga), wider-
spricht Mathilde Uhlirz in beiden Zitaten sich selbst und Thangmars Quellenzeugnis.

Entgegen einigen Angaben in der einschlägigen Literatur, Willigis habe seine An-
brüche auf Gandersheim schon 987 geltend gemacht, habe ich dafür keinerlei Anhalts-
punkte in den Quellen gefunden. Im Gegenteil: Thangmar spricht ausdrücklich davon2',
aß Sophia der fomes, der Zündfunke 989 war und Willigis (nur) zustimmte: Quod ipse li-
ens annuit. Der Anspruch scheint also in der Tat nicht von ihm ausgegangen zu sein,
Wenngleich er die Gelegenheit, wohl nicht ungern (,libens'), nutzte.

Ist aber Sophia eben nicht bloßes ,Werkzeug', sondern mit ihren elf Jahren die frei-
ende Kraft, so läßt sich auf Willensstärke und Persönlichkeit der Prinzessin schließen,

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die außergewöhnlich gewesen sein müssen. So stark war 989 immerhin schon ihr Wille
und ihr Einfluß im Verein mit Willigis, daß zwar Ottos HJ., ihres königlichen Bruders,
und der Kaiserin Theophanu, ihrer Mutter, Grundsatzentscheidung lautete, daß der Erz-
bischof von Mainz kein Recht in Gandersheim habe, dennoch beide Sophia aber insoweit
nachgaben, ut domnae Sophiae velationem simul agerent, das heißt der Erzbischof von
Mainz und der Hildesheimer Bischof die Weihe gemeinsam vornehmen sollten. So ge-
schah es und damit war der sogenannte ,Gandersheimer Streit' zunächst, für etwa elf
Jahre, beigelegt.

Sophia lebte nach Oktober 989 zunächst im Kloster Gandersheim. Im Juni 990 scheint
sie, mit ihrem Bruder Otto III. und Erzbischof Willigis von Mainz, die aus Italien zu-
rückkehrende Kaiserin Theophanu empfangen zu haben. Im August 990,30 in Ganders-
heim, ist sie in einer Urkunde Ottos III., in der er dem Stift Gandersheim Marktrecht ver-
leiht, mit Theophanu und der Äbtissin Gerberga Intervenientin31 - wenige Tage später
schenkt Otto III. seiner ,lieben Schwester' (carae sorori) Besitzungen an der oberen Leine.32

Am 15. Juni 991 starb Theophanu33, Sophias Mutter, als diese 13 Jahre alt war - ihren
Vater hatte sie mit fünf Jahren verloren. Bei Theophanus Tod lassen sich ihre Kinder
nicht am Sterbeort Nimwegen nachweisen - auch nicht bei der Beisetzung in Köln (St.
Pantaleon), obwohl die Teilnahme an letzterer wahrscheinlich ist.

Auf dem Hoftag in Grone, 992 Juli 6,M waren neben der Kaiserin Adelheid, Sophias
Großmutter, auch Otto III., ihr Bruder, die Äbtissin Mathilde die Ältere, ihre Tante, Erz-
bischof Willigis und Bischof Hildebald von Worms anwesend - wohl auch Sophia, nicht
aber ihre ältere Schwester Adelheid.

Am 7. Dezember 992 stirbt in Como Bischof Gerdag von Hildesheim35 und am 15. Ja-
nuar 993 weiht, in Gegenwart König Ottos III., Erzbischof Willigis, als Metropolit, den
Lehrer Ottos, Bernward, zum Bischof von Hildesheim.36

Ab Winter 993/94 erscheint die nun fünfzehnjährige Sophia sehr häufig - wenn nicht
fast immer - am HoP7 ihres dreizehnjährigen Bruders Otto, tritt häufig als Intervenientin
auf, empfängt große Schenkungen, übt politischen Einfluß auf ihren Bruder aus, der sie
als cara soror sanctimonialis Sophia3* bezeichnet.

Auch als Otto, Ende September 994, in Solingen35 mündig wird, ist Sophia anwesend
und zieht danach mit Otto, der Kaiserin Adelheid, der Äbtissin Mathilde der Älteren
über Memleben (Pfalz, Sterbeort König Heinrichs I.) nach Ingelheim. Am 23. November
994 ist sie, wohl mit Otto III., in Bruchsal und feiert mit ihm Weihnachten 994 auf Burg
Erstein am Rhein. Auch Ostern (21. April) 995 ist sie bei Otto auf dem Aachener Hoftag.

Von unmittelbaren politischen Aktivitäten Sophias wissen wir, zwischen 989 und
Herbst 995, nichts40. Dagegen spielte sie, nachweislich, im Herbst 995, bei der Neubeset-
zung des Bistums Cambrai41 eine merkwürdige Rolle ....... die zu ihrem geistlichen Stand nicht

paßte0. Sie favorisiert einen eigenen Bewerber, den Ascelin von Droughen bei Gent, Bastard
des Grafen Balduin von Flandern, der diese sehr lebenslustige und geldbedürftige Prinzessin So-
phie durch Bestechung für sich gewonnen und auf diese Weise versucht hatte, das reiche Bistum zu
erhalten." Sophias Intervention zugunsten Ascelins ist nachweisbar - der Grund nicht.

Doch Otto III. folgte nicht Sophias Vorschlag, sondern dem seiner Tante Mathilde der
Älteren. Dennoch scheint beim König und seiner Schwester keine erkennbare Verstim-
mung geblieben zu sein.

Es fällt auf, daß Mathilde Uhlirz Sophia als lebenslustig' und ,geldbedürftig', mit
deutlich tadelndem Unterton, bezeichnet. Für letzteres finde ich in den Quellen keinen
Anhalt, wohl aber für ersteres.

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