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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Barlach der Sechzigjährige
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0248

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ERNST BARLACH. DER RÄCHER
Mit Genehmigung von Paul Cassirer, Berlin

BARLACH DER SECHZIG]ÄHRIGE

Zu Ehren des sechzigjährigen Bildhauers Ernst
Barlach hatte die Preußische Akademie der Künste
eine Ausstellung seiner Holzbildwerke veran-
staltet, die als der stärkste künstlerische Eindruck
zu verzeichnen ist, den man seit Beginn des
Winters in Berlin erleben konnte. Es war eigent-
lich ein Eindruck, der sich von dem „künstle-
rischen Genuß", den man bei anderen zeitge-
nössischen Malern und Bildhauern empfindet,
stark unterscheidet, denn das Artistische trat
zurück angesichts einer fast mythischen W ucht,
die diese kleinen, braunen Holzblöcke aus-
strahlen.

Man kann diese Plastik, deren völlige Gestalt-
werdung mit einer Beise des Bildhauers nach
Bußland zusammenfällt, nicht als östlich beein-
flußt bezeichnen. Sie offenbart mit jedem Beil-

hieb, mit jedem Schnitt des Messers den breiten
Ernst eines niederdeutschen Menschen. Von ihr
führt eine direkte Linie zurück zu den gotischen
Holzbildwerken in den Kirchen von Lübeck und
den Ostseegebieten.

Die ganze Fülle Barlachscher Gesichte ist in
diese Holzbildwerke geströmt. Sie bedeuten eine
Bebabilitation des Dichterischen in der Kunst.
Ein erdverbundener Zug vereint sich mit einer
Phantasie, die das Schwebende liebt. Wenn es
heute möglich ist, die abgerissene Tradition der
alten gotischen Meister des 14. und 15. Jahr-
hunderts wieder aufzunehmen, so ist es Barlach
gelungen. Mit einer gewissen Bescheidenheit
tritt der Künstler hinter seinem Werk zurück.
Denn hinter diesem Werk steht eine Kraft, die
ihre Wurzel aus dem Volke selber zieht. B.E.W.

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