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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Lindemann, Reinhold: Max Unolds Mosaikbilder für den Dampfer "Europa"
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MAX UNOLDS MOSAIKBILDER
FÜR DEN DAMPFER „EUROPA"

Man sollte einmal ernstlich der Frage nachge-
hen, ob derfestliche., schönheitsvoll schmückende,
mit einem "Wort jener viel berufene dekorative
Zug der Münchner Malerei nicht im Grunde
landschaftlich bedingt ist. Genau genommen
müßte man „atmosphärisch" sagen, denn Luft
und Licht einer Gegend sind für den Maler
noch wichtiger als die Formation des Bodens
und die Art der "Vegetation. In vielen Fällen ist
ja der geradezu schulbildende Finfluß des atmo-
sphärischen Lebens gewisser Gegenden durch
die Geschichte längst erwiesen. So hat auch
das gebirgsnahe München seine eigene Atmo-
sphäre. Hier wird das Licht nicht wie im silbri-
gen Dunst von Paris reich und zart gebrochen;
die Luft ist hier trocken und durchsichtig
rein, so daß die Farben, rauschend und fest-
lich, ihre ungebrochne Kraft entfalten kön-
nen. Dann steht die W elt, aller Einzelreize
entledigt, nur noch in wenigen großen ge-
tönten Silhouetten da, erscheint als gleichnis-
haft unwirkliche „Dekoration", als funkelndes
..Schmuckstück"' vor der Reinheit des Himmels.
In diesem Ursinn des Dekorativen hat Max
L nold seine Entwürfe zu den Mosaikbildern für
den Dampfer „Europa" gestaltet. Jedes von
ihnen gibt ein charakteristisches Stück Natur,
aber ins Typische vereinfacht, gleichnishaft ver-
dichtet und in eine Sphäre erhoben von fast
homerischer Größe und Unschuld. Ein „Mor-
gen" ist da mit äsendem Wild und aufsteigen-
dem Vogelflug, die junge Sonne zu begrüßen:
das Gestirn des „Mittags" brütet sengend über
einem Garbenfeld: der „Abend" kündet Heim-
kehr, Heimkehr der Menschen, der Vögel und
des müden Lichtes: die „Nacht" ist das Lied
eines raunenden Gewässers zwischen blauen
Bergen, das ruhende Lämmer belauschen und
in das der Mond sein milchiges Silber tropft.
Mit diesen Bildern der Natur in ihrem reinen
zuständlichen Sein ist jeweils ein schlichtes ur-
sprüngliches Tun der Menschen verbunden:
Fischer, die das wasserschwere Netz heben und
die Beute in der Büchse bergen, die Bast der
Mäher in der Mittagsglut, das Heimwärtswan-

dern der Jäger am Abend und die nächtliche
W ache des Hirten bei der wärmenden Flamme.
W ahr und zugleich unwirklich wie ein lyrisches
Gedicht wirkt jede der vier Szenen, die etwas
von antiker Harmonie atmen und doch den
prickelnden Reiz moderner Geschmackskultur
durchaus verraten. Die Farbe tut das ihre dazu,
auf funkelndem Goldgrund entwickelt sich die
fein abgestimmte Farbskala, die zarte Dreiklänge
mischt und reizvolle Übergänge vermittelt: hell-
stes Blau etwa gemischt mit tiefem Azur und
dunklem Blaugrün, hinüberklineend nach lich-
tem Türkisgrün, das sich mit blassem Bosa und
vollem Englischrot zu einem eigenen Akkord
verbindet. Denkt man dann noch an die Köst-
lichkeit der alten gediegenen Technik und die
vielfältigen Beize des herrlichen Materials, so
hat man eine "\ orstellung von der schmücken-
den, im besten Sinne „dekorativen" Kraft dieser
Mosaiks, die wie glitzernde Geschmeide die
Wände des Festsaals der „Europa" zieren.
An der "V ollkommenheit dieser Mosaikbilder hat
keinen geringeren Anteil als der entwerfende
Maler die Hand des ausführenden Künstlers,
dem die Aufgabe zufiel, die Übersetzung der
Entwürfe in das eigentliche Material zu voll-
ziehen. Sie ist das Werk von Wilhelm Pütz,
dem Leiter der „\ ereinigten Süddeutschen^ erk-
stätten für Mosaik und Glasmalerei". Die er-
staunliche Blüte der mittelalterlichen Mosaik-
kunst ist nur so zu erklären, daß der entwerfende
Künstler und der ausführende Handwerker in
einer Person vereinigt waren,also jedesMosaik aus
intimster Materialkenntnis heraus konzipiert und
geschaffen wurde. Dieser Idealzustand ist bei
dem Charakter des modernen Künstlertums nicht
mehr zu erreichen. Es ist schon viel gewonnen,
wenn dem Künstler, der den Entwurf liefert,
ein Mitarbeiter zur Seite steht, der über eine
wirkliche Kenntnis der Gesetze des Mosaiks und
über technisch völlig durchgeschulte Hilfskräfte
verfügt und zugleich künstlerisches Verständnis
hat für die schöpferischen Absichten des entwer-
fenden Malers. In diesem Sinne fand Max L nold
in Wilhelm Pütz einen idealen Mitarbeiter.

Reinhold Lindemann (München)

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