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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Heft 12, September 1930
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Karl Vogel, ein Bildhauer
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0418

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KARL VOGEL, EIN BILDHAUER

Ausgesprochene Porträlbegabung hat seine Ent-
wicklung von Anfang an bestimmt. In den Jahren
1922—23 hat der heute Dreiunddreißigjährige,
der auf dem Umweg über den Doktor der Kunst-
geschichte zur Bildhauerei gekommen ist, bei
Bleeker in München gearbeitet. Dann nur noch
kurze Zeit bei Stursa in Prag. Der Münchner
Schulung verdankt er die entscheidenden Im-
pulse.

Die Einmaligkeit eines jeden Antlitzes läßt ihn
die Aufgabe stets als ganz neu gestellt erscheinen.
Es wird daher auch die Spannung des völligen
Zusammengerafftseins notwendig, um immer
wieder einen Anfang zu überwinden. Beachtens-
werter Bcichtum an entfalteten Möglichkeiten
der Form ist ihm durch solches Verhalten zuge-
kommen. Jener Fixigkeit der Hand, die in den
meisten Fällen rasch zur maniera, zum Klischee
führt, wird \ ogel kaum verfallen können. Keines-
falls gehört er zu jenen, die vor allem durch
überraschend Neuartiges zu wirken hoffen; er
zertrümmert auch nicht das Sehbild, um aus
so gewonnenen Bausteinen Geistgestalten der
Phantasie zu errichten. Sein im Grunde allein
dem Ideal einer gediegenen Handwerklichkeit
zugewandtes 'Wesen ist erfüllt von einer tiefen
Achtung vor allem Naturgegebenen. Behutsam
nur und gleichsam schrittweise vollzieht sich
hier die schöpferische Auseinandersetzung mit
dem, was als das Nie-wiederkehrend-Persönliche
in einem Antlitz erkannt wird. Beachtenswert
an den Ergebnissen ist nicht nur der Grad innerer
Beweglichkeit, der es ermöglicht, von einmal
erfühlten Sonderformen her auch konsequent
das ganze Bild aufzubauen. Es ist auch die Ent-
blätterung bis zum Wesenskern nicht trotz,
sondern gerade weil weitgehende Porträttreue
da ist, bei den besten Stücken zweifellos erreicht.
Daß die Zuständlichkeit ausgesprochener Seins-
Formen alle Bildgebärden beherrscht, kann bei
so fundierter Kunst nicht wundernehmen. Offen-
sichtliche Freude an künstlerisch geklärter Ord-
nung von festen Formen, die wenig nur und
gerundet aus dem idealen Blockraum von ganz
klar in sich selber verankerten und ruhenden
Geschöpfen vorstoßen, sichert zudem vor demEin-
bruch loserer, literarischer, nur dem Bildwerk
verbundener Energien.

Dabei ist diese Kunst keineswegs eine solche der

derben Fülle. Es ist im Gegenteil fast frauen-
hafte Hingabe an die Feinheit jener, verstandes-
mäßig kaum faßbaren Besonderheilen zu be-
merken, von denen her sich auch das Unwieder-
holbar-Charakteristische eines künstlerischen
Porträts erklärt. Zu dekorativ geleerter Einfach-
heit stumpft sich das Bildwesen nur dort ab,
wo die Unterwerfungunter eine Ordnung höheren
Grades es fordert (Bauplastik). Sonst — gerade
den besten Arbeiten sichert das einen besonderen
Beiz — tritt Reichtum seelischer Empfindungen
ganz unzeitgemäß deutlich hervor. Daß bei ganz
freier W ahl des Modells meistens die unfertige
Schlankheit sehr jugendlicher Körper bevorzugt
wird, geht mit der Beobachtung der feinglied-
rigen Struktur dieses Bealismus gut zusammen.
Die Abstammung des Künstlers erklärt zuletzt
die Häufigkeit und besondere Qualität ausgeprägt
jüdischer Köpfe. Da ist einmal deutlich von der
Artverwandtschaft her ein \\ eg zu besonderer Er-
kenntnis porträtmäßigerMerkmale offengehalten
worden. In Prag, wo der aus Budweis stammende
Künstler seit vielen Jahren lebt, bietet eine in
alter, weitgehend ausgeformter Kultur wurzelnde
Gesellschaft so klarer Porträtbegabung dankbare
Vorwürfe. Zu den gelungensten Arbeiten Vogels
gehört die Terrakotta nach Max Brod, die Dar-
stellung des Kapellmeisters Steinberg, die Bron-
zen nach der Sängerin Jicha, nach dem Philo-
sophen Kraus. Die ..Porträt-Büste" von 192g
hat im Rahmen der ersten Ausstellung der
,,PragerSecession" besondereW irkungausgeübt.
Sie ist ebenso wie die Rronze eines sitzenden
Mädchens (von 1926) durch das deutsche Kura-
torium der Modernen Galerie in Prag erworben
worden. Die ..Skizze'- von 1927 ist eine weitere,
leider unvollendet gebliebene Redaktion nach
dem Modell zur Sitzenden in der Galerie. Nicht
nur mit diesen Arbeiten eroberte sich derzunächst
hauptsächlich dem Porträt Zugewandteein weite-
res Gebiet. Da ist auch der schön ausgewogene
..Junge Arbeiter": das „Stehende Mädchen" vor
allem von 1929, dessen ungeschminkter Realis-
mus von redlichstem Studium der Formen und
der Statik auch einer Ganzgestalt zeugt, die
trotz klarer Herrschaft von Hauptansichten doch
erst im Rundgang den räumlich nur faß-
baren Reichtum eines bildhauerischen Werkes
offenbart.

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