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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Gold, Alfred: Bühnenskizzen von Karl Walser
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0037

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BÜHNENSKIZZEN von KARL WALSER

VON

ALFRED GOLD

OLL man in der Malerei auf dem Theater
eine sehr ernsthafte und für das Theater

| ausschlaggebende Funktion sehen ? Es
scheint, man ist jetzt im Begriffe, sie zu
überwerten. Denn das Grund Verhältnis von Bühne
und Bühnenvorgang bleibt das: Die Bühne ist ein
neutraler Ort, der in der Art und dem Grade
seiner Bestimmtheit eben dazu ausreichen muss,
den Vorgang als möglich erscheinen zu lassen, der
auf ihm spielt, und das ist oft schon mit einer
blossen Andeutung erledigt: wie weit man ausser-
dem noch in der dekorativen Ausstattung gehen
will, scheint eine Frage zweiten Ranges zu sein.
Die meisten Inscenierungs-Neuheiten, auch die
besten, beweisen es. Der Regisseur verspricht sich
Unerhörtes an umstürzenden Eindrücken von einer
Tapete, die parodistisch und einem Wald, der
märchenhaft primitiv gemalt ist. Die Theater-
wirkung denkt er sich dadurch auf eine völlig
neue Bahn gebracht. Wenn die Zuschauer, die an
eine ganz andere Art Dekoration gewöhnt sind,
gegen solche Experimente sich verblüfft auflehnten,
er würde es ganz natürlich finden; ja der Anhänger
der Ausstattungstheorie müsste es geradezu ver-
langen, dassdasPublikumzunächst einmal revoltierte.

Mittlerweile geschieht aber etwas ganz anderes: Man
lässt sich die Experimente ziemlich ruhig gefallen.
Man hat das instinktive und richtige Bewusstsein,
dass es eben Experimente sind, und dass die Schau-
bühne ein genügend derbes, unabgestimmtes, an
sich gleichgültiges Instrument ist, sie zu ertragen.
Die Hauptsache treffen sie garnicht, ob sie nun
etwas besser oder weniger gelingen. Die Haupt-
sache bleibt im innersten Kern von ihnen unberührt.
Unübertroffen ist, was über das centrale Ge-
heimnis jeglicher Wirkung, die von der Bühne
überhaupt ausgehen kann, Grillparzer einmal schrieb.
Seine Gedanken ziehen sich durch mehrere Auf-
zeichnungen „zur Dramaturgie" aus den Jahren
i 8 19 und 1834; ihre Voraussetzung ist die, dass
unsere ganze Teilnahme für die Bühne durch das
„Mittel der Causalität" in ihren Vorgängen ge-
wonnen wird. Das Mittel der Causalität, der wir
mit den gröberen oder feineren Fühlhörnern unseres
Verstandes kontrollierend folgen, erzeugt allein
Wirklichkeit, Gegenwart innerhalb des Bühnen-
rahmens. „Die blossen Gegenreden der Person mit:
tritt auf oder: tritt ab reichen dazu nicht hin,"
sagt Grillparzer; „und die Ausführlichkeit oder
Richtigkeit der Ausstattung des Lokals ebenso
 
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