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Baumeister: das Architektur-Magazin — 7.1909

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Rimmele, F.: Richard Dollinger
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https://doi.org/10.11588/diglit.52602#0091

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DER BAUMEISTER ° 1909, APRIL.

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bis heute geschaffen hat und zeigt seine
Stärke in der Fähigkeit schöner Raum-
gestaltung. Auch die übrigen Räume
dieses Hauses beweisen das Gesagte.
So betrachte man einmal länger ver-
weilend das Studentenzimmer! Unter
Vermeidung jeglichen Aufwandes ist es
schlicht und gut bürgerlich ausgestattet,
seine Bewohner nicht zu stolzer, herri-
scher Art herausfordernd, sie vielmehr
zu bescheidenem Sinne und freundlich
heiterem Gemüte erziehend. Welche
Behaglichkeit spricht aus diesem Bilde!
Das ist keine Studentenbude in land-
läufigem Sinne mehr, über deren Schwelle
jede ordnungsliebende Mutter nur mit
tiefem Unbehagen tritt. Es ist ein gemüt-
liches Heim, ein Raum wie geschaffen
für die Träume der Jugend, für die
Stunden des ersten Weltschmerzes. Hier
weckt die Sonne den Schläfer zur rechten
Zeit! Am hohen Fenster begrüsst der

Realschule Schorndorf. Vorplatz vor dem Rektorzimmer.


Realschule Schorndorf. Brunnenraum im I. Stock.


Fassaden zwar an malerischer Wirkung, lassen aber hin und
wieder die wünschenswerte Ruhe vermissen. Nicht im Innern
der Häuser, sondern in der Kunst, denselben das Aeussere in
möglichst einfacher Gestaltung anzugliedern, liegt das Gebiet,
auf welchem Dollinger seine Weiterentwicklung suchen muss,
und man darf aus seinen bisherigen Werken, zumal aus seiner
Schorndorfer Schule, mit Recht die Annahme ableiten, dass es
ihm in der Folge gelingen wird, ohne von seinen bisherigen
Grundsätzen abzuweichen, die manchmal allzureiche Gliederung
seiner Häuser zu mässigen! Ohne deren Wert im Innern zu ver-
mindern, wäre ihr Aeusseres zu einer mehr geschlossenen Gesamt-
wirkung zusammenzufassen. Ein erfolgreiches Streben nach
erhöhter Einfachheit, nach gesteigerter Ruhe, würde die Vorzüge
seiner Bauten vermehren und sie zu grosszügigen gestalten!


werdende Dichter den jungen Tag und
sammelt, hinaussinnend in die weite Welt,
die Stimmung der Zeiten! Ein anderer
ruht in wohliger Sofaecke und liest am
Abend vergnüglich und mit pathetischem
Ernst seinen Busch und Schiller.
Auch die schönen Wohnzimmer der
Häuser Bürglen, die prächtigen Hallen
und lauschigen Brunnenräume der
Schorndorfer Schule sind Zeugen für die
Innenkunst Dollingers.
Dass bei der Entwurfsarbeit, wie sie
Dollinger übt, die Aussengestaltung
seiner Häuser mitunter eine allzu be-
wegte wird, ist eine natürliche Folge.
Dadurch, dass er jedes Fenster in
der notwendigen Grösse gerade da vor-
sieht, wo es vom Innenraum gefordert
wird, dass er Erker und Balkon eben
dort anordnet, wo deren Benützung
zweckmässig erscheint und schöne Aus-
sicht vorhanden ist, gewinnen seine


Aich. Rich. Dollinger, Stuttgart.

Amtskörperschaftsgebäude Geislingen.
 
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