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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Eckstein, Hans: Frans Masereel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0180

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FRANS MÄSEREEL

Man hat den Holzschnittgraphiker, als der
Masereel durch seine im Kurt-\\ olfM erlag er-
schienenen Schwarzweiß-Legenden allgemein
bekannt ist, mit Walt Whitman verglichen. Er
ist ihm zweifellos verwandt in der anbetenden,
umfassenden Bejahung des Lebens, selbst in
dessen verworfenen Ausgeburten. Aber auch wie
sich in den Holzschnittfolgen Blatt für Blatt die
tausend Dinge des Alltagslebens spiegeln, wie
Masereel sie einzeln aufzählt, erinnert an den
Katarakt hymnischer Anrufungen der Dinge, an
den prasselnden Rhythmus bei Whitman. In
Masereels epischer Bildnerei lebt etwas vom
naiven Erzählertum der alten Bilderbogen wieder
auf. Die Idee wird drastisch demonstriert. Aber
Masereels ungebrochene Vitalität entwindet das

Ideenhafte rein zerebralen Exerzitien wie blut-
leerer symbolistischer Spielerei. Das Zweck-
hafte, die durchscheinende politisch-soziale
Tendenz ist paralysiert durch einen Krischen
Grundton, der sich selten ganz verleugnet
und uns sogleich für Masereels zeitsinnerfüllte
Kunst gewinnt. Das Geistige ist dem Le-
ben verbunden. Naivität und geistige Wachheit
sind glücklich gemischt. Man hört aus den
Bildern wohl die Anklage heraus, das grausige
Gesicht großstädtischer Zivilisation wird grell
angestrahlt. Doch geschieht das ohne morali-
sierende Persiflage oder Zynismus, der sich
dann leicht — wie man's bei anderen schon
erlebt hat — in links blühender Gartenlaube
beruhigt.

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