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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Uhde-Bernays, Hermann: Zu Feuerbachs 100. Geburtstage: 12. September 1929
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0007

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ZU FEUERBACHS 100. GEBURTSTAGE

12. SEPTEMBER 1929

Anselm Feuerbachs 100. Geburtstag wird in
diesem Jahre in Deutschland durch drei Aus-
stellungen gefeiert: in Karlsruhe ist bereits eine
erlesene Auswahl seiner Bilder und Zeichnungen
gezeigt worden, in Nürnberg soll eine vor allem
seinen Jugendwerken gewidmete Übersicht ge-
geben, in München die Möglichkeit geboten
werden, das Gesamtwerk Feuerbachs betrachten
zu können. Deutsche Universitäten, nach Heidel-
bergs Vorgang, und deutsche Museen, im Ge-
folge von Karlsruhe, schicken sich an. besondere
Feiern zu veranstalten und Feuerbach mit ener-
gischer nationaler Betonung als großem Meister
der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts, zu-
gleich als Mahner und A orbild für Gegenwart
und Zukunft zu huldigen. Es scheint einzutre-
ten, was Feuerbach selbst ausgesprochen hat:
..Oft sehe ich hundert Jahre voraus, und wandle
durch alte Galerien und sehe meine eigenen Bil-
der in stillem Ernste an den Wänden hängen.
Zur Ruhe werde ich erst im Tode kommen.
Leiden werde ich immer haben, aber meine
\\ erke werden ewig leben."
Hat wirklich der kleine Kreis der Anhänger
Feuerbachs, der vor fünfzig Jahren dem leben-
den Künstler den ersten und einzigen Lorbeer-
kranz gereicht, sich so sehr ausgedehnt, daß wir
von seiner Popularität sprechen dürfen.von einem
innigen A ertrautsein, das nunmehr das ganze
deutsche A olk vor Feuerbachs Schöpfungen in
dankbarer Liebe und A erehrung vereinigt ? Sind
in der Tat die vielfachen und verschiedenartigen
A oraussetzungen — man pflegt sie mit der nicht
durchaus deckenden Formel der humanistischen
Bildung und Gesinnung zusammenzufassen —,
die zur Erkenntnis der Gesetze dieser Schöp-
fungen unentbehrlich sind, heute ohne weiteres
und in solchem Ausmaße gegeben, daß sogar
von einer allgemeinen L morientierung gegen-
über der Zeit von 1879 gesprochen werden
muß? Es wäre demnach die Anschauung des
künstlerischen Stils, der durch Feuerbachs Ent-
wicklung ausgebildet wurde, erst für die Gegen-
wart wirksam und lebendig geworden, nicht
minder als der literarische, dramatische, hero-
ische, ethische Gehalt des künstlerischen Ge-
dankens, der „Ideen", die Grundlage seiner
Kunst und edelster Bestand seiner Begabung

gewesen sind : wahrlich ..ein Ziel, aufs innigste
zu wünschen !"

Aber zwischen der leisen und nachdenklichen,
freien und innerlichen, aristokratischen Malerei
Feuerbachs und der in ihren eigenen Schlingen
verzappelnden, lauten und äußerlichen, ge-
dankenlosen demokratischen Alltagsmeinung des
Durchschnittsmenschen von 1929 besteht trotz
jener Beifallsbezeigungen nicht die allergeringste
Beziehung. \\ ollen wir uns alsoja nicht darüber
täuschen, daß auch dieser angeblich im Namen
einer Gesamtheit Feuerbach zum 12. September
dargebrachte Tribut nicht anders anzuerkennen
ist denn als eine Art von, sagen wir. historischer
Verpflichtung, die Jubiläen gerne beseht, um
die zum willkommenen Ereignis gebotenen A er-
anstaltungen subjektiv zu genießen und sofort
zu vergessen (wie wir soeben bei Schubert er-
fahren haben). Feuerbachs Zusammenhang mit
der hohen geistigen Kultur der Mitte des 19.Jahr-
hunderts, die noch von Goethe Wärme und
Nahrung empfangen hatte, ist so stark, der seit-
her namentlich im \ erlaufe der letzten beiden
Jahrzehnte erfolgte Lmschwung in materiali-
stisch-technischer Hinsicht so ungeheuer, daß
der historische Beweggrund leider nicht einmal
einer gewissen Berechtigung entbehrt. Freilich
enthält Feuerbachs Künstlertum, sein Sehnen
und A ollbringen, andere Elemente und Ausfor-
mungen, die völlig außerhalb der zeitlichen
Schranken stehen — sonst wäre Feuerbach nur
ein Epigone. Hier werden die Y\ enigen einzu-
setzen haben, die sein Erbe treu behüten, um es
rein und seinem tiefen Sinn gemäß vorbildlich
einer würdigeren Zukunft aufzubewahren, welche
an Stelle der historischen die hohe sittliche Ver-
pflichtung nicht mit Y\ orten, sondern mit Taten
zu bestätigen hat, auf die Feuerbachs Persönlich-
keit menschlich und künstlerisch hinweist.
Die individuellen, für das A erweilen des ein-
zelnen Kunstfreundes in der idealen Schönheits-
sphäre Feuerbachs maßgebenden Y\ erlunter-
schiede werden, bei Bevorzugung von Inhalt
und Gegenstand der Darstellung vor Formwir-
kung und Stil, allerdings von Ergebnissen hu-
manistisch gewonnenen A\ issens bestimmt. All-
gemein gesprochen, es hängt die Fähigkeit.
Feuerbachs künstlerische Tat in einem ihrer

Kunst für Alle, Jahrg. 45, Heft 1, Oktober 1929

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