Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Wolf, Gunther
Satura mediaevalis: Gesammelte Schriften ; Hrsg. zum 65. Geburtstag (Band 2): Ottonenzeit — Heidelberg, 1995

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15264#0216

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Thangmar schildert den Sittenverfall' in Gandersheim (c. 14) sicher nicht sine ira et
studio, wenn er schreibt: ,Sed postquam luxas ac superfluitas accessit, morum insolentia subin-
travit, oboedentia torpuit, und Sophia, quoque, domna Gerburga invüa multumque renitente, ad
Palatium/actione Willegisi archiepiscopi se contulit, ibique annum vel biennium commorata, dis-
solubilis vitae tramitem incedens, varium de se sparsit rumorem. Und der von Thangmar wohl
nicht unabhängige Wolfher schreibt um 103544: Tarn autem domna Gerberga abbatissa senio et
egritudine fatigata, praefata Sophia verae priscaeque religionis in qua primo condigne florebat, ut
e« etas adsolet oblita, ad palatium sefratre id quia puer erat non abnuente contulit, ibique per bien-
n'um commorans, inhonesta de sese rumoris opinione diffusa dissolubilius debito vixit.

Jedenfalls scheint Sophia schon damals, Mitte der Neunziger Jahre, Anlaß zu Gerüch-
ten gegeben zu haben, was ihren Lebenswandel' anlangte. Ob man sich nur daran stieß,
daß sie als Klosterfrau am Hof lebte, oder ob mehr dahinter steckt, ist nicht zu entschei-
den.

Ihr Diözesanbischof Bernward von Hildesheim scheint sie ermahnt zu haben. Sie rea-
gierte, zunächst wohl ausweichend, dann aber15 ad archiepiscopum (Willigis) velut patrocin-
anda ... confugit, a maioribus verbis eius animam exasperavit ... His et huiusmodi verbis ar-
£hiepiscopi animum adversus domnum Bernwardum graviter commovit. Post haec Ganders-
heim repetit, varia de episcopo (Bernward) inter sorores disseminavit, nisu quo poterat illutn loco
expellere atque abalienare parabat. Eindeutig gab wohl Sophias Einfluß auf Willigis, bei dem
Sle,Zuflucht' suchte, zu Gerüchten Anlaß. Unklar bleibt, ob dies schon zwischen 993 und
"6 der Fall war oder erst später, etwa 997 oder 1000.

Bei der Einkleidung ihrer Schwester Adelheid, die erst am 8. Oktober 99516 (also sechs

Jahre später!) in Quedlinburg erfolgte, ist Sophia ebenso anwesend wie die Kaiserin

Adelheid und Otto HL Dann zieht sie mit Otto nach Essen (Oktober), Mainz (November),

Aachen und Frankfurt und feiert dort, mit Otto und Mathilde der Älteren, Weihnachten
995.«

Auch auf Ottos III. erstem Italienzug (996 Februar - 996 August) ist, neben Erzbischof
Willigis, auch Sophia dabei und Augenzeugin von Ottos Kaiserkrönung am 21. Mai
99648, ebenso wie bei der Papstbenennung Bruns von Kärnten (Gregor V.)4' durch Otto
III. in Cremona, am 20. April 996=°.

In dieser Zeit ist Sophia, im sogenannten ,Cremoneser Streit', an Ottos Hof auch poli-
tisch, auf Seiten Erzbischof Willigis', gegen Otto selbst und den Kanzler Heribert (später
Erzbischof von Köln ab 999)," aktiv. Dabei mußte Otto offenbar allmählich nachgeben52 -
dennoch war Sophia für ihn die carissima soror. Anfang Juni 996 zog Erzbischof Willigis
^ieder nach Deutschland zurück53, erst Mitte August 996 der Kaiser54. Ob Sophia mit
Willigis nach Deutschland zurückging oder mit ihrem Bruder, wissen wir nicht55. Doch
lst sie als Intervenientin in D. O. III., Nr. 233, einer der ersten bekannten Urkunden Ottos
ttach seiner Rückkehr aus Italien, 996 November 6, nachweisbar, war wohl auch im
gerbst und Winter an Ottos Hof (Oktober: Bruchsal, Oktober/November: Selz, Dezem-

er: Nimwegen), interveniert am 6. November gemeinsam mit Erzbischof Willigis56 und
lst< nach wie vor, dilecta nostra soror Sophia Ottos. Wahrscheinlich ist Sophia auch Weih-
nachten 996 bei Otto in Köln. Danach ist sie wohl wieder einige Zeit in Gandersheim -
aenn am 7. Mai 997 kommt sie von dort zur Weihe des Nonnenklosters nach Walbeck57
^d trifft dort Otto und Mathilde die Ältere. Otto zieht weiter nach Merseburg5* und am

• Juli, in Gandersheim5', schließt sich Sophia ihm wieder an, ist am 17. Juli, mit Erzbi-
schof Willigis, Intervenientin60 (dilecta soror nostra Sophia) - auch Willigis wird im Juli

y'61 noch als fidelis noster bezeichnet.

416

Der Kaiser zieht über Eschwege und Mühlhausen in den Westen nach Köln (Mitte
September 997) und weiter nach Aachen (29. September 997), wo er den Herbst und Win-
teranfang verbringt.

Noch in der Besitzbestätigung Ottos III. für Bischof Johannes von Mantua interveniert
Sophia als dilectissima soror in Aachen, am 1. Oktober 99762 - auch Bischof Bernward von
Hildesheim war anwesend63, der Sophia wohl zur Rückkehr ins Klosterleben, nach
Gandersheim, ermahnt hat.

Bald nach dem 1. Oktober scheint Sophia aber, ebenso wie Erzbischof Willigis, ihren
Einfluß auf Otto III. verloren zu haben, ja sogar in Ungnade gefallen zu sein.

Über die Gründe schreibt Mathilde Uhlirz64: Der letzte Anstoß bleibt uns also auch hier
verborgen. Mit Willigis ist Sophie, die Schwester des Kaisers, die noch in Aachen an seiner Seite
weilte, plötzlich in ihr Klosterdasein zurückverwiesen worden. Nie mehr wird ihre Anwesenheit
am Hofe ihres Bruders erwähnt und es muß ein Zerwürfnis schwerster Natur gewesen sein, das
ihn bewogen hat, sich von seiner ,dilectissima soror', wie sie noch in der Urkunde vom 1. Oktober
99765 genannt wird, zu trennen1.. Und in einer Anmerkung fügt sie hinzu66: Möglich ist, daß
schon damals der Streit um das Kloster Gandersheim ... ihre Beziehungen zum Kaiser getrübt hat.

Tatsache ist zunächst, daß die sonst immer wieder und häufig am Hof Ottos HI. nach-
weisbare Sophia, bei Ottos III. Abschied, vor dem Aufbruch zum zweiten Italienzug, in
Aachen Ende November/Anfang Dezember 997, wohl schon nicht mehr in Ottos Umge-
bung war67. Dagegen ist sie, als ihre und Ottos Schwester Adelheid, am 29. September 99968
in Quedlinburg, zur Äbtissin dieses Klosters geweiht wird69, anwesend. Otto war zu der
Zeit in Italien, so daß seine Abwesenheit und Sophias Anwesenheit dabei nichts aussagen.

Als der Kaiser, aus Italien kommend, im Januar 1000, im Kloster Staffelsee eintraP,
soll Sophia ihn zusammen mit Adelheid, ihrer Schwester, empfangen haben, Doch ist
das nicht ganz klar. Jedenfalls taucht sie, im Gegensatz zu Adelheid, die als Intervenien-
tin jetzt - und erst jetzt! - hervortritt71 (per amorem dilectae suae sororis Adelheidae), als sol-
che bis zu Ottos Tod (1002 Januar 23) nicht mehr auf.

Im Frühjahr 1000 (April 10)72 weiht zwar Erzbischof Willigis, in Anwesenheit Ottos
III., Burchard von Worms zum Bischof - doch ist zwischen ihm und Otto jetzt Distanz.

Im Frühjahr 1000 reist Adelheid dagegen, in Ottos Begleitung,73 von Mainz über Köln
nach Aachen und ist dort auf dem Hoftag, im Mai 100074, wo die für Otto so wichtige Öff-
nung des Grabes Karls des Großen stattfindet, ebenso nachweisbar wie Ottos jüngste
Schwester Mathilde mit ihrem Gemahl Ezzo - nicht aber Sophia.

Auch verabschiedet sich Otto am 22. Mai 1000, vor seinem dritten Italienzug, den er
Ende Juni 1000 antritt75 und von dem er nicht mehr lebend zurückkommen sollte, aus-
drücklich nur von seiner Schwester Adelheid - nicht aber von Sophia.

Gleichsam aber, als habe sie des kaiserlichen Bruders Abwesenheit nur abgewartet,
tritt Sophia schon am 14. September 1000 wieder ins Rampenlicht. Sie hatte für die alte,
damals etwa sechzigjährige und kränkelnde, Äbtissin Gerberga alle Vorbereitungen für
die bevorstehende Kirchenweihe in Gandersheim übernommen. Mit Erzbischof Willigis,
nicht mit dem zuständigen Bischof Bernward von Hildesheim, wurden von Sophia alle
Vereinbarungen getroffen76. Dagegen hetzte sie gegen Bernward, dem sie wohl auch per-
sönlich, ob seiner Haltung ihr gegenüber, gram war, den aber die Äbtissin Gerberga zur
Kirchweihe, am Kreuzerhöhungsfest zum 14. September77 1000, eingeladen hatte. Willi-
gis jedoch, wohl im Einvernehmen mit Sophia, die sich damit über die alte Äbtissin hin-
wegsetzte, änderte kurzfristig den Weihetermin auf St. Matthaei (21. September) und be-
fahl Bernward, zu diesem Termin nach Gandersheim zu kommen.

417
 
Annotationen