Eine Kaiſerkrönung in Byzantion. 91
regierung und der Geiſtlichkeit, endlich inmitten von ſeinen Eunuchen,
ſeiner Leibwache (den Barangen oder Warägern), die meiſt aus
Fremdlingen beſtand, und zwar aus den hochgewachſenen, blonden
Söhnen des rauhen Nordens von Europa, aus Skandinaviern und
Engländern mit ihren blitzenden Streitäxten, und Edelknaben aus
den edelſten Familien des Reiches, der alte Kaiſer und der neu
ernannte folgten. Der Zug durchſchritt drei große Wachtlokale,
zuerſt das Triklinion der Candidati, ſodann das der Excubitoren
und ſchließlich das der Scholä, alſo die Wachtlokale der kaiſerlichen
Palaſt- und Gardeparadetruppen. Von da aus betrat er die Chalke,
eine Vorhalle, ſo genannt, weil ſie mit vergoldeten ehernen Ziegeln
bedeckt war. Dieſe Halle führte auf das Auguſteon, den großen,
freien, mit Marmorplatten belegten Platz, der auf der Oſtſeite von
der Sophienkirche, dem Senatsgebäude und dem Magnaurapalaſt,
auf der Südſeite von dem großen Kaiſerpalaſte mit ſeinen verſchie—
denen Bauten, im Norden von der Galerie des Achilleus, welche
den Haupteingang des Palaſtes, eben die Chalke, mit der Sophien—
kirche verband, im Süden von einer vom Triklinion der Candidati
ausgehenden zum Magnaurapalaſt führenden Galerie begrenzt
wurde.
Es war um die achte Stunde Morgens, als ſich der feierliche
Zug den Augen des verſammelten Volkes zeigte. Und nun begann.
dort im Angeſichte der Maſſen eine neue Ceremonie, die Schild—
erhebung. Den vorderen Theil des Schildes hielten der Patriarch
von Byzantion und der Großvater des zu krönenden Kaiſers, Kaiſer
Andronikos II., die Seiten und den hinteren Theil die Deſpotai
und Sebaſtokratores, d. h. die Prinzen von Geblüt, denn meiſt
nur dieſe erhielten dieſe Titel (der letztere war erſt von Alexios I.
Komnenos geſchaffen worden), und die höchſten Würdenträger des
Reiches. So wurde der neue Kaiſer allem Volke gezeigt und
dieſes jubelte demſelben in den ſtereotypen Glückwünſchungsfor—
meln, die in Byzantion gäng und gäbe waren, in mehrmaligen,
gewöhnlich drei Salven entgegen, natürlich in der reſpektvollen
Entfernung, die bei allen kaiſerlichen Umzügen üblich war und
von den kaiſerlichen Truppen aufrecht erhalten wurde. Tauſend—
fach hallte der weite Platz von den Jubelrufen der Menge wider.
Dieſe Schilderhebung war eine Art von Huldigung des ganzen
Volkes der Hauptſtadt und ein ſolches Schauſpiel mußte man dem
großen Haufen gönnen; denn dieſer ſpielte in Byzantion noch eine
ganz andere Rolle als etwa in unſeren modernen Hauptſtädten.
Es gab kein ſchauluſtigeres Volk der Welt als dieſe neugierigen
und heißblütigen Rhomäer, und mißgönnte man ihm die Befrie—
regierung und der Geiſtlichkeit, endlich inmitten von ſeinen Eunuchen,
ſeiner Leibwache (den Barangen oder Warägern), die meiſt aus
Fremdlingen beſtand, und zwar aus den hochgewachſenen, blonden
Söhnen des rauhen Nordens von Europa, aus Skandinaviern und
Engländern mit ihren blitzenden Streitäxten, und Edelknaben aus
den edelſten Familien des Reiches, der alte Kaiſer und der neu
ernannte folgten. Der Zug durchſchritt drei große Wachtlokale,
zuerſt das Triklinion der Candidati, ſodann das der Excubitoren
und ſchließlich das der Scholä, alſo die Wachtlokale der kaiſerlichen
Palaſt- und Gardeparadetruppen. Von da aus betrat er die Chalke,
eine Vorhalle, ſo genannt, weil ſie mit vergoldeten ehernen Ziegeln
bedeckt war. Dieſe Halle führte auf das Auguſteon, den großen,
freien, mit Marmorplatten belegten Platz, der auf der Oſtſeite von
der Sophienkirche, dem Senatsgebäude und dem Magnaurapalaſt,
auf der Südſeite von dem großen Kaiſerpalaſte mit ſeinen verſchie—
denen Bauten, im Norden von der Galerie des Achilleus, welche
den Haupteingang des Palaſtes, eben die Chalke, mit der Sophien—
kirche verband, im Süden von einer vom Triklinion der Candidati
ausgehenden zum Magnaurapalaſt führenden Galerie begrenzt
wurde.
Es war um die achte Stunde Morgens, als ſich der feierliche
Zug den Augen des verſammelten Volkes zeigte. Und nun begann.
dort im Angeſichte der Maſſen eine neue Ceremonie, die Schild—
erhebung. Den vorderen Theil des Schildes hielten der Patriarch
von Byzantion und der Großvater des zu krönenden Kaiſers, Kaiſer
Andronikos II., die Seiten und den hinteren Theil die Deſpotai
und Sebaſtokratores, d. h. die Prinzen von Geblüt, denn meiſt
nur dieſe erhielten dieſe Titel (der letztere war erſt von Alexios I.
Komnenos geſchaffen worden), und die höchſten Würdenträger des
Reiches. So wurde der neue Kaiſer allem Volke gezeigt und
dieſes jubelte demſelben in den ſtereotypen Glückwünſchungsfor—
meln, die in Byzantion gäng und gäbe waren, in mehrmaligen,
gewöhnlich drei Salven entgegen, natürlich in der reſpektvollen
Entfernung, die bei allen kaiſerlichen Umzügen üblich war und
von den kaiſerlichen Truppen aufrecht erhalten wurde. Tauſend—
fach hallte der weite Platz von den Jubelrufen der Menge wider.
Dieſe Schilderhebung war eine Art von Huldigung des ganzen
Volkes der Hauptſtadt und ein ſolches Schauſpiel mußte man dem
großen Haufen gönnen; denn dieſer ſpielte in Byzantion noch eine
ganz andere Rolle als etwa in unſeren modernen Hauptſtädten.
Es gab kein ſchauluſtigeres Volk der Welt als dieſe neugierigen
und heißblütigen Rhomäer, und mißgönnte man ihm die Befrie—