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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Wolf, Georg Jacob: Alt-Münchner Sammlertypen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0071

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ALT-MÜN CHN ER

SAMMLERTyPEN

Die Freude am Sammeln von Kunstwerken scheint
der Menschheit eingeboren zu sein; zu allen
Zeiten gab es Kunstsammler, und das Kunst-
sammeln hat seine historischen Entwicklungs-
phasen durchgemacht wie die Kunst selbst. Aus
den Wunderkammern und Raritätenkabinetten
sind die modernen Gemäldegalerien hervorge-
wachsen : Kunstgegenstände und Kuriositäten
waren ursprünglich vereinigt. Natural-Abnormi-
täten, wie präparierte Krokodile, hingen in die-
sen Räumen neben Gemälden von Dürer und
Rubens, und niemand empfand das Abstruse dieses
Nebeneinander von sensationeller Panoptikums-
ware und Dokumenten höchsten, gottbegnadeten
Ingeniums. In alten Inventarien der kurbayeri-
schen Kunstkammer in München, die schon unter
den Münchner Herzogen Albrecht V. und Wil-
helm V. nennenswerte Werke aufwies, aber erst
unter dem glücklichen Dürer-Sammler Maxi-
milian I. zu ihrer Bedeutung aufstieg, liest man
von Gemälden, daß sie die Augen bewegten, „so
man an einem Schnürl zieht'': daneben sindY\ erke
von Altdorfer, Cranach, Grünewald verzeichnet.
Den modernen Typ des Kunstsammlers kannte
das alte München, das ich hier vorzüglich im
Auge habe, nicht; das Marchand-Amateur-Wesen
war diesen stillen beschaulichen Kunstfreunden
fremd, sie waren eher komische Käuze, Sonder-
linge, Spitzweg-Typen. Karl Trautmann erzählt
in einer seiner kulturhistorischen Plaudereien
vom alten München, daß es ihm gelungen sei,
etwa hundert private Kunstsammler im München
des 18. Jahrhunderts auszufinden und nachzuwei-
sen. Einige aus dieser Reihe mögen hier als cha-
rakteristische Sammlertypen aufziehen. Der Ge-
heimrat Franz von Mayr sammelte ausnehmend
gute Landschaften, er besaß besonders einen Schatz
von Gemälden Claude Lorrains; es war, wie
Sandrart von ihm schreibt, „sein größtes Vergnü-
gen, die ihm von Ihro Churfürstlichen Durch-
laucht aufgetragenen schwärstenReichs-Geschäfte
mit einem curiosen Kunst Cabinet von denen
allerrarsten Gemälden zu lindern". Der fleißig-
ste und fruchtbarste Sammler war indessen der
kurfürstliche Fiskalatsdirektor Eucharius von
Obermayer, der u. a. eine graphische Sammlung
mit 8000 Kupferstichen und 1474 Handzeich-
nungen, 2170 Bilder, ein Elfenbeinkabinett mit
fünfzig Stücken, eine Münzsammlung usw. besaß
und darüber einen Katalog von drei Foliobänden
anfertigte. Der Hofkammerrat Franz Josef von
Dufrene besaß „nur" 620 Gemälde, aber er war
ein Feinschmecker und Kenner; als er 1768 starb,
vermachte er dem Kurfürsten zur freien Auswahl
zwölf Bilder aus seiner Sammlung: dieses Legat

wurde angenommen und so kamen zwei Werke
Murillos, die alte Frau, die dem Jungen den Kopf
reinigt, und die Obstverkäuferinnen, ferner das
früher dem Hals zugeschriebene große Familien-
bild in die Pinakothek, die aus der alten kur-
fürsilichenGalerie her Vorgegangenist.EinMünch-
ner Magistratsschreiber sammelte nur Landschaf-
ten von Franz Joachim Beich und brachte es bis
auf achtzig Stück, während der Graf Preysing,
eben jener kunstsinnige Mann, der sich von Effner
das schöne Preysingpalais erbauen ließ, italie-
nische Kunstwerke bevorzugte und als Besitzer
eines großen Paolo Veronese nachweisbar ist. Der
Glasermeister Kircher besaß „eine sehr schöne
Kunstsammlung von Mahlereyen, Alabaster- und
Elfenbeinfiguren, Portraits in Biskuit von dem
Salzburgischen Künstl er Albani,vonKupferstichen
und Zeichnungen, Porzellän- und Antique-Ge-
schirren, dann sehr schönen Tierstücken in Thon.
von dem geschickten Hafner Furtner von Kel-
heim' . Ein um die Hebung des Münchner Schul-
wesens hochverdienter Mann, der Lehrer Ludwig
Fronhofer, war Besitzer einer ungewöhnlich
umfangreichen Graphik-Sammlung, darunter
mehr als fünfeinhalbhundert Blätter bayerischer
Künstler waren. Der Kaufherr Claudius Cler,
der Gastwirt Bögner im Tal, der Landschaftskassier
Doß, ein seinem Namen nach nicht zu eruieren-
der „Verwalter des Weißen Bräuhauses'', der
sonst als „bayerischer Bobespierre " verschrieene
Geheimrat „in geistlichen Angelegenheiten".
Johann Kaspar von Lippert, der kurfürstliche
Bibliothekar und Polyhistor Andreas Felix von
Oefele, der Bierwirt Lehenbauer — sie alle figu-
rieren nicht allein als Sammler, sondern auch
als Auftraggeber an die Künstler, deren München
damals doch nur ein sehr bescheidenes Häuflein
besaß. Huebner zählt in seiner um die Wende zum
19. Jahrhundert erscheinenden Statistik unter
den „hier lebenden Künstlern" nur vier Bild-
hauer, zwei Kupferstecher und einundzwanzig
Maler auf, von denen aber zahlreiche erst mit
Kurfürst Karl Theodor aus Mannheim gekommen
waren; in der Mitte des 18. Jahrhunderts besaß
München sicher nicht mehr als zehn Maler und
Bildhauer gleichzeitig. Für den Begriff „Künstler"
ist es bezeichnend, daß Huebner zu ihnen auch die
Mechaniker und Stiickbohrermeister, die Stein-
druckerund dieOrgel- und Klavierbauer zähltund
dem betreffenden Abschnitt seines Buches denSatz
vorausschickt: „Hier ist die Rede allein von schö-
nen Künsten, denn wer würde, ohne den Neid zu
reizen, jeden Künstler in seinem Fache, z. B. den
Töpfer, Schlosser, Tischler, Schneidermeister,
Schuhmacher etc. namhaft machen können?"

Wölf

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