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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Heft 12, September 1930
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Arens, Franz: Reformation und Bildende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0423

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REFORMATION UND BILDENDE KUNST

Im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession
liegt die Frage nahe, wie sich wohl der Glaubens-
wandel auf die bildende Kunst ausgewirkt haben
mag. Daß eine so wesentlich auf das (gesprochene
oder gesungene) „Wort" gerichtete und gestützte
Geistesbewegung der bildenden Kunst keine so
unmittelbaren Antriebe geben konnte wie den
redenden Künsten, liegt ja wohl auf der Hand.
Aber es ist anderseits abwegig, wenigstens bei
den deutschen Reformatoren (der Kalvinismus
geht hier eigene, seinem starken intellektuellen
Zug entsprechende Wege, die etwa in der Hal-
tung des Judentums zur Kunst eine Parallele
finden mögen ) eine bilderstürmerisch - anti-
konkrete Einstellung zu suchen. Vor allem als
Mittel der religiösen Propaganda, im Bereich
der Bibelillustration und Flugschriftenliteratur
war die bildende Kunst Luther und den Seinen
eine sehr erwünschte Helferin, und auch das
Andachtsbild, die fromme Allegorik einer Kanzel-
skulptur oder eines christlichen Grabmonuments
konnten unter den Reformatoren liebevoller
Pflege sicher sein. Anderseits kann es keinem
Zweifel unterliegen, daß die Anzahl der spezifisch
kirchlichen Kunstaufgaben in den protestantisch
gewordenen Landen eine erhebliche Verringe-
rung erfahren mußte: in der aller Y\ erkheiligung
abgewandten Welt von Wittenberg war kein
Platz mehr für die Stiftung künstlerisch gezier-
ter Familienkapellen, die Madonna verlor ihre
Eigenbedeutung, die Heiligen interessierten nur
mehr als vorbildliche Fromme, deren Einzel-
taten für den Kult nun bedeutungslos geworden
waren. Ob diese VA andlung der Dinge nicht
manchen Künstler brotlos gemacht, ihn anderen
Berufen zugeführt oder in katholische Lande
getrieben hat? Wir wissen über diese sozusagen
kunstsoziologischen Seiten des Problems nicht
genug, um eine völlig schlüssige Antwort bieten
zu können : noch viel schwerer aber ist es natür-
lich, Klarheit darüber zu bekommen, inwieweit
das persönliche Erlebnis des Glaubenswechsels
auf die Kunstweise der einzelnen Schaffenden
eingewirkt hat. Müssen die Frage erneut und
zugleich im Gegensinne („wie hat die Rückwen-
dung zum Katholizismus auf Kunstschicksal
und Künstlerschaffen eingewirkt'?") aufwerfen,

trotzdem erst vor einigen Jahren eine sicher-
lich anregende und feinfühlige Arbeit über das
Thema erschienen ist*). Denn ihr Verfasser,
Dr. F. Ruchholz, steckt seinen Beobachtungs-
kreis gerade nach dieser Seite hin wohl doch
zu eng, wenn er außer den V\ ittenberger Bibel-
illustratoren nur eben den vom Vorreformatori-
schen herkommenden Dürer und den eher ins
Negative hin sich entwickelnden älteren Cranach
als echte Reformationskünstler ins Auge faßt.
Er nennt freilich noch eine Anzahl anderer, aber
mit wesentlich negativem Ergebnis: doch hält
er sich immerhin im Kreis der hochberühmten
Namen, an denen allein das Schicksalhafte einer
solchen Massenbewegung nicht voll ermessen
werden kann. Man müßte den kleinen Stadt-
und Bauernmalern, den Steinmetzen und Bild-
schnitzern weit im Umkreis nachspüren, auch
über die Grenzen des Luthertums hinaus die
zwinglianisch-kalvinische Welt vergleichenden
Betrachtungen unterziehen. Für die lutherische
Architektur, beider die Versuchung, von Künst-
lernamen auszugehen, ferner liegt, ist einst-
weilen das erste ja von ihm getan worden,
während freilich die Frage einer kalvinischen
Architektur noch zur Erörterung gestellt werden
muß. Heinrich Geymüller glaubte noch, den
Kalvinern einen individualistisch-regelfreien
Standpunkt zubilligen zu sollen: ein Blick auf
das klassizistisch-palladianische Holland scheint
aber eher das Gegenteil zu erweisen. Für das
Luthertum nun kommt Buchholz zwar zu rei-
fen Erkenntnissen — sie sind aber im Grunde
von negativer Art. Wohl betont der Protestantis-
mus in seinen wenigen Neubauten und häufige-
ren Umbauten von Gotteshäusern den Typus
der Gemeinde- und Predigtkirche, aber dazu
finden sich schon Ansätze in der vorreformatori-
schen Spätgotik. Und in den beiden im engeren
Sinne bildenden Künsten ? Auch hier wird eigent-
lich gesagt, daß einer allerdings vorhandenen
Wandlung im Geistigen keine, solche in forma-
ler Hinsicht entspricht: aufrechtere, heilsgewis-
sere, spezifischer männlich-tapfere Haltung, ein

*) Buchholz, Dr. F., Protestantismus und Kunst im 16. Jahr-
hundert, Leipzig, Dieterichsche Verlagsbuchh., 1928.

Kunst für Alle, Jahrg. 45, Heft Ii, September 1930

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