Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

DOI Artikel:
Aus Vlamincks Memoiren
DOI Artikel:
Graf-Pfaff, Cäcilie: Westlicher und östlicher Impressionismus
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0238

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
)

Die Kunst des Haushalts, die Kochkunst, die de-
korativen Künste, der Haarkünstler . . .
Aber nehmen wir einen Augenblick an. diesesW ort
hätte Farbe. Sinn und Geschlecht wie früher ...
Modigliani war ein großer Künstler.

Wie der Mensch, so seine Malerei

Man treibt nicht irgendeine, man treibt ..seine"
Malerei.

Die Gruppenbildung aus Sympathie, die Schulen,
ihre Hauptvertreter und die Lehrer sind Späße.
welche mich nichts angehen. Ich habe für die
Fehler und 'S orzüge eines jeden Menschen Ver-
ständnis, wenn er nur sich selbst gehorcht. Y\ as
durch fremde Einflüsse an Eigentümlichkeit ver-
loren hat, ekelt mich an. Der Zusammenschluß
von mehreren läßt auf Schwäche des einzelnen
schließen. Sobald man nur erwägt, daß man Ge-
sellschaft brauche, um über eine gefährliche Stelle
hinwegzukommen, fürchtet man sich vor dem
Vlleinsein. Hat mir der Schöpfer unregelmäßige
Züge verliehen, dann vertraue ich nicht im ge-
ringsten den Verheißungen der Schönheitsinsti-
tute, die mein Gesicht in eine römische Kaiser-
maske verwandeln wollen.

Zu einem großen Kunstwerk gehört Ernst. Das
ist immer so. genau so wie in der Liebe. Aber
wer \om Ernst spricht, meint das klassische, und

wer an das klassische denkt, sieht den Louvre
vor sich ... und sogleich ersteht Italien mit all
seinen Museen. Meistern und Ruinen . . .
Y\ ie der Mensch, so seine Malerei! Daran glaube
ich mehr denn jemals. Den Charakter eines Men-
schen liest man leichter aus seinen Bildern als
aus den Linien seiner Hand. Alles drückt sich
darin aus : Ursprung, Umgebung, Einflüsse, Ge-
sundheit. Krankheit, das innere Gleichgewicht,
die Mängel. Mittelmäßigkeit, Adel. Bildung, die
Dummheit. Armseligkeit und \\ eite des Geistes.
Falls ich eines Tages Menschen zu richten hätte,
würde ich sie nach ihren Werken richten, dann
brauchte ich mir niemals einen Irrtum vorzu-
werfen.

Erbe unserer Zeil
\\ as hinterläßt unsere Zeit? Die Kunst unserer
Zeit? Theoretische Kunst, metaphysische Ma-
lerei, worin abstrakte Begriffe das Gefühl er-
setzen: Kunst, der geistige Gesundheit fehlt. Sie
beschränkt sich auf Spekulationen, sie macht An-
leihen beider Mathematik, der Geometrie. Zwan-
zig Jahrhunderte Kultur! Die Kunst des zwan-
zigsten Jahrhunderts plündert die Neger der El-
fenbeinküste aus und hält sich an die Menschen-
fresserderNeuenHebriden! Kunsttheorien haben
denselben ^ ert wie medizinische Rezepte: wer
daran glaubt, muß krank sein!

WESTLICHER UND ÖSTLICHER
IMPRESSIONISMUS

Immer mehr dringt alte chinesische Weisheit
und Kunst in unsern Gesichtskreis, und indem
unruhvollen künstlerischen Kämpfen und Su-
chen unsrerZeit glaubt man in den Offenharun-
gen allchinesischer Kunst Gemeinschaftliches,
l7äden tiefliegender Geistesverwandtschaft zu
linden. Besonders diebslIicheTuschmalereiist es,
in der man die gleiche Einstellung zur Natur
und die gleichen künstlerischen Schaffensprin-
zipien wie die des modernen Impressionismus
erkennen will. Diese Bilder aber, Landschaften,
die mit den allereinfachsten Miltein. einigen
frech hingeworfenen Klecksen und sparsamsten,
lein abgewogenen schwächeren Tönen doch tief-
ste Raumwirkung zeigen, jene mit wenigen Pin-
selstrichen hingezauberten Figuren, geistvoll und
vollendet im ersten Wurf, sind für unsre An-

schauung auf den ersten Blick nichts anderes
als mit unerreichbarer Kühnheit hingeworfene
Skizzennach einem Momenleindruck der Natur,
wie sie von der Hand eines großen Könners ent-
stehen: die Impression. Aber nicht die fremde
Formensprache allein ist es, die in diesen Werken
einen seltsamen Reiz ausübt, ein mystischer
Hauch lebt in ihnen und weist in ein rätselhaf-
tes Trau mland.denn die Wege des ostasiatischen
Künstlers sind grundverschieden von den un-
sern, einsam, weltfern und führen auf unge-
ahnte Höhen. Der Schlüssel zum Verständnis
der ostasiatischen Tuschmalerei ist, daß sie der
tiefste Ausdruck der chinesischen Mystik ist.
besonders des Zenismus, jener geheimen bud-
dhistischen Lein e, mit Elementen desTaoismns,
der zeitweise das geistige Leben Ostasiens be-

212
 
Annotationen