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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0371

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CHRONIK

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Herr Prof. van de Velde schreibt uns:

„Es giebt kein dem französischen Wort „fantaisie"
genau entsprechendes deutsches Wort.

Der Sinn des deutschen Wortes „Phantasie" ent-
spricht dem französischen: „Imagination".

Nun ist es aber nicht die Phantasie, der ich den Krieg
erkläre am Anfang meiner Reisenotizen (in der vorigen
Nummer), sondern einer Auffassung der Dinge, die
das Gegenteil ist von der wirklichen, unmittelbaren,
vernünftigen.

Die eine führt dazu, die wesentliche und voll-
kommene Form der Dinge zu finden durch Betrach-
tung ihrer Bedeutung, ihres Zweckes, ihrer Bestim-
mung, des Materiales, aus dem sie gemacht sind und
dessen eigener Qualitäten und Schönheiten.

Die andere führt dazu, aus einer Jardiniere einen
Schwan mit ausgebreiteten Flügeln zu machen; aus
einer Standuhr einen Teller, auf dem zwölf Austern
die zwölf Stundenzahlen vorstellen, während Gabel
und Messer die beiden Zeiger bilden.

Im Sinne solcher Erfindungen und der Gestaltung
einer Form, einer Sache durch Elemente, die dieser
Form, dieser Sache ganz fremd sind und an deren Er-

findung allerdings die Phantasie Anteil hat, in diesem
Sinne verstehe ich das französische Wort „fantaisie".

Welches Wort soll man auf Deutsch brauchen, um
diese Art von Erfindungen zu bezeichnen ?

Ich lasse diese Frage offen. Aber da ich auch keine
Umschreibung gefunden habe, wäre es mir unangenehm,
wenn hieraus zwischen meinen Lesern und mir ein
Missverständnis entstände."

Die Lithographie von Karl Walser, die diesem Heft
beigegeben ist, war das Ergebnis einer Aufforderung,
die der hochbegabte Künstler erhielt, für eine Wohl-
thätigkeitsvorstellung des „Sommernachtstraumes" das
Programm zu zeichnen. Nur in diesem einen Punkt,
finden wir, verknüpft sich die Zeichnung mit dem
Theater. Sie erscheint uns gerade demTheater entgegen-
gesetzt, die Traumvorstellung, die der Leser in seiner
Privatlektüre hat, zeigend, nicht den Eindruck vom
Theater. Wie intim empfunden ist dieser Zettel, er
lebt ja freilich bis in die Fussspitzen (wie gut ist die
fragend erhobene rechte Zeh) und sehr drollig hält die
linke Hand den Rosenzweig), er ist dennoch unwirklich,

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