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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Bredt, ...: Graphik und deutsches Ingenium
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0224

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GRAPHIK UND
DEUTSCHES INGENIUM

Nur ganz wenige der großen deutschen und nieder-
ländischen Maler waren nicht auch Graphiker.
Es gibt zwarmerkwürdigeAusnahmen wieGriine-
wald — aber selbst ein Bildhauer wie "\ eit Stoß
ist dem Drang zu radieren mit fabelhaftem Eigen-
willen gefolgt. Das ist eine Tatsache, die von der
Kunstgeschichte „als Geistesgeschichte" nicht
genug erkannt, jedenfalls völkerps3rchologisch
nicht genug gewertet worden ist.
Merkwürdig ist ja doch die andere Tatsache, daß
es den großen Italienern gar nicht in den Sinn
gekommen ist, selbst Holzschnitte oder Kupfer-
stiche zu schneiden oder zu „graben", obwohl sie
doch nicht wenig von der nordischen gedruckten
Graphik gehalten und gewonnen haben. Von
den großen Spaniern gilt Ahnliches. Goya ragt
wie ein Riese als Graphiker einsam über seine
Landsleute. Bei den Franzosen ist es anders: auch

sie haben genug große Maler zu nennen, die
gleichzeitig hervorragende oder doch höchst pro-
duktive Graphiker gewesen, aber man mag sich
nach Ost, West oder Süd umschauen: kein Volk
hat wie das deutsche sich so zur Vervielfältigung
der von ihm selbst erschaffenen Zeichnungen
und Bilder hingezogen gefühlt wie wir. Man
mag wohl sagen, daß vielleicht schlechte wirt-
schaftliche Verhältnisse oft genug unsere Künstler
gezwungen haben, in der billigeren Art der
künstlerischen Mitteilungsich zu betätigen. Aber
nichts wäre falscher, wirtschaftlichen Zwang dort
vor allem zu sehen, wo unverkennbar Lust und
Leidenschaft vorhanden waren. Und wenn wir
so oft hören müssen, wir Deutschen hätten nicht
das starke Gefühl für reine und klare Form süd-
licher Kulturvölker, so kann nichts so leicht be-
wiesen werden durch die Fülle des wertvollsten
Materials aus fünf Jahrhunderten, als eine ganz
gewaltig überragende Bildhaftigkeit unseres In-
geniums. Bredt-München

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