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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,4.1916

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1916)
DOI Artikel:
Jesser, Franz: Was ist uns heute Königgrätz?: zum 3. Juli 1916
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https://doi.org/10.11588/diglit.14294#0019

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Was ist uns herrte Königgrätz?

Zum 3. Zuli 1916


^^sterreich-Ungarn erlebt in diesen Tagen eine Erneuerung seiner
^ ^alten Staatsgröße auf jenen Schlachtfeldern, auf denen die Habs-
burger von Maximilian I. bis auf Franz Ioseph I. um die Vor-
herrschaft oder doch um Erhaltung ihres territorialen Besitzstandes in
Italien gerungen haben.

Wohl wurden diese Kämpfe um der habsburgischen Hausmacht willen
geführt — aber gerade dieser Teil der Hausmachtpolitik war die Fort-
setzung der Politik des mittelalterlichen deutschen Imperiums.

Man hat diese Politik mit Recht einen „heroischen Irrtum" genannt.
Gleichwohl wird sie niemand missen wollen, denn auf ihr gründet die
Weltmachtstellung des deutschen Volkes, sie verleiht der deutschen Ge-
schichte des Mittelalters ihre Ligenart. Und ohne die Beziehungen zü
Italien, ohne die von Süden kommenden und durch ihn vermittelten Ein-
flüsse sind Renaissance und Reformation undenkbar.

Auch in der Entwicklung des österreichischen Staates der neuen Zeit
hat dieser Einfluß sehr deutliche Spuren hinterlassen. Und Österreich wär
bis tief in das s8. Iahrhundert hinein der Vermittler italienischer ästhe-
tischer Kultur für Deutschland.

Die habsburgischen deutschen Kaiser haben als österreichische Regenten
den Irrtum des deutschen Imperialismus übernommen — dadurch aber
blieben sie auch die Träger einer deutschen Idee.

Um der italienischen Stellung willen rang Osterreich mit Frankreich
und während mehrerer Iahrhunderte wurde der Rhein in der Poebene
verteidigt. Am Rhein und in Italien bewährte Prinz Eugen sein Feld-
herrngenie, im deutschen Südwesten und in Oberitalien entschied sich das
Schicksal des Deutschen Reiches zur Zeit der Koalitionen und Napoleons.

Süd- und Westdeutschland hat selbst noch im s9- Iahrhundert die ita-
lienischen Kriege Osterreichs als „deutsche Kämpfe" aufgefaßt und hat
darum im Iahre s859 stürmisch die Mobilmachung des Reiches gegen
Frankreich gefordert. Wir wissen heute, daß diese Forderung die Folge
eines anderen „Irrtums" war, des Irrtums über die beste Form eines
starken Deutschlands. Der Sieg der kleindeutschen Idee, die Abkehr von
dem Ideale der Erneuerung des alten Deutschen Reiches, mußte auch die
Abkehr von der alten imperialistischen Politik in Italien nach sich ziehen.
Sie fand ihren schönsten Ausdruck in dem militärisch-politischen Bünd-
nisse Preußens mit dem jungen Königreiche Italien. Die glänzenden
Siege von Custozza und Lissa wurden wirkungslos gemacht durch die
ehrenvolle Niederlage bei Königgrätz.

Erst der Verlust der deutschen Stellung zog den endgültigen Verlust
der italienischen Stellung nach sich.

Die politische Hinterlassenschaft des alten deutschen Imperiums hatte
Österreich übernommen. Die Abwicklung dieses Erbes deutscher Reichs-
und Volksgröße geschah auf Kosten Osterreichs. Die unmittelbare Folge
von Königgrätz war die rasche Entwicklung Deutschlands zu einer Groß-
macht mit weltpolitischen Aielen. In Österreich hingegen beginnt die
neue Zeit mit einer Verfassungsänderung, die den völligen Bruch mit
dem absolutistischen Großösterreichertume bedeutet — mit der Ilmwand-
lüng in eine dualistische Älonärchie^ Damit beginnt der wachsende Ein-
 
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