DER BAUMEISTER . 1909, JULI.
1 13
dem erhellt wohl die Tatsache,
dass Messel als ein Umgestalter
der norddeutschen Architektur
Grundlagen geschaffen hat, auf
denen eine gute Weile fortzu-
bauen ist. Er selber aber fand
einen solchen zeitgemässen An-
knüpfungspunkt nicht vor und
daher sein langes Suchen,
Schwenken und Anlehnen, Nach-
empfinden und in die Ferne
Schweifen. Nach einer fünfzehn-
jährigen Bautätigkeit, die trotz
der schönen Details nicht gegen
das Veralten gefeit ist, sah sich
der anlehnungsbedürftige Eklek-
tiker Messel beim Warenhaus
Wertheim zum erstenmal ge-
zwungen, die Farbe der eigenen
Zeit zu bekennen. Da erwachte
in ihm der tektonische Denker,
der seither in seinem Schaffen
die Zügel geführt und Zug um
Zug die grandiose Ent wicklung ge-
förderthat. Beim ersten Abschnitt
des Wertheim-Baues schwebte
Messel die norddeutsche Hallen-
kirche als Vorbild vor. Den ein-
seitig vertikalen Gedanken mo-
delte er ins Profane um. So
gross die Idee an sich, so wollte
sich doch die fein detaillierte
Ausführung besonders im Innern
nicht zu einem harmonischen Sy-
stem schicken. Die theoretische
Härte des Gedankens und die
Kleinlichkeit der Ornamente emp-
fand Messel selber sofort als eine
nur halbe Lösung seiner Aufgabe.
Da schweifte er suchend in die
Ferne und fahndete auf seltsame
und phantastische Motive aus
dem Portugiesischen und Sizili-
anischen und Byzantinischen und
endlich machte er sogar Gabriel
Seidls Eigenart zu der seinen,
importierte aus Süddeutschland
Material und Bildhauer, um in
das ihm ursprünglich fehlende
vollpulsierende Gestalten aus dem
Breiten und Fülligen zu gelangen.
Landhaus Dr. Ostermann, Darmstadt. Eingangsportal.
Arch. Alfred Messel f.
Landhaus Dr. Ostermann, Darmstadt. Strassenansicht. (Siehe Tafeln 76/79.)
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dem erhellt wohl die Tatsache,
dass Messel als ein Umgestalter
der norddeutschen Architektur
Grundlagen geschaffen hat, auf
denen eine gute Weile fortzu-
bauen ist. Er selber aber fand
einen solchen zeitgemässen An-
knüpfungspunkt nicht vor und
daher sein langes Suchen,
Schwenken und Anlehnen, Nach-
empfinden und in die Ferne
Schweifen. Nach einer fünfzehn-
jährigen Bautätigkeit, die trotz
der schönen Details nicht gegen
das Veralten gefeit ist, sah sich
der anlehnungsbedürftige Eklek-
tiker Messel beim Warenhaus
Wertheim zum erstenmal ge-
zwungen, die Farbe der eigenen
Zeit zu bekennen. Da erwachte
in ihm der tektonische Denker,
der seither in seinem Schaffen
die Zügel geführt und Zug um
Zug die grandiose Ent wicklung ge-
förderthat. Beim ersten Abschnitt
des Wertheim-Baues schwebte
Messel die norddeutsche Hallen-
kirche als Vorbild vor. Den ein-
seitig vertikalen Gedanken mo-
delte er ins Profane um. So
gross die Idee an sich, so wollte
sich doch die fein detaillierte
Ausführung besonders im Innern
nicht zu einem harmonischen Sy-
stem schicken. Die theoretische
Härte des Gedankens und die
Kleinlichkeit der Ornamente emp-
fand Messel selber sofort als eine
nur halbe Lösung seiner Aufgabe.
Da schweifte er suchend in die
Ferne und fahndete auf seltsame
und phantastische Motive aus
dem Portugiesischen und Sizili-
anischen und Byzantinischen und
endlich machte er sogar Gabriel
Seidls Eigenart zu der seinen,
importierte aus Süddeutschland
Material und Bildhauer, um in
das ihm ursprünglich fehlende
vollpulsierende Gestalten aus dem
Breiten und Fülligen zu gelangen.
Landhaus Dr. Ostermann, Darmstadt. Eingangsportal.
Arch. Alfred Messel f.
Landhaus Dr. Ostermann, Darmstadt. Strassenansicht. (Siehe Tafeln 76/79.)