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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Veth, Jan: Karneval in Augsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0128

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KARNEVAL IN AUGSBURG

VON

JAN VETH

war zur Karnevalszeit und im
träumebringenden Augsburg, dass
ich gerade auf einem der weiten
Korridore des früheren Palastes von
Anton Fugger sinnend vor dem histo-
rischen Kamin stand, unter dem Karl V. einmal vom
Wirt seine Schuldscheine im Zimmerfeuer verbrennen
sah, als meine Aufmerksamkeit durch ein lautes
Getöse abgelenkt wurde, das mich nach dem Balkon
des glasbedeckten vornehmen Hofraumes hinzog.
Unter mir lag der riesige Lichthof der drei
Mohren, beleuchtet von einer viel grösseren Anzahl
elektrischer Lampen als man da sonst zu brennen
pflegt. Rings um den Brunnen, dessen Wasser höher
aufzischte und lebhafter in den Karpfenteich hinab
plätscherte als gewöhnlich, waren dichte Reihen
von Agaven und Palmen aufgestellt. Und unter
den spitzfingerigen Fächerblättern dieser letzteren
bewegten sich nun die Terrassenstufen herab, aus
dem dahinterliegenden grossen Tanzsaal kommend,
grillenhaft ausstaffierte Gestalten, die mich auf der
Stelle an Hans Burgkmairs Aufzugsfiguren erinner-
ten und die sich allmählich in freien Gliedern
gruppierten.

Der piemonteser Portier Valentino Peiretti mit
seinem legeren kriegerartigen Ansehen stellte sich
mit gezierter Keckheit an die Spitze des ritterlichen
Zuges, und hiess, in schnörkelhaft balancierender
Gangart vorantretend, die Piccolos die grossen
Hausthorflügel aufschlagen, um so die ihm nach-
schreitende Gesellschaft in die geräumige Maxi-
milianstrasse zu entlassen.

Neugierig war ich die Treppen hinabgeflogen,
aber zu einer näheren Musterung fand sich wenig Ge-
legenheit, denn als ich hinter ihnen mich einreihte,
sah ich die Festgenossen flugs die schmale Katha-
rinengasse einschlagen, zwischen den hohen, grauen
Mauern der einst stolzen und schönen, jetzt aber
verwitterten und verlassenen Patrizierhäuser hin-
durch, bis man links an ein grosses Thor gelangte,
welches Einlass in den düsteren Kreuzgang des alten
Katharinenklosters gewährte, — und in einer der
Ecken des kühlen Gewölbes geschah es nun, dass
ein drohendes Geschrei sich vernehmen Hess.

Der Lärm kam aus dem Teil des ehrwürdigen
Gebäudes, wo das ungewöhnliche Bilderwaisenhaus
eingerichtet ist, in welchem so viele von der Wurzel
abgeschnittene Blüten der Kunst ein allzu frostiges
Unterkommen gefunden haben; und von der Treppe,
welche dahin führt, kam jetzt ein Esel herunter-
gestolpert, auf dem ein grotesker Kerl sass, der von
den seinen schweren Bierbauch zusammenhaltenden
Hüften zwei schlappe Beinchen die Flanken des
Tieres entlang baumeln Hess und auf einer unwahr-
scheinlichen Hühnerbrust einen aufgeplusterten
Quabbelkopf trug, in dem ich das fleischumrahmte
Plinkern erkannte jenes Claus von Ranstedt, der
einst der Narr von Friedrich von Sachsen war, und
der nun jahrein jahraus in einen hölzernen Rahmen
an der Museumswand festgenagelt zu sehen ist.

Claus schien über seine Befreiung erfreut; denn
er fing sofort an, lustig zu blinzeln, aber als er die
reichgekleidete Reiterschaar erblickte, welche kam,
ihn abzuholen, strich er mit den fetten Händen

MJ
 
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