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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Steinsky, Wilhelm: Daktyloskopie in der Kunst
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Historische Besinnung gegenüber lebender Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0140

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DAKTyLOSKOPIE IN DER KUNST

Vor einiger Zeit brachten verschiedene Zeit-
schriften die Nachricht, daß man an einem Ge-
mälde, das Albrecht Dürer zugeschrieben wird,
Fingerabdrücke entdeckt habe, von denen man
annehmen müsse, daß sie von der Hand des
Meisters selbst herstammen: jedoch wurde gleich-
zeitig die Ansicht geäußert, daß dieselben wohl
unabsichtlich entstanden und deren Erhaltung
dem Zufall zu verdanken sei.
Es dürfte daher für weitere Kreise von Interesse
sein, daß Schreiber dieser Zeilen an einem alten
Gemälde italienischer Schule gelegentlich vor-
genommener Restaurierungsarbeiten ebenfalls
Fingerabdrücke entdeckt hat, die jedoch derartig
angebracht sind, daß man mit Sicherheit be-
haupten kann, sie seien nicht zufällig entstanden.
Diese Fingerabdrücke wiederholen sich nämlich
an verschiedenen Teilen des Gesichtes und der
Hand und lassen, in einer kunstreichen, zarten
Lasur der Untermalung angebracht, unverkenn-
bar die Absicht erkennen, das Inkarnat zu
höherer Wirkung zu bringen und die Struktur
der Haut täuschender zu gestalten : man muß
auch feststellen, daß diese Absicht vollkommen
gelungen ist und ungeahnte Plastik erreicht
wurde.

Da man nun annehmen muß — die Kunstge-
schichte lehrt uns das wiederholt — daß ein
derartiger technischer Kniff von demselben Mei-
ster doch öfters als einmal angewendet wurde, daß
er durch dessen Schule weiterverbreitet, auch
von anderen Künstlern aufgegriffen wurde, so
bietet uns diese Entdeckung an und für sich

schon eine interessante Erweiterung der Ge-
schichte der Kunsttechnik.
A\ ir können aber noch weiter gehen!
Hat man an einem Gemälde, das unzweifelhaft
einem bestimmten Meister zugeschrieben wird,
bei sorgsamer Beobachtung solche Fingerab-
drücke entdeckt und dieselben mit Hilfe der
daktyloskopischen Methoden registriert, ist allen-
falls dann auch bei anderen Meistern eine der-
artige Registrierung gelungen, so bietet uns in
Zukunft das \ orhandensein solcher Fingerab-
drücke bei Gemälden unbestimmter Meister
durch den \ ergleich der Papillarlinien einwand-
freie Anhaltspunkte und einen sicheren Schluß
auf die Schöpfer derselben.
Es sei uns zum Schlüsse auch noch gestattet,
etwaige Befürchtungen hinsichtlich Fälschungen
solcher Gemälde zu zerstreuen.
Es wäre allerdings durch die Fortschritte der
Technik möglich, Stempel mit den Fingerab-
drücken irgendeines Meisters herzustellen, jedoch
würde naturgemäß beim Gebrauch solcher
Stempel immer genau die gleiche Fingerpartie
dargestellt sein, während der betreffende Meister
selbstverständlich, um die beabsichtigte W irkung
zu erzielen, einmal stärker, ein anderes Mal
schwächer den Finger aufsetzte und dadurch
verschieden große und verschieden stark model-
lierte Flächen der Papillarlinien zum Abdruck
brachte, auch wohl nicht immer genau in der-
selben Haltungund nicht immer denselben Finger
gebrauchte, wodurch bald die eine, bald die
andere Partie besser ausgeprägt wurde.

Prof. Wilhelm Steinsky

HISTORISCHE BESINNUNG GEGENÜBER

LEBENDER KUNST

Man ist der Historie heute nicht allzu rosig ge-
sinnt. Man hat sich im 19. Jahrhundert etwas
daran überessen. Läßt man sie heute noch zu,
dann nur in aktualisierten Dosen. Wo sie sich
vergleichend an lebende Kunst heranwagt,

scheucht man sie erbost zurück. „Ihr Histori-
ker tötet das Lebendige. Eure Begriffe ersticken
das werdende Leben im Keim." Nun läßt sich
ein wirklich werdendes Leben zwar durch Be-
griffe absolut nicht anfechten, wovon unsere

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