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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Wolf, Georg Jacob: Münchner Bildniskunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0109

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MÜNCHNER BILDNISKUNST

In der diesjährigen Glaspalast-Ausstellung in
München gab es in einer kurzen Flucht von
Sälen eine Sache für Feinschmecker der Kunst:
etwa hundert Gemälde und etwa ein Dutzend
Plastiken sind vereinigt, um die Entwicklung
der Bildnismalerei und Bildnisplastik in München
schaubar zu machen, wie sie sich vollzog von
Desmarees und Bustelli bis zu Slevogt und Hilde-
brand. Begreiflicherweise kann eine solche
Veranstaltung, die auf beschränkte Zeitdauer
angesetzt und in vielem von äußeren Zufällig-
keiten abhängig ist, nicht lückenlos sein. Im
Falle der Ausstellung „Münchner Bildnisse von
1750—1900", wie sie offiziell heißt, tritt noch
der L instand hinzu, daß eine Beihe großer
Sonderausstellungen dieses Jahres (Leibi. Feuer-
bach. Lindenschmit. A iktor Müller, Frank Kirch-
bach u. a.) es unmöglich machte, ein völlig ge-
schlossenes Bild vom Entwicklungsablauf der
Münchner Porträtkunst zu geben.
In der Münchner Kunst ist die Stetigkeit des
guten Porträts eine ebenso unbestreitbare Tat-
sache wie die der ausgezeichneten Landschaft,
während das Genrebild nur zeitweise blühte und
das Historienbild von der Art Pilotys und Kaul-
bachs stets als ein aufgepfropftes, nicht lebens-
fähiges Beis erkannt werden muß.
Durchschreitet man die Münchner Bildnis-Aus-
stellung, so drängt neben dem eigentlich histori-
schen und künstlerischen Interesse, neben den
Qualitätserwägungen stark das soziologische
Moment zu. Es ist bemerkenswert, wer sich
porträtieren ließ: noch merkwürdiger aber ist
der sichere Zugriff nach dem besten, eben für
die\\ iedergabeihrerW esens-und Erscheinungs-
züge besten Künstler. W ir finden unter den
Münchner Porträtisten solche, die ihrer innersten
Veranlagung nach sich nur für die Fixierung
hocharistokratischer, höfischer Physiognomien
eignen. Und es gibt wieder, wie es bei Johann
Georg Edlinger der Fall ist, ausgesprochene
Bürger-Maler, vorzüglich in ihrem Fach, weil
in ihnen selbst die bürgerlichen Züge überwiegen.
Edlinger hat wohl mit seinem jetzt im Hessischen
Landesmuseum in Darmstadt befindlichen Bild-

nis des Grafen Sigismund von Haimhausen einen
Einbruch in die Y\ elt der Aristokratie unter-
nommen und er gelang, gelang vor allein in
Hinblick auf das eine Malerische. Wenn aber
ein Mann oder eine Dame, z. B. die anmutige
Gattin des Polizeidirektors Baumgartner, vor
seiner Staffelei sitzt, dann ist dieser unhöfische
Hofmaler in ganz anderer \\ eise in seinem
Element. Der wirklich feudale Maler des alten
München ist Georges Desmarees, aus Schw edi n
eingewandert, vom kurbayerischen Hof überaus
geschätzt, doch nicht überschätzt. Denn sein
Können ist sehr groß. Alan sehe das im besten
Sinne damenhafte Bildnis der Herzogin Maria
Anna von Bayern an. Diese auch im Leben groß-
artige Frau, Freundin Friedrichs des Großen
von Preußen, erscheint hier in einem an sich
repräsentativen, im Stofflichen rauschend elegant
gemalten Bildnis, das indessen die Kunst des
Malers zu einem Dokument versammelter AA esen-
haftigkeit zu steigern vermochte. Das Hauptwerk
des Desmarees auf dieser Ausstellung ist indessen
das Doppelbild des Kurfürsten Max III. Joseph
mit seinem Intendanten Grafen Seeau, nobel
und groß gemalt: man vergleiche damit das
sehr intim aufgefaßte, aber fast ängstlich ge-
formte Doppelbildnis aus der Hand J. J. Dorners
d. ä., das den gleichen Fürsten mit seinem
Freund Salern zeigt, und man wird sich der
Meriten der Malerei des Desmarees sofort be-
wußt sein. Ebenso muß man die herrliche, ganz
groß gesehene, dabei doch in naturalistische
Einzelheiten eingehende Bildnisbüste Graf Haim-
hausens, die Franz Anton Bustelli formte und
die Nymphenburger Porzellan-Manufaktur aus-
führte, mit dem Bildnis Edlingers vergleichen,
um grundlegende Unterschiede, die im Naturell
des Künstlers ihre Begründung haben, zu er-
kennen.

Hauber ist der bürgerliche, Kellerhoven der
vorwiegend aristokratische Porträtist um die
Jahrhundertwende. Klotz und W. v. Kobell
dokumentieren den Anteil an der Entwicklung
der Münchner Porträtkunst, der aus dem pfälzi-
schen Zuzug entsprang; Kobells Bikinis des

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