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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Schäfer, Wilhelm: August Babberger
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Riedrich, Otto: Der Bildhauer Ludwig Kunstmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0172

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aufgerollt werden. Ganz gewiß ist dies der
eigentliche Grund unserer gegenwärtigen Kunst-
krise, daß die ..Kunst an sich" ihrer Absonderung
überdrüssig geworden, wieder ins Leben zurück-
möchte, wo sie wirkliche, nicht gedachte Flächen
schmückt.

Dort aber kann sie, bis zur Höhe des Monumen-
talen, nur in der dekorativen Freiheit existieren
(die sie in der Historienmalerei der Meininger-
zeit am traurigsten entbehrte), weil alles Große
als Mythos und Sage Überwirklichkeit ist, der
keine NachahmungoderS ortäuschung vonW irk-
lichkeit entsprechen kann. Es bedarf eines Blickes
auf den Mosaikausschnitt Babbergers, um zu
wissen, daß Engel nur so, in der Andeutung dar-
stellbar sind. Da, wo die abendländische Malerei
ihren Ursprung, aber auch ihr verlorenes Para-
dies eines natürlichen, nicht zur Bildung abge-
sonderten Daseins hat. in der frühen W and- und
Buchmalerei war sie dekorativ und wirklich-
keitsfrei. Die Schmückung der Fläche begnügte
sich mit der Andeutung, um für ihre rhythmische
Lebendi^machuns Freiheit zu haben.

Wie es jene waren, sind die hier abgebildeten
Proben Babbergerscher W andmalerei als Tafel-
bilder Unmöglichkeiten; man muß wissen, daß
es sich um W andflächen als „Bauteile" handelt,
die damit geschmückt oder für die sie als
Schmuck gedacht sind. Fnd nur als Ausschnitt
einer solchen wahrhaft dekorativen Wandmalerei
ist das ..Blaue Mädchen" zu betrachten, obgleich
es „in Öl" gemalt ist.

Dieses „Blaue Mädchen- trägt die Jahreszahl
1920: der Flamingoteppich gar ist von 1916.
So lange also steht August Babberger, der heute
44jährige, schon im Vollbesitz seines Könnens,
das aus der \ oreingenommenheit der absterben-
den Tafelmalerei noch unterwertet ist. Außer der
großen goldenen Medaille von 1928 in Düssel-
dorf wüßte ich von keiner weithin sichtbaren
Anerkennung dieses großen Künstlers, dessen
Dasein auch in seiner Stoffwahl und Bich-
tung weisend ist. Es ist deutsche Gefühlswelt,
die sich in seinen dekorativen Malereien auf
eine wahrhaft volkstümliche Weise Sinnbilder

schafft. Wilhelm Schäfer

DER BILDHAUER LUDWIG KUNSTMANN

Das Schaffen des Bildhauers Ludwig Kunst-
mann ist in seinen wesentlichsten Zügen an die
Architektur gebunden. Seine Plastiken wachsen
aus der Massengestaltung eines Bauwerkes
heraus, sie sind der letzte zusammenfassende
Klang. Das Ballinhaus ist typisches Beispiel da-
für. Der Bewegtheit des Chilehauses gegenüber,
dem es benachbart ist, sind seine Formen streng,
es ist, als hätte sich der Name „Ballin" in ihnen
versinnbildlicht. In gleicher Strenge sind die
Plastiken Kunstmanns gebildet. In ihrem Aus-
druck auf die einfachste Formel gebracht, atmen
sie Buhe und Geschlossenheit. Kunstmann ge-
hört zu den wenigen Künstlern, die nicht das
immerfort Bewegtsein der gegenwärtigen äuße-
ren Welt in plastischen Formen festhalten wollen,
ihm gilt das Bilden von innen her, das Fest-
halten innerer Gesichte mehr, und ihre Ein-
kleidung in sichtbare Form vollkommen zu er-

reichen, ist immerwährendes Streben und Be-
mühen.

Ein bestimmter Rhythmus durchzieht jedes
schöpferische Leben. Es kann nicht heule so
und morgen so schaffen. Unsicherheit und
Schwankungen zwischen verschiedenen Ein-
flüssen von außen her werden nur bemerkbar
sein, solange der Künstler noch nicht zur
Klarheit in sich gekommen ist. In dieser Be-
ziehung dürfte es von großem Vorteil für den
Künstler sein, wenn er den Weg durch das
Handwerk geht. Die strenge Zucht, die ihm da
zuteil wird, ist von großer Wohltat, bewahrt
ihn vor Irrtümern und Irrwegen, die Akademie
oder Kunstgewerbeschule leicht mit sich bringen.
Auch Ludwig Kunstmann hat seinen Weg als
Handwerker begonnen. Er trat, noch nicht
13 Jahre alt. in seiner Geburtsstadt Regensburg
bei einem Holzbildhauer in die Lehre ein. Die

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