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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

DOI Heft:
Heft 12, September 1930
DOI Artikel:
Kroll, Bruno: Richard Winternitz 1861-1929
DOI Artikel:
Heimeran, Ernst: Seltsame Sammler, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0430

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Kamerad. Er wurde ihr Ratgeber und Helfer.
Seine Fürsorge hatte etwas Rührendes, doch auch
Y\ eitschauendes.

Hinter dieser Fürsorge steckte die Wahrung,
die Erhaltung Münchens als erste Kunststadt.
Hartnäckig kämpft er gegen Münchens Isolie-
rung. Energisch kämpfte er um dessen inter-
nationales Prestige. Er gönnte sich weder Ruhe
noch Erholung. Höchstens — eine Tasse Kaffee
im verräucherten ..Stephanie" in einem kleinen
Kreis von Schriftstellern. Malern. Musikern und
Bildhauern, wo er sich zwanglos gehen ließ,
wo er gerne schwatzte und seine Causerien
trieb. Glänzend, subtil, reich an Tatsachen. Er-
innerungen und Anekdoten. Ließ alle Nuancen
einer gehobenen und dennoch freien Konversation
spielen, von der herzlichsten Bonhomie bis zur
untadelhaftesten Unverschämtheit, Sorglosigkeit
und Fröhlichkeit verbreitend ... Er war der Typ
des unabhängigen, freien Bohemien und gleich-
zeitig ein Muster von Ordnung, ein Pedant.
Ein Helot der Arbeit und doch ein heimlicher
Diktator. Er hob die Ausstellungen zu über-
lokaler Bedeutung durch geschicktes Arrange-
ment, durch Heranziehung von Auswärtigem.
Während die anderen jurieren, zählt er. Zählt
die Bilder, inwieweit er sie unterbringen kann.
Ernähme sie alle. Nur hängen muß er siekönnen.
Hängen, daß das 'VN ertvolle zur Geltung komme

und der vornehme Charakter einer repräsen-
tativen Schau gewahrt bleibe und mit feinem
Gefühl für den großen Rhythmus eines Raumes
und dem Wert der Bildwerke hat Winternitz
die Aufgabe glänzend gelöst. Lngeteilte Aner-
kennung erntete er dafür an den Tagen der
Glaspalast eröffnung. Da erlebt e er seine schönsten
Augenblicke. Alles Mürrische, Grimmige und
Verschlossene war da aus seinem Gesicht ge-
wichen und es erglänzte in Güte und Liebens-
würdigkeit. An solchen Tagen bewegte er sich
mit Stolz und Selbstbewußtsein. Führte mit
verbindlicher, heiterer Liebenswürdigkeit, mit
geistreichem Humor königliche Hoheiten, Mini-
ster und vornehmste Damen der Gesellschaft.
Mit feiner Differenzierung führte er sie alle in
die Geheimnisse des Wertvollsten ein. Äußerst
sensibel reagierte er auf jede Anregung und warf
sie mit Witz und gewürzter Bosheit zurück.
Doch nie verletzend . . . Das waren die Feiertage
seines Lebens. Aus ihnen schöpfte er Kraft und
Mut...

Einstimmig ernannte ihn die Münchner Secession
in Anerkennung seiner hervorragenden \ er-
dienste zu ihrem Ehrenmitglied.
So schwand das Leben dieses unvergeßlichen,
vornehmen Menschen zwischen Mühen und
Sorgen dahin. Es endete, als er anfangen wollte.

es ZU leben . . . Bruno Kroll

SELTSAME SAMMLER

Fortsetzung von Seite 388

Fenster hinauswarf, um, wie er sagte, die Samm-
lung vor dem Feuer zu retten. Der Doge klagt
darüber in einem Brief: dennoch aber habe es
geklungen wie göttliche Musik, als all das Schöne
zersprang. Bei diesem Unglück ging auch das
größte Glaskunstwerk des Mittelalters zugrunde,
die Reiterstatue des Herzogs Franzesco Azzurra,
die wie ein gefrorener Geist mit glasigem Aus-
druck unter all den köstlichen Zerbrechlichkei-
ten stand.

*

Im Hungerpastor von Raabe ist eines Sammlers
gedacht, dessen Bibliothek zur ^ erwunderung
des redlichen Helden lediglich Bücher über die
unbefleckte Empfängnis enthält. Ein. wenn man
so sagen darf, religiöses Gegenstück der Kunst

bietet ein Mister Joel Evans in New Brunswik
(Kanada), der künstlerisch bemalte Papierdra-
chen aller Nationen sammelt, und zwar nur sol-
che, die kultische Zeichen tragen, also das christ-
liche Kreuz oder das Gottesauge, chinesische
oder japanische Götter- und Dämonengestalten,
Buddha oder das „om mani padme hum" der
Tibetaner. Alle seine Schätze läßt Mister E. ein-
mal im Jahre, an seinem Geburtstage, wenn es
das Wetter so will, aufsteigen, um ein Volks-
schauspicl zu geben. Spötter behaupten aller-
dings, es geschehe aus einer Art religiöser Ver-
worrenheit, als würden all die papierenen und
seidenen Götter im blauen Himmel für Mister
Evans, der sie an der Schnur hält, Fürsprache

einlegen. Dr. Ernst Heimeran

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