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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 3.1905

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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4389#0413

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CHRONIK

NACHRICHTEN, AUSSTELLUNGEN ETC.

Die grosse berliner Kunstausstellung dieses Jahres
(in der sich leichter die Grösse als die Kunst finden lässt),
hat etwas recht Ermüdendes infolge der vielen Stellen,
die, wenn man so sagen darf, von keinem Windhauche
bewegt werden. Unter den an den wenig übersicht-
lichen Wänden ausgebreiteten zahllosen Bildwerken
haben es die, welche ein Studium verdienen, sehr schwer,
sich die ihnen gebührende Geltung zu verschaffen, ein
Übelstand, der oft gerügt wurde, der es aber noch
nicht vermocht hat in das System der grossen Aus-
stellungen Bresche zu schlagen. In dem grossen blauen
Saal Balckes fallen riesenhafte Dekorationen von Her-
mann Prell in Dresden auf, die auf uns so wirken wie
mit glattem Pathos hergesagte gänzlich äusserliche Tisch-
reden, mitAplomb vorgetragen, Oratorenleistungen.
Gewisse späte italienische Maler konnten rauschend und
nichtssagend malen und amüsieren durch ihr Brio, bei
Prell ist nichts anderes als das, was wir als inhaltlos
empfinden, Phrase — aber dabei das Gegenteil von
Glanz. Bewundernd bleibt man dann in dem blauen
Saal vor Meister Gebhards ausdrucksvollen Schwarz-und

Weiss-Kompositionen stehen, die aus dem neuen Testa-
ment gezogen sind und eine sehr interessante Kraft
haben. Hingegen ärgert man sich wiederum vor den gegen-
über befindlichen Temperabildern Hermann Schapers
in Hannover, die das heilige Abendmahl in Triptychon-
form darstellen. Auffallend an den drei Teilen ist nur
das durch sie hindurchgehende weisse Tischtuch mit
rotem Kreuzstich, ein geblümtes Damastgewebe mit
„altdeutscher" Stickerei, ein Unsinn in diesem Werke,
weil sich solch ein Anschein von Freude an dem Objekt,
das in Unkenntnis von der Unmöglichkeit seines Zu-
sammenhanges mit der vorgeführten Geschichtsepoche
dargestellt wird, — diese scheinbare Naivetät nicht
mit der abgeschliffenen Haltung Christi und der Apostel
verbinden kann, die durch die Kultur der Hochschule
erzeugt ist. Wir sehen in dieser Einfügung eines „naiv"
dargestellten Tafeltuchs nur ein Symptom mehr für
einen ganz kalten Akademismus.

Aber es war heiss an dem Tag, an dem wir
die grosse akademische Ausstellung das erste Mal be-
suchten. Wir zogen uns zurück, nachdem wir den
blauen Saal durchquert und einen flüchtigen Blick auf

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