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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 45.1929-1930

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Leibl oder Blum?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14160#0137

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LEIBL ODER BLUM?

Der Tatbestand ist dieser: Auf der sehr gepfleg-
ten und mit aller wissenschaftlichen Sorgfalt um-
gebenen Leibi-Ausstellung imV\ allraf-Richartz-
Museum in Köln, die im März 1929 stattfand,
erschien ein vortreffliches Bildnis, betitelt ..Por-
trät eines bayerischen Offiziers", das mit Leibis
Schriftzug signiert und im Katalog Leibi zuge-
schrieben war. In W aldmanns Oeuvre-Katalog
Leibis ist das Gemälde nicht enthalten, auch das
zwar nicht lückenlose, aber immer noch unent-
behrliche Verzeichnis der 'Werke Leibis in Mayers
Buch erwähnt es nicht. Dagegen fanden sich
berufene Experten., die dem Gemälde auf Grund
seiner Erscheinung und malerischen Haltung,
seiner Qualität und der scheinbar einwandfreien
Signatur den Charakter einer OriginalarbeitM il-
helm Leibis zusprachen. Das Bild, das durch
den Kunsthandel aus Rom nach Deutschland
gebracht worden war und das sich damals im
Besitz des Staatssekretärs a. D. Dr. von Kuehl-
mann befand, ging von Köln nach Berlin in die
dortige Leibi-Ausstellung in der Akademie der
Künste, und eine Münchner Tageszeitung brachte
eine Abbildung des „Neuaufgefundenen Leibi".
Da meldete sich der Münchner Maler und Pro-
fessor a. D. der Kunstgewerbeschule, Hans Blum,
und beanspruchte das Urheberrecht an dem Bilde,
von dem er glaubhaft nachwies, daß er es genialt
habe, daß früher seine Signatur auf dem Bilde
angebracht gewesen sei und daß der Dargestellte
( was man natürlich schon an der L niform erkannt
hatte) kein Offizier, sondern der inzwischen ver-
storbene Geschützgießmeister Stadelmann in In-
golstadt sei, den er auf dessen Auftrag porträtiert
habe. Fast gleichzeitig stellte sich heraus, daß
dasGemälde vor einigen Jahren auf der \ erSteige-
rung eines Münchner Auktionshauses um wenige
hundert Mark ausgeboten und nicht gefordert
wurde: damals hieß das Bild eben noch Hans
Blum. In freihändigem Verkauf ging das Ge-
mälde dann in Privatbesitz, wurde nach Rom
verbracht und dort ist die Signatur gefälscht wor-
den. Der Staatsanwalt mischte sich ein, aber er
konnte den Fälscher nicht fassen, da die Namens-
änderung im Ausland vorgenommen worden war.
Der Käufer gab das Bild an die Kunsthändler
zurück, die Signatur Leibi wurde entfernt. Blum

signierte sein Werk aufs neue, und damit
ist nun dieser tragikomische Zwischenfall, bei
dem es einige Blamierte gibt und hinter dem
ein verteufelt geschickter Schwindler steht, zu
Ende.

W as aber lehrt die Geschichte? Es ist das alte,
häßliche Lied: man kauft Namen, zahlt dafür,
wie auch in diesem Fall wieder, Preise, die ans
Phantastische grenzen (man sprach von mehr als
100000 Mark ) , und das vorzüglichste Kunstwerk,
das, wie dieses, tatsächlich von einer Leibi eben-
bürtigen Qualität ist, hat noch den W ert von
einigen hundert Mark ( jetzt wird dieser aus Sen-
sationsgrfinden, keineswegs aus der billigen Er-
kenntnis, daß man es mit einem hervorragenden
Porträt zu tun habe, allerdings beträchtlich gestie-
gen sein), sobald der berühmte Meistername ver-
schwindet. Daß man die großen Meister ehrt,
daß man das Persönlicbkeitsmoment bei der
Preisbildung für ein Kunstwerk in Rechnung
setzt, das versteht sich alles ganz von selbst. Aber
man muß auch dem gelungenen A\ erk dann sei-
nen W ert und seine Geltung, man muß ihm, ganz
derb gesprochen: seinen Preis lassen, wenn ein
bescheidener, weniger volltönender Name da-
hintersteht. Man muß es einmal aussprechen:
Es sollte nicht gehen um „Leibi oder Blum?",
sondern um „Gut oder schlecht?". Dann wäre
das Ideal der Kunstwertung erreicht.
Hans Blum, ein Künstler, der heute in den siebzi-
ger Jahren steht, einst Schüler der Münchner Aka-
demie und einige Zeit in Lindenschmits Atelier,
hat. wie eine in München veranstaltete Ausstellung
von Y\ erken seiner Hand bewies, ein Bildnis von
dieser Kraft und Einprägsamkeit, psychologisch
gründlich und malerisch vollendet, nicht wieder
geschaffen. Diese Leistung ist innerhalb seiner
sehr trefflichen Kollektion isoliert, vielleicht auch
deswegen, weil er stofflich und stilistisch sich
später einer ganz anderen Richtung zuwandte.
Eine direkte oder bewußte Beeinflussung von
Leibi her bestand bei der Entstehung des Wer-
kes nicht, aber es ist kennzeichnend für die bild-
same Atmosphäre, die damals in der Münchner
Kunst herrschte, und für das hohe Niveau der
Münchner Bildnismalerei in den 1870er und
1880er Jahren. w.

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